Paria

Paria

Der Begriff Paria wird im Deutschen im Sinne von Ausgestoßener bzw. Außenseiter verwandt. Das Wort leitet sich vom tamilischen Namen einer südindischen Trommlerkaste (பறையர் paṟaiyar) her.

Inhaltsverzeichnis

Indien

Parias oder Dalits („Unterdrückte“), wie sie sich heute selbst nennen, sind die Unberührbaren im indischen Kastensystem.

Ursprünglich wurde der Begriff Paria in Tamil Nadu als Bezeichnung für die Angehörigen einer niederen Kaste benutzt, wurde aber mit der Zeit über ganz Indien ausgedehnt. Paria dient auch als Bezeichnung für Kastenlose. Sie werden gesellschaftlich gemieden und sind diejenigen, die die als unrein angesehenen Arbeiten verrichten, darunter fallen auch die Arbeiten, bei denen man mit Blut in Berührung kommt. Zu den Paria können zum Beispiel Hebammen, Schlachter, Straßenfeger oder Wäscher gehören. Die Ausgrenzung und Diskriminierung hält bis heute in bestimmten Teilen an.

Japan

In Japan existiert ein ähnliches gesellschaftliches Phänomen, da eine Minderheit der japanischen Bevölkerung Nachkommen einer als Burakumin („Bewohner der Sonderweiler“) bezeichneten Minderheit sind. Im deutschen Sprachraum wird diese gesellschaftliche Problematik oft als japanische „Paria-Kaste“ bezeichnet.

Auch die japanische Urbevölkerung der Ainu wird als Paria betitelt.

Paria als politischer und soziologischer Begriff

Max Weber bezeichnet die Juden an mehreren Stellen seines Werkes „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ als ein Pariavolk:

„Das eigentümliche religionsgeschichtlich-soziologische Problem des Judentums lässt sich weitaus am besten aus der Vergleichung mit der indischen Kastenordnung verstehen. Denn was waren, soziologisch angesehen, die Juden? Ein Pariavolk.“[1]

Hannah Arendt greift den Begriff auf und benutzt ihn ähnlich wie vor ihr der Journalist Bernard Lazare. Angesichts der antisemitischen Dreyfus-Affäre wollte Lazare den jüdischen Paria in einen politischen Kampf gegen die Gesellschaft und den jüdischen Parvenü, d. h. Emporkömmling, führen.

Nach Arendt ist das jüdische Volk ein Pariavolk. Die Juden lebten vor dem 20. Jahrhundert außerhalb der Gesellschaft, waren nicht integriert. Im 19. und 20. Jahrhundert assimilierten sich fast alle Juden im westlichen Europa, wurden aber trotzdem von der Gesellschaft nicht als ebenbürtig anerkannt. Der Paria ist nach Arendt ein Mensch, der wegen seines Andersseins zum Außenseiter gemacht wird (siehe auch: Etablierte und Außenseiter) und von der Gesellschaft verachtet wird. Der Parvenü verleugnet unbewusst sein Anderssein, um von der herrschenden Gesellschaft anerkannt zu werden.

Arendt unterscheidet weiter zwei Pariaformen – den Revolutionär und den auch außerhalb der herrschenden Gesellschaft stehenden Schnorrer.

„In beiden Formen, als Revolutionär in der Gesellschaft der anderen wie als Schnorrer in der eigenen, von den Brosamen und den Idealen der Wohltäter lebend, bleibt der Paria dem Parvenu verhaftet, ihn schützend und unter seinem Schutz“.[2]

Der bewusste Paria stünde wirklich außerhalb der Gesellschaft und könnte durch seine Distanz bessere Einblicke in diese erhalten. Als Beispiel nennt Hannah Arendt Franz Kafka, Rahel Varnhagen von Ense, Charlie Chaplin und als geglückte Gestalt der europäischen Assimilation Heinrich Heine. Zu Varnhagen meinte sie, diese wäre „Jüdin und Paria geblieben“ und hätte nur deshalb, weil sie an beidem festgehalten habe, ihren „Platz in der Geschichte der europäischen Menschheit“ gefunden.

Siehe auch

Fußnoten

  1. Aus: Max Weber: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen.
  2. Hannah Arendt: Die verborgene Tradition. Acht Essays, Ffm. 1976³, S. 46-73, zit. S. 58)

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