Panorama Museum Bad Frankenhausen

Panorama Museum Bad Frankenhausen

Das Bauernkriegspanorama ist ein monumentales Panoramabild über den Bauernkrieg (Titel des Kunstwerkes: Frühbürgerliche Revolution in Deutschland) des Leipziger Malers und Kunstprofessors Werner Tübke. Es befindet sich in einem eigens dafür errichteten Gebäudekomplex, dem Panorama Museum, auf dem Schlachtberg bei der thüringischen Kleinstadt Bad Frankenhausen am Fuße des Kyffhäusergebirges. Das Werk entstand in den Jahren 1976 bis 1987, ursprünglich zum Gedenken an den Deutschen Bauernkrieg und den Bauernführer Thomas Müntzer. Mit einer Fläche von 1722 m² zählt es zu den größten Tafelbildern der Welt.

Panorama Museum
in Bad Frankenhausen

Inhaltsverzeichnis

Daten und Fakten

Der zylindrische Rundbau aus Betonfertigteilen, der das Gemälde umfasst, ist ca. 18 m hoch und hat einen Außendurchmesser von knapp 44 m.

Die Leinwand (und damit das Bild selbst) ist 123 m lang und 14 m hoch. Sie wog unbemalt ungefähr 1,1 Tonnen und ist zwischen einem oberen und einem unteren Stahlring mit je knapp 40 m Durchmesser gespannt. Gewebt wurde sie in einem Stück im Textilkombinat Sursk in der Sowjetunion. Der damalige Kulturminister der DDR, Hans-Joachim Hoffmann, der sich sehr für das Projekt einsetzte, hatte die Leinwand persönlich in der Sowjetunion bestellt.

Ein ortsansässiger Autosattler nähte die beiden Enden passgenau zusammen und präparierte die Längsseiten für die Ringe. Nach der Aufspannung versah ein sowjetisches Spezialistenteam die Leinwand mit einer Grundierung nach einer alten russischen Geheimrezeptur.

Tübke verteilte auf die 1.722 m² große Fläche mehr als 3.000 einzelne Figuren, wovon die größten über 3 Meter messen.

Der Maler selbst musste die Arbeiten zeitweilig unterbrechen und seinem Kollegen Eberhard Lenk die Ausführung überlassen, weil die Überanstrengung einen Muskelriss im Daumen hervorgerufen hatte.

Das Bild ist durch einen umlaufenden Graben und Geländer vom Besuchersaal getrennt, um Berührungen und Beschädigungen zu verhindern. Es wird bei den Führungen von einer größeren Zahl von gedämpft leuchtenden Scheinwerfern angestrahlt, während der Saal selbst im Halbdunkel bleibt. Somit kann sich die plastische Wirkung des Rundbildes optimal entfalten.

Bildmotiv

Bildbeschreibung

Entgegen den Intentionen der Auftraggeber (siehe Geschichte) schuf Tübke das Abbild einer ganzen Epoche, der Renaissance, das in der Literatur häufig mit „teatrum mundi“ (Welttheater) umschrieben wird. Er beschränkte sich dabei keineswegs auf eine zeitlich oder räumlich genau bestimmbare Momentaufnahme, geschweige denn die getreue Wiedergabe realer historischer Ereignisse, noch auf die schwerpunktmäßige Betonung einzelner Aspekte. Neben den durchaus auch auftretenden historischen Figuren wie Müntzer und Luther hat der Maler eine Vielzahl allegorischer Anspielungen auf Ereignisse (auch anderer Epochen), vor allem aber auf ureigene menschliche Ängste, auf Aberglauben, apokalyptische Vorstellungen und biblische Themen in seiner gewaltigen suggestiven Bildersprache visualisiert. Daneben nahm er zahlreiche Anleihen bei zeitgenössischen Gemälden und Holzschnitten. Außerdem hat er sich selbst, als angesichts der schier übermenschlichen Aufgabe von Selbstzweifeln geplagten Menschen, an einigen Stellen verewigt und damit den Entstehungsprozess seines Werkes dokumentiert.

