Parlamentarische Initiative

Parlamentarische Initiative

Eine parlamentarische Initiative ist in der Schweiz ein parlamentarischer Vorstoss in einem Parlament, worin ein Ratsmitglied, eine Fraktion oder eine parlamentarische Kommission einen eigenständigen Vorschlag zu einem Gesetz oder einer Verfassungsänderung oder einem ähnlichen legislativen Erlass einbringen kann. Die parlamentarische Initiative enthält einen ausgearbeiteten Entwurf zu einem solchen Erlass oder skizziert diesen mindestens in den Grundzügen. Sie ist der stärkste parlamentarische Vorstosstyp, sogar stärker als die Motion. Mit der parlamentarischen Initiative wird das Parlament direkt gesetzgeberisch tätig, ohne «Zwischenschaltung» der Regierung. Das Ergreifen einer parlamentarischen Initiative ist ein sehr starkes, tendenziell regierungskritisches Instrument. Das Ausarbeiten einer parlamentarischen Initiative erfordert mehr Aufwand als der Einsatz anderer Typen parlamentarischer Vorstösse. Das Instrument der parlamentarischen Initiative kennen beide Kammern der eidgenössischen Räte, die meisten Kantonsparlamente und einige Gemeindeparlamente.

Dieses Vorschlagsrecht ist grundsätzlich sowohl dem Vorschlagsrecht des Bundesrates als auch dem Vorschlagsrecht der Kantone (Standesinitiative) gleichgestellt.

Eine parlamentarische Initiative durchläuft in den eidgenössischen Räten ein zweistufiges Verfahren. Zunächst prüfen die zuständigen Parlamentskommissionen beider Räte, ob dem Vorschlag Folge zu geben ist. Geprüft wird dabei, ob ein Regelungsbedarf besteht und ob das Vorgehen auf dem Wege der parlamentarischen Initiative zweckmässig ist. Wird einer Initiative Folge gegeben, so arbeitet die zuständige Kommission des Rates, in dem die Initiative eingereicht wurde, eine Vorlage aus und unterbreitet diese dem Plenum.

Die Parlamentarische Initiative ist ausgeschlossen, wenn zum gleichen Gegenstand bereits eine Vorlage unterbreitet worden ist; dann kann das Anliegen mit einem Antrag im Rat eingebracht werden. Dieses Recht findet sich teilweise auch in kantonalen Rechtsordnungen.

Geschichte

Geschichtlich lässt sich dieses Institut der schweizerischen Gesetzgebung bis in die Verfassungsentwürfe der Dreissigerjahre des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Tatsächlich davon Gebrauch gemacht haben die Räte allerdings während langer Zeit überhaupt nicht. Dessen Wiederentdeckung geht zurück auf den sogenannten «Mirage-Skandal». Nachdem diese Angelegenheit durch eine gemeinsame Kommission von National- und Ständerat («Mirage»-Arbeitsgemeinschaft; heute Parlamentarische Untersuchungskommission PUK genannt) untersucht worden war, hat diese vom Bundesrat verlangt, er müsse binnen Jahresfrist Botschaft und Entwurf zu einem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vorlegen. Der damalige Bundespräsident Ludwig von Moos erklärte 1964 in der Sitzung des Nationalrates, in welcher der Bericht der Kommission diskutiert wurde, die Regierung sei nicht in der Lage, diese Frist einzuhalten. In der Folge reichte der Zürcher Nationalrat Walter König (Landesring der Unabhängigen) den etwa 15 Jahre vorher von Prof. Max Imboden ausgearbeiteten Vorentwurf zu einem solchen Gesetz als Parlamentarische Initiative, gestützt auf den damaligen Artikel 93 der Bundesverfassung, ein. Der Schritt führte dazu, dass der Bundesrat die Frist genau eingehalten hat. In der Folge entwickelte sich das Institut der Parlamentarischen Initiative im Bund zu einem probaten Mittel, Widerstand der Bundesregierung gegen eine Gesetzgebung zu überwinden, indem seitens eines Ratsmitglieds die beiden Räte direkt eingeladen werden, gesetzgeberisch tätig zu werden.

Siehe auch

Schweizlastige Artikel Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in der Schweiz dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Parlamentarische Untersuchungskommission — Die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) ist im politischen System der Schweiz eine von Parlamentariern gebildete temporäre Kommission, welche politische Oberaufsicht über die Verwaltung ausüben kann. Sie wird in ausserordentlichen… …   Deutsch Wikipedia

  • Initiatīve — (neulat.), Inangriffnahme einer Handlung, auch das Recht oder Vorrecht dazu. Unter I. der Gesetzgebung (Initiativrecht) versteht man das Recht, Gesetzentwürfe einzubringen. Dies Recht war auch in der konstitutionellen Monarchie nach den ältern… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Parlamentarische Versammlung des Europarates — Die Parlamentarische Versammlung des Europarates mit Sitz in Straßburg ist eines der zwei im Statut des Europarates verankerten Organe. Vertreterinnen und Vertreter von 47 nationalen Parlamenten des europäischen Kontinents unterschiedlicher… …   Deutsch Wikipedia

  • Initiative Nachrichtenaufklärung — Die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) ist ein Zusammenschluss von Medienwissenschaftlern und Journalisten, der die Öffentlichkeit auf Themen und Nachrichten aufmerksam machen möchte, die seiner Meinung nach von den deutschen Massenmedien… …   Deutsch Wikipedia

  • Minarett-Initiative — Seit 2006 bestehende Streitigkeiten um Minarettbauten in den Schweizer Gemeinden Wangen bei Olten, Langenthal und Wil SG lösten in der Schweiz eine gesamtgesellschaftliche Kontroverse um den Bau von Minaretten aus, die von den Medien oftmals als… …   Deutsch Wikipedia

  • Eidgenössische Volksinitiative — In der Schweiz ist die Volksinitiative ein politisches Recht, das von Stimmbürgern jeweils auf Bundes , Kantons und Gemeindeebene ergriffen werden kann. Statistik Eidg. Volksinitiativen [1] (Stand 15. August 2008) Gestartete Volksinitiativen 354… …   Deutsch Wikipedia

  • Verfassungsinitiative — In der Schweiz ist die Volksinitiative ein politisches Recht, das von Stimmbürgern jeweils auf Bundes , Kantons und Gemeindeebene ergriffen werden kann. Statistik Eidg. Volksinitiativen [1] (Stand 15. August 2008) Gestartete Volksinitiativen 354… …   Deutsch Wikipedia

  • Volksinitiative (Schweiz) — In der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist die Volksinitiative ein politisches Recht, das von Stimmberechtigten jeweils auf Bundes , Kantons und Gemeindeebene ergriffen werden kann. Eidgenössische Volksinitiativen[1] …   Deutsch Wikipedia

  • Bundesversammlung (Schweiz) — Bundeshaus (Parlamentsgebäude) und Bundesplatz in Bern Die Bundesversammlung (französisch Assemblée fédérale, italienisch Assemblea federale, rätoromanisch  …   Deutsch Wikipedia

  • Eidgenössische Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» — Seit 2006 bestehende Streitigkeiten um Minarettbauten in den Schweizer Gemeinden Wangen bei Olten, Langenthal und Wil SG lösten in der Schweiz eine gesamtgesellschaftliche Kontroverse um den Bau von Minaretten aus, die von den Medien oftmals als… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”