Pawlows Haus

Pawlows Haus
Pawlows Haus, Russisches Staatliches MIlitärarchiv, 1943.

Pawlows Haus (auf russisch дом Павлова – Dom Pawlowa) ist der in Russland volkstümlich gewordene Name eines hart umkämpften Wohnhauses in der Schlacht von Stalingrad 19421943. Sein Name rührt von dem Sergeanten Jakow Pawlow her, der den Zug Soldaten befehligte, welcher das Gebäude zuerst eroberte und zwei Monate lang gegen die Angreifer der deutschen 6. Armee verteidigte.

Inhaltsverzeichnis

Das Gebäude

Es handelte sich um ein vierstöckiges Haus im Zentrum von Stalingrad (heute Wolgograd) in der Penzenskaya-Straße 61, welches rechtwinklig zum Ufer der Wolga lag und den Platz des 9. Januars überblickte (fälschlicherweise wird z. B. bei Google Earth[1] die hinter dem Pawlow-Haus und parallel zur Wolga liegende Grudinin-Mühle irrtümlich als Pawlow-Haus gekennzeichnet). Vor dem Krieg wurde der Wohnblock aufgrund seiner priviliegierten Lage von der Stadtelite und hochrangigen Offizieren bewohnt.[2]

Kämpfe um das Pawlow-Haus

Grundriss vom Pawlow-Haus

Hauptartikel: Deutscher Angriff auf Stalingrad

Die letzten Verteidigungsstellungen in der Innenstadt Stalingrads waren von der 13. GSD besetzt und verliefen von der Penzenskaya-Straße am Platz des 9. Januars (auch als Lenin-Platz bekannt) bis zur Krutoi-Rinne. Das freistehende Gebäude am östlichen Ende des Platzes wurde auch als „Haus der Sowjets Nr. 4“ oder „Haus der Spezialisten“[3] bezeichnet.

Das Haus wurde von der Wehrmacht zum ersten Mal im September 1942 angegriffen. Dem von Pawlow, der seinen verwundeten Vorgänger zu ersetzen hatte, kommandierten Zug der 13. Gardeschützen-Division gelang es, das Haus zu erobern. Er wurde dabei bis auf vier Soldaten aufgerieben: Pawlow, Gloesjtsjenko, Aleksandrow und Tsjernogolow. Oberst Jelin, Kommandeur des 42. GSR ließ das Sabolotnow-Haus an der Soletschnaya-Straße und das Pawlow-Haus an der Penzenskaya-Straße zur Festung ausbauen.[4] Das unbeschädigte Sabolotnow-Haus wurde vom gleichnamigen Leutnant Sabolotnow verteidigt, der am folgenden Tag fiel. Das freistehende von Granaten schwer beschädigte Gebäude wurde von einem Stoßtrupp unter Feldwebel Jakow Pawlow am 23. September 1942 erobert, indem er die deutschen Besatzer mit Handgranaten bekämpfte. Die Deutschen flohen über den freien Platz, wobei viele von Scharfschützen getötet wurden.[5]

Erst Tage später trafen Verstärkungen ein, mit denen das Haus durch nunmehr 25 Soldaten mit Granatwerfern, Maschinengewehren und Panzerabwehrwaffen verteidigt wurde. Das Haus wurde mit einem Minenfeld und Stacheldraht umgeben. Granatwerfer und Maschinengewehre wurden an bestimmten Fenster postiert und die Keller- und Erdgeschosswände durchbrochen, um die Kommunikation und den Nachschub zu verbessern, der durch Laufgräben von der Grudinin-Mühle, dem Regimentsgefechtsstand, geliefert wurde. Nahrungsmittel und Munition waren dennoch knapp, und das Haus lag Tag und Nacht unter deutschem Feuer. Die wenigen Kampfpausen wurden mit Grammofonmusik überbrückt. Mehrere tägliche deutsche Angriffe blieben im Feuer der Verteidiger liegen.

