Palliative Betreuung

Palliative Betreuung

Palliativmedizin ist nach den Definitionen der Weltgesundheitsorganisation und der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin „die aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer progredienten (voranschreitenden), weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung zu der Zeit, in der die Erkrankung nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht und die Beherrschung von Schmerzen, anderen Krankheitsbeschwerden, psychologischen, sozialen und spirituellen Problemen höchste Priorität besitzt“, die über eine rein palliative Therapie hinausgeht (siehe auch Palliation). Nicht die Verlängerung der Überlebenszeit um jeden Preis, sondern die Lebensqualität, also die Wünsche, Ziele und das Befinden des Patienten stehen im Vordergrund der Behandlung.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Die Linderung des Leidens und die Unterstützung des Patienten stand auch früher schon im Zentrum der Aufgaben des Arztes, wie ein französisches Sprichwort aus dem 16. Jahrhundert zusammenfasst: Guerir – quelquefois, soulager – souvent, consoler – toujours (Heilen – manchmal, lindern – oft, trösten – immer). In den Hospizen wurden Kranke und Bedürftige versorgt, und oft auch bis zum Tod begleitet. Mit der Entwicklung der modernen Medizin ist jedoch die Betreuung von Patienten mit fortgeschrittenen unheilbaren Erkrankungen zunehmend einseitiger geworden. Medizinische Maßnahmen werden oft noch angeboten, auch wenn nur noch winzige oder gar keine Erfolgsaussichten mehr bestehen. Aber oft werden auch die Patienten mit ihren Symptomen und ihrer Angst vor Sterben und Tod alleine gelassen. Vor diesem Hintergrund wurde 1967 von Cicely Saunders in London das St. Christopher’s Hospiz gegründet, das die Keimzelle der modernen Palliativmedizin darstellt. Auch die erste deutsche Palliativstation, die 1983 an der Kölner Universitätsklinik entstanden ist, wurde stark vom St. Christopher Hospiz beeinflusst.

Der Begriff Palliative Medicine wurde von dem kanadischen Arzt Balfour Mount geprägt. Die von ihm geleitete Station am Royal Victoria Hospital in Montreal trug als erste die Bezeichnung Palliative Care Service.

Wesentliche Komponenten der Palliativmedizin sind Symptomkontrolle, psychosoziale Kompetenz, Teamarbeit und Sterbebegleitung.

Viele Einrichtungen der palliativen Pflege beziehen Angehörige systematisch in die Arbeit ein, da sie die Lebensqualität der Patienten stark beeinflussen können. Häufig werden sie auch noch nach dem Tod der Patienten weiter begleitet. Mittlerweile existieren mehr als 300 Palliativstationen und stationäre Hospize in Deutschland. Allerdings ist der Bedarf damit bei weitem noch nicht gedeckt. Der Deutsche Ärztetag hat im Mai 2003 Palliativmedizin als Zusatzweiterbildung in die (Muster-)Weiterbildungsordnung eingeführt und diese Zusatzweiterbildung wurde im Lauf der folgenden drei Jahre von allen Landesärztekammern in ihre Weiterbildungsordnungen übernommen. Professuren für Palliativmedizin sind in Aachen, Bonn, Köln, München und Göttingen eingerichtet worden. In einigen deutschen Bundesländern (z. B. NRW) gibt es Bestrebungen, flächendeckend ambulante Palliativdienste anzubieten.

Die im Juli 1994 gegründete Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) vereint Ärzte und andere Berufsgruppen zur gemeinsamen Arbeit am Aufbau und Fortschritt der Palliativmedizin und fördert die bestmögliche Versorgung der Patienten. Alle 2 Jahre führt sie einen Kongress durch, auf dem die aktuellen Entwicklungen in der Palliativmedizin vorgestellt und diskutiert werden.

Symptomkontrolle

Viele Tumorpatienten leiden in fortgeschrittenen Krankheitsstadien unter Schmerzen, Müdigkeit, Schwäche und anderen Symptomen. Diese Beschwerden können so belastend sein, dass das Leben unerträglich scheint. Mit Medikamenten, physikalischen Maßnahmen und anderen Therapien können diese Beschwerden oft soweit gelindert werden, dass das Erleben nicht nur auf das Leiden eingeschränkt ist, wieder andere Gedanken und Tätigkeiten möglich sind und die restliche Lebenszeit wieder als lebenswert empfunden wird. Für die Schmerzbehandlung haben sich die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation bewährt, nach denen die Schmerzmittel durch den Mund (orale Applikation), nach der Uhr (als Dauertherapie, nicht nur Bedarfsmedikation) und auf der Leiter (nach der Stufenleiter der WHO) eingesetzt werden. Die analgetische Stufenleiter empfiehlt bei leichten Schmerzen Medikamente der Stufe 1 (Nichtopioide wie z. B. Metamizol), bei mittelstarken bis starken Schmerzen Medikamente der Stufe 2 (schwache Opioide wie z. B. Tramadol in Kombination mit Nichtopioiden), und in der Stufe 3 die starken Opioide in Kombination mit Nichtopioiden. Ähnliche Stufenpläne können auch für andere Symptome wie z. B. Luftnot oder Übelkeit vorgeschlagen werden.