Das Zentrum der Darstellung – den Ausschnitt, der bei den meisten Abbildungen des Gemäldes wiedergegeben wird – bildet das Panorama der Schlacht von Frankenhausen selbst, mit Thomas Müntzer im Mittelpunkt. Während rings um Müntzer noch die Kämpfe toben, hält dieser die Flagge der Bundschuhbewegung bereits gesenkt – er weiß, dass seine Sache verloren ist. Schon nähert sich ihm der Tod mit dem Dudelsack. Müntzer ist hier also nicht der strahlende Held, als den ihn die SED-Führung gern gesehen hätte, sondern ein müder, gebrochener Mann.

Durch eine Hecke vom Schlachtgeschehen abgetrennt, hat Tübke im selben Teil des Bildes bedeutende Persönlichkeiten der Zeit um einen Brunnen herum gruppiert, darunter Albrecht Dürer und Martin Luther.

Tübke bezeichnete Albrecht Dürer und Lucas Cranach den Älteren als seine künstlerischen Vorbilder und verband in seinem Stil eigene Techniken mit unverkennbaren Anleihen an die Alten Meister und (speziell für dieses Monumentalwerk) an zeitgenössischer Darstellungsweise. In mehrjähriger Vorbereitung hat er sich mit intensivem Quellenstudium in die Vorstellungswelt und künstlerische Darstellung dieser Epoche zwischen ausgehendem Mittelalter und früher Neuzeit eingearbeitet.

Obwohl es größere Rotunden gibt, gilt Tübkes Werk als einzigartig. Es ist nicht eine bildhaft-dokumentarische Momentaufnahme in der Art eines typischen „Schlachtengemäldes“, sondern kann als metaphorische Gesamtdarstellung in einem Panorama als Prototyp eines eigenen Genres gelten.


Interpretationen

Eine kompetente Interpretation ist unverzichtbar, um das Werk als Gesamtdarstellung einer ganzen Epoche und darüber hinaus zeitlose Verbildlichung menschlicher Beziehungen und Emotionen zu erfassen.

Es gibt heute zwei verschiedene Interpretationsansätze zu dem Gemälde. Die eine geht davon aus, dass Tübke durch seine Darstellung eine Allegorie auf die zum Scheitern verurteilte DDR geschaffen habe. So wie Thomas Müntzer einsehen muss, dass seine Vision von einer besseren Zukunft für die einfache bäuerliche Landbevölkerung gescheitert ist, so sei auch die Vision der DDR-Führung von einem sozialistischen Staat gescheitert, in dem der Mensch das Maß aller Dinge sei. Eduard Beaucamp, Kunstkritiker der FAZ und einer der frühen Unterstützer von Tübke im Westen, urteilte:

„Das thüringische Bauernkriegspanorama (1976 bis 1987) ist keine didaktische Großillustration, sondern eine historische Parabel menschlicher Irrungen und Wirrungen mit Durchblick auf gesellschaftliche Unruhen, Umbrüche und Glaubenskämpfe der Moderne, auf eine Welt nicht im Aufbruch, sondern im Taumel einer Spätzeit: Weltgeschichte vollzieht sich als Weltgericht.
All diesen Auftragsbildern liegt ein tiefer Dissens zum ideologischen DDR-Parteiprogramm zugrunde. Mit der „Erbe“-Debatte ließen sich die Projekte bemänteln und rechtfertigen. In fast allen seinen „Historienbildern“ hat Tübke seine skeptische, ja geschichtspessimistische Anschauung und nicht das Fortschritts-Wunschbild der DDR entfaltet – die Auffassung von einer Wiederkehr des Gleichen, das aber niemals das Gleiche ist.“ (FAZ, 29. Mai 2004) [1]

