Panta Rhei

Panta Rhei

Die Formel panta rhei (gr. πάντα ῥεῖ, „Alles fließt.“) ist ein auf den griechischen Philosophen Heraklit zurückgeführter, jedoch erst später geschaffener Aphorismus.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

In dieser Form wird das panta rhei allerdings nur bei Simplikios, einem spätantiken Kommentator der Schriften Aristoteles’, zitiert.[1] Die Verbindung zu Heraklit wird durch Platon hergestellt, der den Satz in einer sprachlich anderen Form anführt:[2] Πάντα χωρεῖ καὶ οὐδὲν μένει („Pánta chorei kaì oudèn ménei“, „Alles bewegt sich fort und nichts bleibt.“). Heraklit vergleiche das Sein mit einem Fluss, indem er sage, niemand könne zweimal in denselben Fluss steigen. Der Satz panta rhei stellt demnach eine Verkürzung und zugleich eine Interpretation der Äußerungen Heraklits dar.

Von Heraklits Werk sind lediglich einige Fragmente erhalten, von denen drei Zitate die Lehre vom Fluss aller Dinge begründen:

„Wer in denselben Fluß steigt, dem fließt anderes und wieder anderes Wasser zu.“[3]
„Wir steigen in denselben Fluß und doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht.“[4]
„Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen.[5]

Philosophische Einordnung

Die Flusslehre ist im Zusammenhang mit Heraklits Lehre von der Einheit aller Dinge zu verstehen:

„Verbindungen: Ganzes und Nichtganzes, Zusammengehendes und Auseinanderstrebendes, Einklang und Mißklang und aus Allem Eins und aus Einem Alles.“ [6]

Platons Zitat Pánta chorei kaì oudèn ménei ist die knappste Formulierung der Flusslehre Heraklits, die besagt: Alles fließt und nichts bleibt; es gibt nur ein ewiges Werden und Wandeln. Seine Interpretation ist jedoch problematisch: Sie führte dazu, dass in der Tradition der platonischen Formulierung die Lehre des Heraklit nur als eine solche des Werdens und Vergehens interpretiert wurde (in diesem Sinne z.B. Hölderlin, Hegel oder Nietzsche, der in der „Bejahung des Vergehens“ den Kern seiner Lehre sah). Die primäre Welterfahrung liegt nach der Flusslehre in dem fortwährenden Stoff- und Formwechsel. Sie ist eine Metapher für die Prozessualität der Welt. Das Sein ist das Werden des Ganzen. Das Sein ist demnach nicht statisch, sondern als ewiger Wandel dynamisch zu erfassen. Doch hinter und zugleich in dem unaufhörlichen Fluss steht die Einheit: Einheit in der Vielheit und Vielheit in der Einheit.[7]

Wirkung auf die Literatur

Goethe bezog sich in dem Gedicht Dauer im Wechsel direkt auf Heraklit:

„Gleich mit jedem Regengusse / Ändert sich dein holdes Tal, / Ach, und in dem selben Flusse / Schwimmst du nicht zum zweitenmal.“[8]

Der ewige Wandel ist auch Gegenstand seines Gedichts Eins und Alles:

„Es soll sich regen, schaffend handeln, / Erst sich gestalten, dann verwandeln; / Nur scheinbar stehts Momente still. / Das Ewige regt sich fort in allen: / Denn alles muß in Nichts zerfallen, / Wenn es im Sein beharren will.“[9]

Literatur

  • Wilhelm Capelle: Die Vorsokratiker. Kröner, Stuttgart 1968
  • Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Fischer, Frankfurt a. M. 1996, ISBN 3-596-13520-6

Einzelnachweise

  1. Hermann Diels: Simplicius, In Aristotelis physicorum libros quattuor posteriores commentaria. Reimer, Berlin 1895 (Nachdr. de Gruyter 1954), (Commentaria in Aristotelem Graeca 10) S. 1313.
  2. Kratylos 402A = A6
  3. Fragment 12 DK, Übersetzung nach Wilhelm Capelle, Die Vorsokratiker, S. 132
  4. Fragment 49a DK, Übersetzung nach Wilhelm Capelle, Die Vorsokratiker, S. 132; B 49a gilt jedoch als nur vage Anlehnung an den Originaltext, wobei der gesamte zweite Teil nicht authentisch ist; Held, Heraklit, Parmenides und der Anfang von Philosophie und Wissenschaft, S. 326
  5. Fragment 91 DK
  6. Fragment 10 DK, Übersetzung nach Wilhelm Capelle, Die Vorsokratiker, S. 132
  7. Vgl. Störig, Kleine Weltgeschichte der Philosophie, S. 136 mit weiteren Nachweisen
  8. Johann Wolfgang von Goethe, Sämtliche Werke in 18 Bänden, Band 1: Sämtliche Gedichte. Artemis, Zürich 1950, S. 512 f.
  9. Johann Wolfgang von Goethe, Sämtliche Werke in 18 Bänden, Band 1: Sämtliche Gedichte. Artemis, Zürich 1950, S. 514

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