Als der erste Melder die Nachricht von der Einnahme des Pawlow-Hauses an das Regiment übermitteln sollte, wurde er von einem deutschen Gegenangriff überrascht. Erst am 29. September 1942 konnte die Nachricht erfolgreich übermittelt werden. Deutschen Kampfpanzern gelang es nicht in der anhaltenden Belagerung die Schwachstellen des Pawlow-Hauses zu finden. Die Gardeschützen blockierten erfolgreich die Straße und den Zugang zur 250 m entfernten Wolga.

Bis heute ist nicht geklärt, warum das Pawlow-Haus nicht durch Luft- oder Artillerieschläge zerstört wurde, sondern die Infanterie in ständig wiederholten frontalen Sturmangriffen nach dem Ludendorffschen Prinzip versuchte, das Haus zu nehmen und dabei mehr Verluste hinnehmen musste als bei der Eroberung von Paris im Jahr 1940. Die eingeschlossenen Soldaten wurden aus mehreren Tunneln und Laufgräben versorgt.

Mitte Oktober 1942 kam es zu einer geballten Offensive gegen das Pawlow-Haus, um im Rahmen der Angriffe in den nördlichen Industriekomplexen die Schlacht zu Ende zu bringen. Vom Platz des 9. Januars griffen Panzer direkt das Gebäude an, wurden aber mit Panzerbüchsen vertrieben, während die angreifende Infanterie mit Maschinengewehrfeuer niedergehalten wurde. Pawlows Gardeschützen konnten sich wieder im Erdgeschoss sammeln und widerstanden bereits seit drei Wochen allen Feindangriffen.

Wegen des permanenten Beschusses und des freien Schussfeldes von Scharfschützen war es nahezu unmöglich die Gefallenen zu bestatten, die Leichen verwesten rings um das hart umkämpfte Gebäude. Deutsche Kampfpanzer konnten wegen ihres begrenzten Neigungswinkel die Panzerbüchsenschützen in den Fenstern nicht ausreichend bekämpfen. Teilweise bewegten sich Kampfpatrouillen durch die Tunnel auch in das offene Gelände des Platzes und bekämpften deutsche Panzer aus nächster Nähe.[4]

Das Pawlow-Haus diente bei Meldungen der 62. Armee zur Orientierung wie z. B. „Panzer 200 m westlich von Dom Pavlov gesichtet“. Feldwebel Pawlow erhielt von Tschuikow den Decknamen „Leuchtturm“ und spielte eine zentrale Rolle bei den letzten Brückenköpfen in Stalingrad-Mitte.[4]

Einer der berühmtesten sowjetischen Scharfschützen Anton Tschechow bekämpfte häufig vom Dach des Pawlow-Hauses deutsche Ziele und konnte sich durch den Laufgraben wieder unbemerkt in die Grudinin-Mühle zurückziehen.

Die Rotarmisten und im Keller verbliebene Zivilisten wurden schließlich nach heftigen Kämpfen ab dem 23. September durch den russischen Vorstoß vom 25. November entlastet.

Das Pawlow-Haus wurde von folgenden Soldaten unterschiedlicher Nationalitäten verteidigt:

Verteidiger des Pawlow-Hauses

Angaben über die Anzahl der Verteidiger schwanken, vermutlich zwischen 24 bis 100 in den unterschiedlichen Phasen des Gefechtes. Auch gibt es verschiedene Aussagen über die Befehlsstruktur, nach neueren Erkenntnissen hatte Leutnant Afanasjev kurz nach der Eroberung des Gebäudes die Befehlsgewalt. Im Kellergeschoss befanden sich außerdem 10 Zivilisten, teilweise durch Brände schwerverwundet, welche die deutschen Artillerie- und Bombenangriffe überlebt hatten. Die Leichtverletzten unterstützten die Gardisten bei ihren Verteidigungsaufgaben.