Die zweite Deutungshypothese geht von einer generellen Vergänglichkeit allen Seins aus – eine Sichtweise, die durch den Charakter des Gemäldes als Rundbild unterstrichen wird. Diese Betrachtungsweise beschränkt sich nicht nur auf den Misserfolg der Bauernaufstände unter Thomas Müntzer – die historische Parallele, auf die man sich in der DDR berief –, sondern generell auf alle gesellschaftlichen Prozesse zu dieser und anderen Zeiten. Nicht nur für Müntzer und seine Bauernheere ist alles verloren, sondern auch für Adel, Kirche und Bürgertum. Gerd Lindner, Direktor des Panorama-Museums, deutet das Gemälde so:

„Ich glaube, das Werk ist zeitlos, weil der Maler ein Geschichtsbild entwickelt hat, das sehr subjektiv ist. Auf den Punkt gebracht könnte man sagen, er zeigt die ewige Wiederkehr des Gleichen, die sozialen Grundprobleme bleiben die gleichen, das ist die Grundaussage des Bildes, dargestellt in einer totalen Form, d.h. in einer Kreisform ohne Anfang und Ende, so dass die Geschichte als Kontinuum erscheint, ohne lineare Höherentwicklung, was im eklatanten Widerspruch zum offiziellen Geschichtsbild der DDR stand.“ [2]

Christina Tilmann meinte nach dem Tod Werner Tübkes:

„Es ist ein Karneval, ein Maskenfest, aber auch immer ein zutiefst pessimistischer Totentanz auf den Trümmern der Zivilisation, den Werner Tübke inszeniert. Voller Bewunderung für die Meisterschaft der Vorfahren, aber gleichzeitig durchdrungen von dem melancholischen Bewusstsein, dass diese Blüte der Zivilisation längst vorbei ist, abgelöst durch eine barbarischere Epoche.“ [3]

Geschichte

Historischer Hintergrund

Seit 1524 kam es in Südwestdeutschland vielerorts zu Aufständen der Bauern, die bald auch auf Thüringen übergriffen. In Nordthüringen war die wichtigste Identifikationsfigur der Bauern der rebellische Prediger Thomas Müntzer (1489–1525), der anfangs die gleichen Ziele wie Martin Luther verfolgte. Jedoch ging er bald auf Distanz zu diesem und nannte den Reformator in einer Schmähschrift „das geistlose sanftlebende Fleisch in Wittenberg“. Luther, der gewaltsame Umsturzversuche als gotteslästerlich empfand, antwortete 1525 mit einem Pamphlet „gegen die mörderischen Rotten der Bauern“. Im Mai desselben Jahres wurde einer der letzten großen Bauernaufstände am Fuße des Kyffhäusers blutig niedergeschlagen. Müntzer wurde gefangengenommen, gefoltert und hingerichtet.

Politischer Hintergrund

Offizieller Auftraggeber des Gemäldes war das Kulturministerium der DDR, das damit einen Beschluss des SED-Politbüros umsetzte.

Anfang der 1970er Jahre fand mit dem Ende der Ulbricht-Ära auch ein Wandel der kulturpolitischen Doktrin der SED statt. Mehr Vielfalt und Akzeptanz auch nicht ausschließlich dem Realsozialismus verpflichteter Kunst sollte einerseits das internationale Ansehen heben, andererseits auch die Vereinnahmung historischer Gestalten und Ereignisse als „revolutionäre“ Vorgänger des „ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden“ erleichtern, deren Vermächtnis nun durch die DDR als natürlicher Erbe verwirklicht sei.

Thomas Müntzer wurde zum bedeutendsten Frührevolutionär Deutschlands stilisiert, die Bauernaufstände des frühen 16.Jahrhunderts gemäß der geschichtsphilosophischen Auffassungen von Karl Marx zum Teil einer „frühbürgerlichen Revolution“ erhoben, die den Übergang vom Feudalismus zum Frühkapitalismus einleitete. Die Verehrung Thomas Müntzers drückte sich zum Beispiel darin aus, dass er ab 1975 auf der 5-Mark-Banknote der DDR zu sehen war.

