Paraguay-Krieg

Paraguay-Krieg

Der Tripel-Allianz-Krieg von 1864 bis 1870, in Brasilien Paraguayischer Krieg genannt, zwischen Paraguay auf der einen und Brasilien, Argentinien und Uruguay auf der anderen Seite, war der blutigste Konflikt in der lateinamerikanischen Geschichte.

Inhaltsverzeichnis

Kriegsursachen und Kriegsbeginn

In Uruguay begann im April 1863 der Führer der Partei der Liberalen (Colorados), Venancio Flores, einen Aufstand gegen die Regierung, die von der konservativen Partei (Blancos) kontrolliert wurde. Dabei wurde er von Argentinien und Brasilien unterstützt. Dadurch geriet die uruguayische Regierung in große Bedrängnis und wandte sich hilfesuchend an Paraguay, welches durch sein für damalige Verhältnisse großes und gut ausgebildetes Heer sowie eine fortschrittliche Wirtschaft einen Großmachtstatus in der Region innehatte. Es regierte in Paraguay seit 1862 der Diktator Francisco Solano López. López sah das regionale Kräftegleichgewicht gestört und ergriff für die Blancos Partei. Er befürchtete, die Brasilianer und Argentinier könnten im Falle eines Erfolgs in Uruguay dann nach diesem Muster auch gegen seine Herrschaft in Paraguay vorgehen. Daher forderte er ein Ende der brasilianischen Einmischung in Uruguay. Weil Brasilien darauf ablehnend reagierte, beschlagnahmte er ein brasilianisches Schiff auf dem Río Paraguay, setzte die Besatzung und den an Bord befindlichen Gouverneur der Provinz Mato Grosso gefangen und erklärte Brasilien im Dezember 1864 den Krieg. Paraguayische Truppen drangen in den Mato Grosso ein, wo sie auf wenig Widerstand stießen. Die Brasilianer konzentrierten ihre Kräfte auf den weit wichtigeren Kriegsschauplatz Uruguay. Dort waren sie erfolgreich; am 20. Februar 1865 konnten sie die Hauptstadt Montevideo erobern und Flores zum Präsidenten einsetzen. Damit war der Krieg in Uruguay für die von Paraguay unterstützte Seite bereits verloren.

Um den brasilianischen Truppen in Uruguay entgegentreten zu können, forderte López vom argentinischen Präsidenten Bartolomé Mitre das Recht zum Durchmarsch durch die argentinische Provinz Corrientes. Argentinien, das in dem Krieg offiziell neutral war, de facto aber die brasilianische Armada durch nationale Gewässer passieren ließ, lehnte ab. Darauf erfolgte am 18. März 1865 die Kriegserklärung Paraguays an Argentinien. López konnte sich auf ein gut ausgebildetes Heer von 60.000 Mann (Feldheer 38.000, 22.000 in Marine und milizartiger Nationalgarde) stützen, während die Gegner unvorbereitet waren und zunächst lediglich ca. 28.000 Mann (Brasilien 16.000, Argentinien 8.000 und Uruguay 4.000) aufbieten konnten.

Kriegsverlauf

Die paraguayischen Truppen drangen in Corrientes schnell vor, da sie auf wenig Widerstand stießen, und nahmen die Stadt Corrientes ein. Am 1. Mai 1865 verbündeten sich Brasilien, Argentinien und Uruguay im Tripelallianz-Vertrag zum Zweck gemeinsamer Kriegführung gegen Paraguay. Sie verpflichteten sich im Vertrag, den Krieg bis zum Sturz von López fortzusetzen.

Im August 1865 mussten die López-Truppen zwei schwere Niederlagen hinnehmen. Eine Einheit wurde bei Yatay von Venancio Flores geschlagen, eine andere bei Uruguayana von Mitre. Mitre rückte nun mit 47.000 Mann in Paraguay ein. López musste seine Stellungen bei Itapúa räumen. Im Mai 1866 griff er mit 18.000 Mann bei Tuyuti das dortige Hauptlager der Alliierten (34.700 Mann) an. Die Paraguayer erlitten eine schwere Niederlage. Die Angaben über ihre Verluste schwanken stark, aber auf jeden Fall verloren sie ihre besten Soldaten. Doch versäumten es die Alliierten, anschließend die Initiative zu ergreifen, und so konnten die Paraguayer sich neu gruppieren und Ersatzkräfte mobilisieren.

Schlacht von Curupaiti (1866)

Die brasilianische Flotte mit ihrer starken Artillerie beherrschte die Flüsse Paraná und Río Paraguay, daher waren die Paraguayer von der Verbindung zum Atlantik abgeschnitten. Die Alliierten wollten über den Río Paraguay zur Hauptstadt Paraguays Asunción vordringen, die an diesem Fluss liegt. Dazu mussten sie erst die Festung Humaitá am Fluss einnehmen. Ein erster Angriff auf die Uferstellung Curupaití südlich von Humaitá wurde im September 1866 von den Paraguayern abgewehrt. Im Februar 1867 musste Mitre wegen innenpolitischer Schwierigkeiten nach Buenos Aires zurückkehren. Den Oberbefehl der Verbündeten übernahm der brasilianische General Luís Alves de Lima e Silva, der spätere Duque de Caxias. In beiden Armeen wütete die Cholera. Im Juli 1868 mussten die Paraguayer unter dem Druck überlegener Kräfte Humaitá räumen, das sie zuvor erbittert verteidigt hatten.