Palliativmedizin beschränkt sich aber nicht auf die Behandlung der körperlichen Symptome, sondern nimmt auch die psychologischen, sozialen und spirituellen Probleme der Patienten und ihrer Angehörigen auf.

Teamarbeit

Die umfassende Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen erfordert ein Team aus Ärzten, Pflegepersonal, Sozialarbeitern, Psychologen, Physiotherapeuten und Seelsorgern. Neben den hauptamtlichen Mitarbeitern ist die Einbindung von ehrenamtlichen Mitarbeitern besonders in der Hospizbewegung wichtig. Zwar kommt Palliativmedizin bei den meisten Patienten mit wenig technischen Maßnahmen aus, der personelle und zeitliche Aufwand ist dafür umso größer. Wichtig ist dabei, die unterschiedlichen Erfahrungen und Schwerpunkte der unterschiedlichen Berufsgruppen gelten zu lassen, und daraus gemeinsam mit dem Patienten und den Angehörigen ein individuelles Behandlungsziel für jeden Patienten zu finden.

Organisation

Palliativmedizin soll jedoch nicht auf die Palliativstationen und Hospize beschränkt bleiben. In der ambulanten und stationären Versorgung engagieren sich an vielen Stellen Ärzte, Pflegekräfte und Andere in der Betreuung von schwerkranken Patienten mit unheilbaren Erkrankungen. Die Schaffung von Strukturen, mit denen eine palliativmedizinische Betreuung an diesen Stellen möglich ist, z. B. durch Vernetzung, Kooperationen oder Teambildungen, ist eine der Herausforderungen der Palliativmedizin. Die erst in Ansätzen erfolgte Etablierung der Palliativmedizin an den Universitäten muss dringend weiter geführt werden, damit in späteren Jahren jeder Arzt zumindest die Grundzüge der Palliativmedizin im Medizinstudium erlernt hat.

Kostenübernahme durch Krankenversicherung

Die Finanzierung der palliativmedizinischen Versorgung erfolgt zur Zeit aus unterschiedlichen Quellen. Die Palliativstationen werden entweder wie andere Krankenhausabteilungen nach Fallpauschalen (DRG) - seit 2007 ergänzt um ein Zusatzentgelt - finanziert, oder als besondere Einrichtungen nach Tagessätzen, die vom jeweiligen Krankenhaus mit den Kostenträgern frei verhandelt werden. Derzeit kann nur ein Teil der Palliativstationen kostendeckend arbeiten.

Die stationären Hospize werden über Krankenversicherung, Pflegeversicherung und über einen Eigenanteil des Hospizes, der in der Regel über Spenden eingeworben wird, finanziert.

Im ambulanten Bereich wird von den Krankenkassen die Hospizbetreuung unterstützt, indem seit 2004 Koordinationsstellen für Hospizdienste finanziert werden. Die ärztliche und pflegerische Betreuung ist allerdings bis jetzt nicht in der Regelversorgung vorgesehen, so dass hier nur einzelne Modellprojekte existieren. An vielen Stellen sind Kostenvereinbarungen zur integrierten Versorgung getroffen worden, mit sehr unterschiedlichen Finanzierungs- und Versorgungsmodellen. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein hat mittlerweile an mehreren Stellen Finanzierungsvereinbarungen im Rahmen des Hausarztvertrages abgeschlossen, mit denen niedergelassene Ärzte eine kontinuierliche Betreuung der Palliativpatienten vornehmen können. Für die ambulanten Pflegedienste werden seit kurzem Verträge mit den Krankenkassen angeboten, in denen Pauschalbeträge für die Grund- und Behandlungspflege von Palliativpatienten abgerechnet werden können, wenn die entsprechenden Qualifikationen beim Pflegedienst vorliegen.

Mit Inkrafttreten des Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) wird die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (§ 37b SGB V) mit dem 1. April 2007 zur Pflichtleistung im Rahmen des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung.

Ziele der Palliativmedizin

Palliativmedizin ist keine Sterbemedizin: Die palliativmedizinischen Methoden und Einstellungen sind auch in früheren Stadien der Erkrankung gefordert, zum Teil schon sobald die Diagnose bekannt ist. Ziel ist es, dem Patienten ein beschwerdefreies (z. B. schmerzfreies) Dasein zu ermöglichen. Palliativmedizin bejaht das Leben und ist gegen eine Verkürzung, allerdings auch gegen sinnlose Therapieversuche, die den Patienten belasten und verhindern, dass der Patient die verbleibende Lebenszeit optimal nutzen kann – Nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben!