Verteidiger des Pawlow Hauses[6]
Name Rang Waffenart Nationalität
Jakov F. Pavlov Senior Feldwebel und Kommandeur Maschinenpistole Russisch
Vasily S. Gloesjtsjenko Junior Feldwebel leichtes MG Ukrainisch
A.P. Aleksandrov Gardeschütze leichtes MG Russisch
N.Ja. Tsjernogolov Soldat leichtes MG Russisch
Ivan F. Afanasjev Leutnant und zweiter Befehlshaber schweres MG Russisch
A.N. Tsjernysjenko Junior Leutnant Mörser Russisch
A.A. Sobgaida Senior Feldwebel und dritter Befehlshaber Panzerbüchse Ukrainisch
Ilja V. Voronov Soldat schweres MG Russisch
I.Ja. Chait Soldat Maschinenpistole
P.I. Dovzjenko Soldat schweres MG Ukrainisch
T.I. Gridin Soldat Mörser Russisch
A.I. Ivasjtsjenko Soldat schweres MG Ukrainisch
V.M. Kiselev Soldat Maschinenpistole Russisch
N.G. Mosiasjvili Soldat schweres MG Georgisch
F.Z. Romazanov Soldat Panzerbüchse Tatarisch
V.K. Sarajev Soldat Maschinenpistole Russisch
I.T. Svirin Soldat schweres MG Russisch
M. Bondarenko Soldat Maschinenpistole Russisch
P. Demtsjenko Soldat schweres MG Ukrainisch
T. Moerzajev Soldat Panzerbüchse Kasachisch
A. Toerdiyev Soldat Panzerbüchse Usbekisch
K. Toergoenov Soldat schweres MG und Panzerbüchse Tadschikisch
Sjkoetarov Soldat Panzerbüchse Tatarisch
Soekba Soldat leichtes MG Abchasisch
Stepanosjvili Soldat Maschinenpistole Georgisch

Feldwebel Pawlow

Jacob Fedotowitsch Pawlow, russisch Яков Федотович Павлов, (* 1917; † 1981) wurde 1938 zur Roten Armee eingezogen und kämpfte unter Alexander Rodimtzew in der 13. Gardeschützen-Division. Feldwebel Pawlow überlebte die Stalingradschlacht, wurde 1944 Leutnant, KPSS- und Komsomol-Mitglied und marschierte mit der 8. Garde-Armee bis nach Berlin.[7] Seine Verdienste bei Stalingrad und der Eroberung Berlins wurden 1945 mit dem Titel Held der Sowjetunion gewürdigt. Nach dem Krieg suchte Pawlow die Nähe zur russisch-orthodoxen Kirche und wurde als Archimandrit Kyrill Priester.[4]

Symbolische Bedeutung

Pawlows Haus heute

Pawlows Haus wurde zu einem Symbol für den zähen Widerstand der Russen in der Schlacht von Stalingrad und im Zweiten Weltkrieg im allgemeinen. Hatte die Wehrmacht zuvor mit ihrer Blitzkriegstaktik viele Städte und Länder in kurzer Zeit überrannt, gelang es ihr hier innerhalb von zwei Monaten nicht, eine einzelne Häuserruine einzunehmen. Auf Paulus persönlicher Karte soll Pawlows Haus als Festung verzeichnet gewesen sein, die es um jeden Preis zu nehmen galt. Die Verteidigung wurde zu Propagandazwecken als militärische Meisterleistung gegenüber einer weit überlegenen Übermacht dargestellt und stark heroisiert.