Trotz der Erfolge der Allianz stellte sich in Brasilien, Uruguay und Argentinien Kriegsmüdigkeit ein. Wiederholt kam es im Verlauf des Krieges zu Kontakten mit dem Ziel, die Feindseligkeiten zu beenden. Diese Versuche scheiterten hauptsächlich daran, dass López nicht zum Rücktritt bereit war. Selbst Mitglieder seiner Familie, die den Präsidenten zu überzeugen versuchten, dass der Krieg aussichtslos geworden sei, darunter seine Brüder und sein Schwager, wurden hingerichtet. Seine siebzigjährige Mutter und seine beiden Schwestern ließ López auspeitschen.

Im Dezember 1868 kam es bei Lomas Valentinas unweit von Asunción zur letzten großen Schlacht. Beide Seiten erlitten hohe Verluste; am Ende war die paraguayische Streitmacht vernichtet. López musste die Hauptstadt Asunción aufgeben und sich nach Norden zurückziehen. Am 1. Januar 1869 zog ein brasilianisches Truppenkontigent unter Hermes Ernesto da Fonseca, dem Vater des späteren Präsidenten Hermes Rodrigues da Fonseca in Asunción ein. Am 5. Januar folgte Caxias mit dem Rest der Truppen. López wollte aber nicht kapitulieren und bot Kinder und Greise auf. Er verlegte die Hauptstadt nach Piribebuy.

In der Endphase des Krieges, am 22. März 1869, übernahm Gaston d'Orléans, Graf von Eu, der Schwiegersohn des brasilianischen Kaisers, das Oberkommando der alliierten Streitkräfte. Er erwies sich als fähiger Kommandeur und brachte den Krieg zu einem siegreichen Ende. Im August 1869 fiel Piribebuy. Die alliierten Truppen hetzten die Reste von López' Armee durch Paraguay.

Im Nordosten Paraguays konnte López noch einmal einige tausend Kämpfer um sich scharen. Am 1. März 1870 wurde auch dieses „letzte Aufgebot“ bei Aquirabán besiegt und López getötet, als er sich nicht gefangennehmen ließ.

Kriegsergebnis

Paraguayische Kriegsgefangene

Im Friedensvertrag vom 20. Juni 1870 musste Paraguay 144.000 km², etwa 50 Prozent seines Territoriums, an Brasilien und Argentinien abtreten. Argentinien eignete sich die Misiones-Region und einen Teil der Chaco-Region zwischen den Flüssen Bermejo und Pilcomayo an. Brasilien schlug die gewonnenen Gebiete seiner Provinz (später Bundesstaat) Mato Grosso zu; nach der Teilung des Mato Grosso 1979 gehört das Gebiet heute zum brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul. Die letzten brasilianischen Besatzungstruppen zogen erst 1876 aus Rest-Paraguay ab.

Der Krieg hat auf beiden Seiten insgesamt über 2 Millionen Menschen das Leben gekostet und ist damit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl einer der verlustreichsten Kriege der Weltgeschichte. Nach Schätzungen wurde die Paraguaysche Bevölkerung von rund 500.000 auf rund 116.000 reduziert; von den Überlebenden waren viele invalid und es gab nur noch einen Bruchteil an männlicher Bevölkerung im Land. War Paraguay vorher einer der wirtschaftlich fortschrittlichsten und mächtigsten Staaten der Region, konnte es diesen Status bis heute nicht wieder erreichen.

Paraguayische Legion

Nach dem Ausbruch des Krieges formierten sich Mitglieder der im Exil befindlichen Asociación Paraguaya zu der Legión Paraguaya. Die Anführer der Legionarios waren Juan Francisco Decoud und Fernando Iturburu. Erst am 20. März 1869, kurz vor Ende des Krieges, erlaubte ihnen General Emilio Mitre, als eigene Einheit unter paraguayischer Flagge zu kämpfen. Die meisten der Legionarios kehrten nach Ende des Krieges nach Paraguay zurück und sicherten sich einflussreiche Positionen. Bis heute werden Mitglieder der Liberalen Partei von den Colorados abfällig als Legionäre bezeichnet, obwohl auch 23 der Gründungsmitglieder der Colorado-Partei Ehemalige der paraguayischen Legion waren.[1]

Literatur

  • Jürg Meister: Francisco Solano Lopez – Nationalheld oder Kriegsverbrecher? Der Krieg Paraguays gegen die Triple-Allianz 1864–1870. Osnabrück 1987, ISBN 3-7648-1491-8
  • Heinz Joachim Domnick: Der Krieg der Tripel-Allianz in der deutschen Historiographie und Publizistik, Frankfurt a.M. 1990, ISBN 3-631-42577-5
  • Sian Rees: Elisa Lynch, Hamburg 2003, ISBN 3-203-81501-X
  1. R. Andrew Nickson, Historical Dictionary of Paraguay, The Scarecrow Press, Metuchen & London, 1993, ISBN 0-8108-2643-7

Weblinks


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