Die Idee

Vor diesem Hintergrund plante die SED im Hinblick auf den 450. Jahrestag des Deutschen Bauernkrieges für 1975 ein groß angelegtes Gedenkjahr, um ihrem Alleinanspruch auf Müntzers Erbe gebührenden Ausdruck zu verleihen. Auf einem Plenum der SED 1972 wurde erstmals der offizielle Antrag eingebracht, auf dem Schlachtberg bei Bad Frankenhausen eine Panorama-Gedenkstätte zum Andenken an die dort geschlagene Bauernschlacht und ihren Anführer Müntzer zu errichten. Der SED-Führung schwebte ein monumentales, heroisierendes Schlachtengemälde in der Tradition der typischen Gigantomanie kommunistischer Heldenverehrung vor. Als Vorbild dienten die zahlreichen Panoramagemälde des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, insbesondere ein russisches Panoramagemälde, das 1912 zum 100. Jahrestag der Schlacht von Borodino entstanden war und 1962 in einem eigens errichteten Panoramamuseum am Ort der Schlacht untergebracht wurde.

Nach mehrjährigen Diskussionen, fachlichen Expertisen durch Historiker und Kunstsachverständige, Änderungsvorschlägen, erneuten Debatten usw. entschied der beauftragte Kulturminister, den Streit zu beenden. Entgegen den Vertretern des sozialistischen Realismus' gab er nun doch ein von diesen abgelehntes Panoramabild in Auftrag – der zugehörige Bau war bereits in Arbeit.

Das Projekt

Für ein solches Vorhaben kamen nur die besten Künstler in Betracht. Konkret wurde der international angesehene Werner Tübke als geeignet erachtet. Tübke nahm den Auftrag nach einiger Bedenkzeit an, stellte aber unmissverständliche Bedingungen: Er bliebe der einzige Auftragnehmer und er würde kein dokumentarisch korrektes Bilddokument einer Schlacht schaffen, sondern ein künstlerisches Monumentalwerk mit umfassender Verallgemeinerung. Vor allem aber habe ihm niemand ins künstlerische Konzept und seine Ausführung hineinzureden. Ohne die Akzeptanz seiner künstlerischen Autonomie würde er nicht malen.

Die Zeit drängte, es war 1975. Tübkes „Ultimatum“, das jedem weniger bedeutenden Künstler der DDR zum Verhängnis hätte werden können, wurde weitgehend akzeptiert. Dadurch entstand das Gemälde nicht im „offiziellen“ Stil des sozialistischen Realismus, sondern in dem von Tübke gepflegten magischen Realismus.

Die Ausführung

1976 ließ sich der Maler als Rektor der Leipziger Kunsthochschule beurlauben und begann, parallel zum intensiven Quellenstudium der Renaissancezeit, erste Skizzen und kleinere Bilder als Entwürfe anzufertigen. Bereits 1978 wurde die Leinwand angeliefert.

1979 folgte, wie konzipiert und im Vertrag auch fixiert, die Arbeit an der 1:10-Modellfassung, der eigentlichen Originalversion. Das auf 5 Holztafeln von je 2,46 m Länge und 1,39 m Höhe gemalte Werk befindet sich heute in Berlin. 1982 spannten und präparierten 54 Arbeiter die Leinwand auf. Danach zeichneten insgesamt fünfzehn Künstler die Konturen aus der Modellfassung auf 900 Quadrate aus Klarsichtfolie, die anschließend fotografiert wurden.

Die Fotos wurden mit beweglichen Tageslichtprojektoren im Maßstab von 10:1 auf die Leinwand projiziert und die vergrößerten Konturenzeichnungen mit einer blassen Temperafarbe festgehalten. Diese Arbeit beanspruchte drei Monate.