Palliativmedizin muss allerdings das Selbstbestimmungsrecht des Kranken achten. Er hat das Recht, alle Behandlungen abzulehnen und das Recht, zu sterben. Aus diesen, sich zum Teil widersprechenden Anforderungen (man kann zum Beispiel durch Unterlassen einer Therapie eine Lebensverkürzung bewirken), ergeben sich naturgemäß Konflikte und Diskussionen. Insbesondere scheint der moralische Unterschied zwischen erlaubter indirekter Sterbehilfe und verbotener direkter Sterbehilfe nicht so bedeutsam zu sein, wie oft von Palliativmedizinern behauptet. Bei der indirekten Sterbehilfe gibt der Arzt ein Medikament zum Zwecke der Linderung, wobei der Tod aufgrund nicht beabsichtigter Nebenwirkungen eintritt.

Prinzipien der Palliativmedizin

Nach Cicely Saunders, die als Begründerin der modernen Palliativmedizin gilt, wurden folgende Prinzipien aufgestellt:

  • Die Behandlung des Patienten erfolgt in der Umgebung seiner Wahl (ambulant, stationär, zu Hause, Pflegeheim o. a.).
  • Die physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse von Patienten, Angehörigen und Behandlungsteam werden beachtet (ganzheitlicher Ansatz).
  • Es gilt der Grundsatz „High person, low technology“, d. h. das Menschliche tritt in den Vordergrund, das medizinisch mit viel technischem Aufwand Machbare in den Hintergrund. Ziel der Therapie ist die Lebensqualität des Patienten.
  • Individuelle Behandlung jedes Patienten erfolgt durch ein multidisziplinäres Team
  • Offenheit und Wahrhaftigkeit sind Grundlage des Vertrauensverhältnisses zwischen allen Beteiligten.
  • Die Symptomkontrolle (Schmerzen, Durst, Luftnot u. a. Symptome) erfolgt durch Spezialisten.
  • Fachliche Pflege durch speziell geschulte Pflegekräfte
  • Ehrenamtliche werden in die Behandlung integriert.
  • Das Behandlungsteam wird zentral koordiniert.
  • Kontinuierliche Betreuung des Patienten und seiner Angehörigen dauert an bis zum Tod bzw. in der Trauerzeit.
  • Bejahung des Lebens, Akzeptanz von Sterben und Tod als Teil des Lebens. Der Tod wird weder beschleunigt noch hinausgezögert. Aktive Sterbehilfe wird strikt abgelehnt.
  • Forschung, Dokumentation und Auswertung der Behandlungsergebnisse
  • Unterricht und Ausbildung von Ärzten, Pflegekräften, Sozialarbeitern, Seelsorgern und Ehrenamtlichen

Palliativpflege

Hauptartikel: Palliativpflege

Palliativpflege beschreibt das pflegerische Fachwissen, die Maßnahmen und Aufgaben, die innerhalb des ganzheitlichen Konzeptes der Pallitive Care von professionellen Pflegekräften erbracht werden und der Verbesserung der Lebensqualität von Pflegebedürftigen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen oder terminalen Erkrankungen und deren Angehörigen dienen. Schwerpunkt dieses Konzeptes ist die "Vorbeugung und Linderung von Leiden durch frühzeitiges Erkennen, untadelige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art“.[1] Hierbei überschneiden sich die Pflegeprozesse der allgemeinen und speziellen kurativorientierten Pflege mit der Palliativpflege und gehen in vielen Bereichen fließend ineinander über und ergänzen sich.

Die palliative Pflege versteht sich als über den Tod hinausgehende, bedürfnisorientierte Begleitung, die das individuelle Wohlbefinden steigern und Sicherheit und Geborgenheit in allen Stadien des Leidens und Sterbens vermitteln soll. Die Pflegekräfte sind in diesem Rahmen integraler Bestandteil des interdisziplinären Pallitive Care Teams, zu dem neben Ärzten, Seelsorgern und verschiedenen Therapeuten auch freiwillige Helfer gehören.

Literatur

  • E. Aulbert, F. Nauck, L. Radbruch: Lehrbuch der Palliativmedizin. 2. Auflage. Schattauer Verlag, 2007, ISBN 978-3794523610
  • C. Bausewein, S. Roller, R. Voltz: Leitfaden Palliativmedizin. 3. Auflage. Urban & Fischer, 2007, ISBN 978-3-437-23311-1
  • S. Husebø, E. Klaschik: Palliativmedizin. 4. Auflage. Springer, 2006, ISBN 3-540-29888-6
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz e. V. (Hrsg.): Helfen am Ende des Lebens. Hospizarbeit und Palliative Care in Europa. Der Hospiz Verlag, Wuppertal 2004, ISBN 3-9810020-0-8
  • J.-C. Student, A. Mühlum, U. Student: Soziale Arbeit in Hospiz und Palliative Care. Ernst Reinhardt UTB, München 2004
  • J.-C. Student & A. Napiwotzky: Palliative Care: wahrnehmen – verstehen – schützen. Buch und DVD, Thieme, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-13-142941-4
  • Franco Rest, Hartmut Reiners, Eberhard Klaschik: Leben bis zuletzt – Finalversorgung von Tumorkranken. Walter de Gruyter Verlag: Berlin – New York 2001

Siehe auch

Weblinks

Artikel

Einzelnachweise

  1. WHO 2002

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