Ostfränkisch

Ostfränkisch
Der ostfränkische Sprachraum

Ostfränkisch ist die südöstliche Dialektgruppe der fränkischen Mundarten und gehört innerhalb des Dialektkontinuums zum Übergangsbereich des mitteldeutschen und oberdeutschen Sprachraums. Das ostfränkische Sprachgebiet erstreckt sich von der Region Heilbronn-Franken und Tauberfranken in Baden-Württemberg über die bayrischen Regierungsbezirke Mittel-, Unter- und Oberfranken, den südlich des Rennsteigs gelegenen Teil Thüringens über das bayrische und sächsische Vogtland bis ins Erzgebirge. In Hessen spricht man Ostfränkisch vor allem im Bereich der Rhön. Im Volksmund werden die ostfränkischen Dialekte, insbesondere die mainfränkischen Mundarten, schlicht "Fränkisch" genannt.

Inhaltsverzeichnis

Phonologie

Eine Eigenart der ostfränkischen Dialekte ist das Verschleifen von Wortendungen: z. B. wird Nürnberg wie Nämberch, Fürth wie Fä(r)dd ausgesprochen. Ebenfalls charakteristisch ist das gerollte r sowie die weiche (nicht aspirierte) Aussprache von stimmlosen (harten) aspirierten Konsonanten (t wird zu d, k wird zu g usw.) Beugungsendungen v. a. der Konjugation werden in manchen Regionen reduziert: gegessen wird zu gegess oder gessn; gleichzeitig werden dafür teilweise die Vokale des Wortstammes verändert: gewusst wird zu gewisst, gedacht wird zu gedenkt.

Der Vokalstand ist im Ostfränkischen überwiegend mitteldeutsch, im Grenzgebiet zu benachbarten Dialekten gibt es allerdings großflächige Übergangsgebiete mit Sonderformen. Im fränkisch-nordbairischen Übergangsgebiet in Mittel- und Oberfranken werden Langvokale im Wortinneren wie im Nordbairischen mit "gestürzten" Vokalen diphtongiert, z.B.: Bou (Bub), läib (lieb). In weiten Teilen Unterfrankens ist die oberdeutsche Diphtongierung verbreitet (Bua, liab).

Morphosyntax

Im Gegensatz zu vielen Dialekten, die sich vor allem durch ihre andere Phonologie und einen verschiedenen Wortschatz auszeichnen, hat das Ostfränkische viele eigene morphosyntaktische Regeln bewahrt bzw. entwickelt.

  • Tempus. Das synthetische Präteritum wird vollständig durch das analytische Perfekt ersetzt. Ich aß → Ich hab gegessen. Diese sprachliche Besonderheit ist keineswegs nur auf die Mundartsprecher beschränkt. Vielmehr ist es so, dass man dem Imperfekt auch in der Schriftsprache nach Möglichkeit ausweicht, weil er in der Mundart ungebräuchlich ist.
  • Kasus. Der besitzanzeigende Genitiv bei Personen wird durch eine aus allen deutschen Dialektgebieten, aber auch dem Türkischen vertraute Kombination von Dativ und Personalpronomen ersetzt: Evas Schwester → der Eva ihr(e) Schwester. Sonst wird der Genitiv durch die analytische Form von + Dativ ersetzt. Typisch für ostfränkische Dialekte ist auch die Dativ-Rektion vieler Präpositionen, die in der deutschen Hochsprache den Akkusativ oder Genitiv nach sich ziehen: meinetwegen → wegen mir, Ohne mich → ohne mir, für dich → für dir, gegen dich → gegen dir, auf dich kommt es an → auf dir kommt es an usw..
  • Infinitiv. Der fränkische Infinitiv endet in Unterfranken und im Hohenlohischen überwiegend auf -e (hoffe, mache), in Ober- und Mittelfranken auf -n (hoff'n, mach'n). Einige Dialekte des Ostfränkischen geben als einzige deutsche Dialekte feststehende Infinitivendungen auf und ähneln damit dem Englischen. Der mainfränkische Infinitiv wird in der Regel durch das Weglassen der -en Infinitivendung des Hochdeutschen erreicht: schlafen → schlaf, kritisieren → kritisier. Dass das Weglassen des "en" nicht eine einfache Mundfaulheit ist, sondern genauen Regeln unterworfen ist, zeigt sich darin, dass das -en der 1. und 3. Person Plural, Formen, die im Hochdeutschen homophon mit dem Infinitiv sind, erhalten bleibt: wir schlafen – mir (wir) schlafen (unverändert); also: sie müssen schlafen – sie müssen schlaf
  • Relativpronomen: Der Gebrauch des Wortes "wo" als Relativpartikel ist hier obligatorisch (wie im Alemannischen). Die hochdeutschen Relativpronomen der, die, das ersetzen wo nicht, sondern sind fakultative Ergänzungen: Die Frau, die wo ich kenn, ... Der Film, wo du mir gestern erzählt hast, dass...[1]

Ostfränkische Dialekte

Das Linguasphere Register (Ausgabe 1999/2000, Seite 431, Zone 52-ACB-dj) führt unter dem Ostfränkischen 14 Dialekte auf:

Die oben genannten fünf vogtländischen und erzgebirgischen Dialekte liegen im Übergangsbereich des Ostfränkischen zum Thüringisch-Obersächsischen. Im Osten und Vorland des Erzgebirges, im nördlichen Vogtland und in größeren Städten - wie Zwickau, Glauchau oder Chemnitz - wurden Merkmale des Meißenischen teils als Dialekt, aber auch als obersächsische Hochsprache übernommen, so dass dort der ursprünglich ostfränkische Dialekt von meißenischen Sprach- und Klangmustern auch in der Alltagssprache überdeckt wird. Im Süden Thüringens hat sich das Fränkische jedoch noch sehr rein erhalten.

Forschung

Der Wortschatz der ostfränkischen Dialekte wird im Ostfränkischen Wörterbuch erfasst und beschrieben. Der Sprachatlas von Unterfranken, der Sprachatlas von Mittelfranken und der Sprachatlas von Nordostbayern erfassen die Sprachgeographie der ostfränkischen Dialekte in Bayern. Die ostfränkischen Dialekte auf dem Gebiet des Freistaats Thüringen wurden von der Arbeitsstelle Thüringisches Wörterbuch bzw. werden von deren Nachfolgeeinrichtung der Arbeitsstelle Thüringische Dialektforschung in Jena wissenschaftlich erforscht.[2]

Einzelnachweise

  1. Magisterarbeit zum Relativsatz im Fränkischen
  2. Arbeitsstelle Thüringische Dialektforschung

Literatur

  • Jens Sobisch: Fränkisch - Das Deutsch der Franken, Reise Know-How, ISBN 3894164743, auch als Audio-CD

Siehe auch


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