Die fünfzehn Künstler absolvierten im folgenden Jahr eine Art Training, bei dem sie Tübkes Stil exakt kopieren lernen und sich zudem durch Übertragung von Vorstudien auf immer größere Flächen die Technik für die Großleinwand aneignen sollten. Fünf Maler wurden schließlich vom Meister ausgewählt. 1983 stießen sie nach und nach zu Tübke, der inzwischen schon eine kleinere Fläche als Referenz allein bemalt hatte. Auf fünf Stockwerke hohen fahrbaren Gerüsten arbeiteten die sechs Maler über vier Jahre lang in Schichten und auch am Wochenende. Durch die ständige Überbeanspruchung seines rechten Armes kam es bei Tübke während der Arbeiten zu einem Muskelriss im Daumen, wodurch er zu längeren Pausen gezwungen wurde. Am 7. August 1987 vollendete Werner Tübke schließlich seinen Teil des Gemäldes, am 11. September beendete Lenk als letzter Mitarbeiter seine Arbeit, und am 16. Oktober setzte Werner Tübke schließlich seine Signatur auf das fertige Werk. Einer der ersten, die das Werk kurz vor seiner Fertigstellung sehen konnten, war im Herbst 1987 der Historiker Golo Mann. Er schilderte seine Eindrücke wie folgt:

„Der Schreiber dieser Zeilen hatte das Glück, den Rundbau auf dem Hügel bei Frankenhausen im Oktober des Jahres 1987 zu besuchen, einige Wochen bevor Werner Tübke, nach zwölfjähriger Arbeit, sein Werk als vollendet bezeichnete, anderthalb Jahre bevor es der Öffentlichkeit gelegentlich einer Feier zugänglich gemacht werden wird. Wir waren zu dritt, mit zwei freundlichen Erklärern. Danach durften wir noch das Ehepaar Tübke begrüßen. Der Meister war tief erschöpft, soviel spürte man, sehr erholungsbedürftig, aber glücklich wohl auch. Was konnte ich ihm sagen? Kaum mehr, als was ich in das Gästebuch schrieb: „Voll Bewunderung und Staunen.“ Betritt man das riesige Gewölbe, sieht man steil nach oben, so wird man zunächst von etwas wie Schwindel erfasst. Dann versucht man sich zu orientieren; wozu eine Stunde niemals ausreichen kann. Es ist eine Welt, die sich da auftut; Menschenwelt im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts. Hatte der Meister Vorbilder, so waren es Maler eben jener Zeit; keineswegs die Historien-Maler des neunzehnten, die gar so schlecht auch nicht waren, mit denen sich aber jeder Vergleich verbietet. Überhaupt versagt hier das bloße Wort. Realismus? Ja, doch, der auch. Man sieht die Qual eines aufs Rad Geflochtenen. Man sieht Henker und Gehängte. Man sieht das üppige Leben, Lust und Wollust neuen, reich gewordenen Bürgertums. Stimmig ist auch hier eine Druckerwerkstatt mit von der Partie: Wirklichkeit und Symbol der neuen Großmacht. […]
Aber wer unter jener Kuppel auf dem Frankenberg steht, dem Gemälde ohne Anfang, ohne Mitte und ohne Ende, der Schau, in welcher Symbole wie der berstende Turm von Babylon oder ein Regenbogen hoch über dem Schlachtengewimmel sich mit historischen Figuren versöhnen, dem wird die Zaubermacht der Kunst für einen Moment alle Theorie als grau in grau erscheinen lassen.“ (Golo Mann: Bauernkriegspanorama. Erster Besuch.)

Eröffnung

Das Jahr 1989 war anlässlich des 500. Geburtstages Thomas Müntzers von der Staatsführung zum Thomas-Müntzer-Jahr erklärt worden. Aus diesem Anlass wurde die Gedenkstätte „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ mit dem monumentalen Panoramabild am 14. September des Jahres offiziell eröffnet. Zuvor waren Ausschnitte des Gemäldes bereits auf einem fünfteiligen Briefmarkensatz erschienen, den die Deutsche Post der DDR am 22. August herausgegeben hatte.