Das Haus wurde nach dem Kriege wieder aufgebaut und wird heute wieder als Wohnhaus genutzt. An seiner der Wolga zugewandten Außenseite wurde ein Denkmal aus Steinen des alten Gebäudes errichtet. Das Pawlow Haus war eines der ersten Gebäude in Stalingrad, welches nach der Zerstörung während der Tscherkassowski Bewegung (M.Tscherkassowoj) durch eine weibliche Baubrigade wieder aufgebaut wurde. Der Architekt W.J.Masljajew und der Bildhauer W.G.Fetissow vermerken auf einer Inschrift auf der Gedenkwand: „In diesem Haus haben sich die Heldentaten der Soldaten mit den Werktätigen verschmolzen.“ Nach Freigabe von Dokumenten aus den sowjetischen Staatsarchiven änderte sich die Sichtweise über die Ereignisse im Pawlow Haus. Belegt ist, dass das taktisch wichtige Gebäude von einer kleinen Aufklärungseinheit unter Feldwebel Pawlow erobert wurde, später durch einen Maschinengewehrzug und Panzerabwehrschützen verstärkt und einen wichtigen Verteidigungsknoten in der sowjetischen Verteidigungslinie darstellte. Es waren 24 Soldaten aus neun verschiedenen Nationalitäten unter dem Befehl von Leutnant Afanasjew, welche diese Taten vollbrachten. Nach Meinung des Wolgograder Dichters und Publizisten Jurijs Beledina müsste das Haus richtigerweise „Haus des Soldatischen Ruhmes“ und nicht „Dom Pawlowa“ heißen, da Pawlow während der Gefechte verletzt war und die Verteidigung aktiv von Afanasjew geleitet wurde. Allein Pawlow wurde zum „Held der Sowjetunion“ ernannt, alle anderen Verteidiger erhielten nur unbedeutende Ehrenabzeichen und wurden auf der Fassade des Gebäudes verewigt:

Dieses Haus wurde vom Sergeanten Pawlow und seinen Kampfgenossen ab dem Ende Septembers 1942 verteidigt Im Laufe von September bis November 1942 wurde das Haus von Kämpfer des 3. Bataillons des 42. Gardeschützen-Regiments der 13. Gardeschützen-Division, Trägerin des Leninordens heldenhaft verteidigt: Alexandrow, Afanasjew, Bondarenko, Gluschtschenko, Gridin , Dowschenko, Iwaschtschenko, Kisseljow, Mossiaschwili, Mursajew, Pawlow, Swirin, Sobgajda, Torgunow, Turdyjew, Chajt, Tschernogolow, Tschernyschtschenko und Schapowalow.

Iwan Afanasjew diente bis 1951 und wohnte ab 1958 in Stalingrad, dem späteren Wolgograd. In seinem Buch „Haus des Soldatischen Ruhms“ berichtete Afanasjew über die Ereignisse aus seiner Sicht, so zum Beispiel, dass das Haus bei der Einnahme durch Pawlow bereits feindfrei gewesen sei, musste viele Passagen infolge der Zensur mehrfach abändern. [8]

Medien

Eine Referenz wird Pawlows Haus in dem Computerspiel Call of Duty und dem Battlefield1942 Mod Forgotten Hope erwiesen: Hier gibt es eine Karte (mit Namen mp_pavlov) bzw. Pawlows's Haus, in welcher es gilt, das Haus zu verteidigen bzw. erobern.

Einzelnachweise

  1. http://maps.google.de/maps?hl=de&source=hp&q=google%20earth&um=1&ie=UTF-8&sa=N&tab=wl
  2. http://www.volfoto.ru/volgograd/ploschad_lenina/dom_pavlova/
  3. nicht zu verwechseln mit dem Haus der Spezialisten im Technikerviertel/Innenstadt in direkter Nähe zum Zentralen Fähranleger, welches von deutschen Sturmverbänden erobert und dauerhaft gesichert werden konnte
  4. a b c d Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt - Oktober 1942, Wien 2006, S. 89
  5. William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht, Heyne, München 1991, S. 112-113
  6. http://users.telenet.be/stalingrad/pavlov/defenders.htm
  7. http://users.telenet.be/stalingrad/pavlov/ruspavlov.htm
  8. http://www.volgograd.ru/theme/info/vov/100503.pub

Literatur

  • The Battle of Stalingrad 60 Years Later, Voice of Russia, 2003
  • Moynahan, Brian; Forgotten Soldiers, Quercus History, 2007
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