Die höchste Politprominenz der DDR blieb der Einweihungsfeier weitgehend fern. Als ranghöchste Politiker nahmen teil: Kulturminister Hoffmann, einer der wichtigsten Förderer des Projektes, sein Gegenspieler Kurt Hager und Margot Honecker in Vertretung ihres erkrankten Mannes. Erich Honecker kann auch als stiller Schirmherr des Panoramas angesehen werden. Wenige Wochen nach der Eröffnung zwang das Volk in einer friedlichen Revolution seine Führung (und damit den Auftraggeber des Bildes) dazu, selbst nur noch Geschichte zu sein.

Stimmen und Reaktionen

Vor allem wurden die überdimensionierten Ausmaße des im Auftrag der Regierung entstandenen Bildes kritisiert, da sie in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Lage der DDR zu seiner Entstehungszeit stünden. Große Teile der Bevölkerung sahen das Bild zu dieser Zeit als pures Propagandamittel der Herrschenden an, die damit ihr idealisierendes Geschichtsbild von den Bauernkriegen propagieren wollten. Demgegenüber steht die Ausführung dieser Idee durch Werner Tübke, dessen Darstellungsweise eben nicht den Vorstellungen der Politiker entspricht.

Schon kurz nach der Errichtung hatte der zugehörige Rundbau vom Volksmund den respektlos-verächtlichen Spitznamen „Elefantenklo“ erhalten. Andere Bezeichnungen lauteten „Gasometer“ und „Silo“. Das millionenschwere Prestigeobjekt erschien der Bevölkerung angesichts des sich ständig verschärfenden Mangels in allen Lebensbereichen als purer Hohn und Zynismus der Herrschenden. Von Kritikern wurde – und wird auch heute noch – angeführt, durch das kostspielige Kunstprojekt seien mehrere andere Projekte in der Region gestrichen worden, unter anderem eine Turnhalle in Sangerhausen.[4] Befürworter des Projekts verweisen hingegen auf die Devisen, die Tübke durch den Verkauf seiner Bilder ins Ausland eingebracht habe.

Diese Kritik erstreckte sich natürlich auch auf den – teilweise ungerechtfertigt, teils berechtigt – so titulierten „Staatskünstler“ von Gnaden der SED. Tübke selbst äußerte sich jedoch auch nach der Wende rundum zufrieden über sein bekanntestes Werk. Weiterhin betrachtete er sich nach eigener Aussage auch nicht als Künstler der DDR und schon gar nicht als Staatskünstler, sondern als außerhalb der DDR-Kunst stehend.

Jahr für Jahr zieht das Panorama etwa 100.000 Besucher an, das so der Gegend um Frankenhausen einen beachtlichen touristischen Anziehungspunkt verschafft hat.

Quellen

  1. Eduard Beaucamp: „Werner Tübke ist tot“, FAZ, 28. Mai 2004
  2. Katrin Schlenstedt: „Das Werk auf dem Berg“, MDR, 28. Mai 2004 (archiviert)
  3. Christina Tilmann: „Harlekins Heimkehr“, Tagesspiegel, 29. Mai 2004
  4. Jens Brüning: „Vor 15 Jahren (1987)“, DeutschlandRadio, 16. Oktober 2002

Heutige Bedeutung

Nach dem Ende der DDR war die Zukunft des Panorama-Museums infolge der bereits während der Arbeiten Tübkes entstandenen Kritik in der Bevölkerung ungewiss. Es wurde sogar eine Schließung des Museums diskutiert, die jedoch durch Sachverständige im Erfurter Kunstministerium abgewendet werden konnte.

Seit 1992 wurde das Konzept des Panorama-Museums über die Präsentation des Monumentalgemäldes hinaus um ähnliche Kunstwerke einerseits und das Gesamtwerk Werner Tübkes andererseits erweitert. Hauptträger des Museums war seit der Wende der Freistaat Thüringen. Anfang 2008 wurde das Museum privatisiert und vom Verein Panorama Museum e. V. übernommen. Dem Trägerverein gehören das Land Thüringen, der Kyffhäuserkreis und die Städte Bad Frankenhausen und Sondershausen an. Das Museum wird vom Freistaat bis mindestens 2012 weiter mit jährlich knapp 1,3 Millionen Euro finanziert. Zu etwa 30 Prozent kann sich das Museum aus eigenen Einnahmen finanzieren. Mit jährlich etwa 120.000 Besuchern zieht es ein so großes Publikum an wie nur noch wenige andere Gemälde in Deutschland.

Neben Ankäufen bilden Schenkungen einen weiteren wichtigen Teil der Sammlung. Zwei bedeutende Schenkungen sind die Sammlung Albert-Leo Troost und Fabius von Gugel. Der Schenkung Fabius von Gugel ging eine Sonderausstellung des Künstlers im Panorama-Museum 1998 voraus. Nach der Exposition entschloss sich der Künstler, dem Panorama-Museum einen Großteil seines malerischen und grafischen Werkes zu übereignen.

Als einer von 20 sogenannten kulturellen Gedächtnisorten in den neuen Bundesländern wurde das Panorama Museum in das Blaubuch der Bundesregierung aufgenommen.

Literatur

  • Harald Behrendt: Werner Tübkes Panoramabild in Bad Frankenhausen. Zwischen staatlichem Prestigeprojekt und künstlerischem Selbstauftrag. Ludwig, Kiel 2006, ISBN 3-937719-21-0 (zugl. Dissertation, Universität Kiel 2002)
  • Detlef Hoffmann (Hrsg.): Der Blick der Kunst auf die Geschichte. (= Loccumer Protokolle; 1992/1 / Kritische Berichte; Jg. 20, H. 2). Jonas, Marburg 1992
  • Günter Meißner: Theatrum mundi „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“. Monumentalgemälde im Panorama Frankenhausen. Verlag der Kunst, Dresden 1989, ISBN 3-364-00074-3 (18 Kunstdrucke mit Erläuterungen von G. Meißner)
  • Günter Meißner, Gerhard Murza: Bauernkrieg und Weltgericht. Das Frankenhausener Monumentalbild einer Wendezeit. Seemann, Leipzig 1995, ISBN 3-3630-0650-0 (mit detaillierter Interpretation der verschlüsselten Bildinhalte)
  • Werner Tübke: Zur Arbeit am Panoramabild in Bad Frankenhausen (DDR). In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte (ZAK). Zürich 42.1985, 4, S. 303-306. ISSN 0044-3476
  • Raina Zimmering: Mythen in der Politik der DDR. Ein Beitrag zur Erforschung politischer Mythen. Leske und Budrich, Opladen 2000, S. 233–256, ISBN 3-8100-2732-4

Filmografie

  • 1987: Tübkes theatrum mundi. (60 Min.) Produktion: DEFA. Text: Günter Meißner (dokumentiert die Entstehungszeit von Museum und Gemälde mit einer einführenden Bildinterpretation)
  • 1988: Schlacht am Bild. (20 Min.) Regie: Ted Tetzke. Produktion: DEFA (Dokumentation der Entstehung des Monumentalbildes mit Interviewpassagen von Werner Tübke)
  • 1991: Werner Tübke. Vom Abenteuer der Bildfindung. (60 Min.) Reportage. Regie: Reiner E. Moritz. Produktion: RM Arts (der Filmtitel verwendet einen Begriff aus Tübkes Aufsatz von 1985)

Weblinks

51.3711.1041666666677Koordinaten: 51° 22′ 12″ N, 11° 6′ 15″ O


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