Personennahverkehr in Hasselt

Personennahverkehr in Hasselt
Zurückgebauter Groene Boulevard in Hasselt

Der Personennahverkehr in der belgischen Stadt Hasselt wurde überregional bekannt, als in den 1990er Jahren ein Bussystem zum Nulltarif eingerichtet wurde.

Inhaltsverzeichnis

Ausgangslage

Die flämische Stadt Hasselt hat etwa 68.000 Einwohner. Vor dem 1. Juli 1997 gab es dort auf zwei Linien nur acht Stadtbusse. Diese fuhren 500.000 Kilometer im Jahr und beförderten dabei 360.000 Fahrgäste, wobei etwa 1.000 Menschen täglich den Bus nutzten.

Es stand der Neubau eines dritten Umgehungsringes an. Doch schon der in den 1980er Jahren gebaute zweite Ring hatte nicht die erhoffte Entlastung des innerstädtischen Verkehrs gebracht.

Die Stadt Hasselt wandte am Anfang jährlich rund 300.000 Euro für den Personennahverkehr auf. Zehn Jahre später waren es etwa 750.000 Euro. Doch trotz der gestiegenen Kosten wertet die Stadtverwaltung das Angebot als Erfolg.

Der Restaurantbesitzer Steve Stevaert ließ sich aus Ärger über die Verkehrszunahme in seiner Heimatstadt im Jahr 1995 als Kandidat für die Bürgermeisterwahl aufstellen und gewann mit seinem innovativen Verkehrskonzept eines Öffentlichen Personennahverkehrs zum Nulltarif die Wahl. Er griff dabei einen Plan des flämischen Verkehrsministers Eddy Baldewijns auf, der dem öffentlichen Personennahverkehr Vorrang einräumte.

Maßnahmen

Der Bahnhof Hasselt ist Ausgangspunkt der Buslinien.

Der Autoverkehr wurde eingedämmt und das Bussystem ausgebaut. Öffentlichkeitswirksamer Höhepunkt war, dass alle Busse von jedermann kostenlos zu benutzen sind.

800 Parkplätze im Stadtgebiet wurden abgeschafft. Parken kostete jetzt 1 Euro die erste Stunde, danach wurden 10 Euro für den halben Tag fällig. Die Parkeinnahmen investiert die Stadt direkt in den öffentlichen Verkehr.

Die vierspurige Ringstraße, die ursprünglich für den Autoverkehr ausgebaut werden sollte, ließ Stevaert mit 400 Bäumen bepflanzen und zum fußgänger- und radfahrerfreundlichen „Grünen Boulevard“ umgestalten.[1]

Während der Pilotphase in den Jahren 1997 bis 2000 teilten sich die Stadt Hasselt und das Land Flandern die Kosten für das Bussystem. Die Stadt erstattete dem Verkehrsanbieter die Einnahmeausfälle durch die nicht durch Fahrscheine finanzierten Nutzung in Höhe von etwa 800.000 Euro. Trotz der Fahrgastzuwächse blieb dies ein vernachlässigbarer Posten im kommunalen Haushalt. Hasselt muss weniger als 1 Prozent der städtischen Budgets an den Verkehrsanbieter zahlen. Das sind etwa 18 Euro im Jahr pro Steuerzahler.

Folgen

Das System bewährte sich. Die Einkaufsstraßen wurden autofrei, die Innenstadt ist heute verkehrsberuhigt. Mit Temporeduktionen und Baumaßnahmen wurde 2005 der Aspekt der Verkehrssicherheit noch einmal besonders in Angriff genommen.

Nach seiner Zeit als Bürgermeister wurde Stevaert Verkehrsminister in Flandern und Parteivorsitzenden der SP.A. Die Stadt Hasselt wurde durch dieses Projekt in Verkehrskreisen in ganz Europa bekannt.

Durch Einsparungen an sonst notwendig gewordenen Investitionen für den Bau weiterer Straßen wurde es möglich, den nicht durch Fahrscheine finanzierten Busverkehr für Hasselt und die nähere Umgebung einzurichten.

Nach der Umstellung im Jahr 1996 stieg die Zahl der Fahrgäste innerhalb von zwölf Monaten von 340.000 auf 2,7 Millionen. Zehn Jahre später nutzten in Hasselt pro Tag etwa 12.000 Fahrgäste 46 Busse auf elf Linien. 2008 nutzten rund 4,5 Mio Fahrgäste die nicht durch Fahrscheine finanzierten Busse. Vierspurige Straßen konnten auf zwei Spuren zurückgebaut werden, weil die breiten Verkehrsadern nicht mehr benötigt werden.

Fahrgastaufkommen
Jahr Fahrgäste Prozentsatz
1996 360 000 100%
1997 1 498 088 428%
1998 2 837 975 810%
1999 2 840 924 811%
2000 3 178 548 908%
2001 3 706 638 1059%
2002 3 640 270 1040%
2003 3 895 886 1113%
2004 4 259 008 1217%
2005 4 257 408 1216%
2006 4 614 844 1319%

Das Verkehrskonzept hat dazu geführt, dass bis zu 30 Prozent mehr Menschen in die Stadt kommen und die Umsätze des Einzelhandels seit der Umgestaltung stiegen.

Die Zahl der Besucher in den Krankenhäusern nahm zu, da ältere Menschen sich nicht mehr im Dickicht unlesbarer Fahrpläne verlieren. Die Diskussion mit dem Personal des städtischen Krankenhauses über einen neuen Parkplatz zu Lasten der Stadtkasse erübrigte sich, da das Krankenhauspersonal nun überwiegend mit dem Bus fährt.

Ähnliche Projekte

Auch in anderen Städten in Europa gibt es für den Nutzer nicht durch Fahrscheine finanzierte Angebote die durch Steuern, Emissionsabgaben oder Kfz-Parkplatzgebühren finanziert werden. Dazu gehören Lübben und Templin.

In Lübben mit seinen 15.000 Einwohnern fährt der Stadtbus seit Januar 1998 kostenlos. Das Projekt wird von der Bevölkerung sehr gut angenommen. Die unattraktive Taktfolge der Busse wurde geändert und die Zahl der Fahrgäste stieg dadurch um das 3,5fache. Aber in Lübben fehlt ein Gesamtverkehrskonzept, das auch umliegenden Gemeinden ein Umsteigen vom Auto auf ÖPNV ermöglicht. Der Bahnhof Lübben wurde 2004 (zusammen mit dem Hauptbahnhof Hannover) von der Allianz pro Schiene als kundenfreundlichster Bahnhof des Jahres ausgezeichnet.

Im brandenburgischen Templin, mit seinen 14.000 Einwohnern, fuhren im Rahmen eines zweijährigen Modellprojektes die vier Stadtbuslinien kostenlos. Die Fahrgastzahlen stiegen dadurch von 1997 auf 1998 um das 7,5fache, wobei auch hier ein Gesamtkonzept fehlte.

Ähnliches gilt für Systeme von öffentlichen Fahrrädern, die im Auftrag der Stadt zu einem jährlichen Pauschaltarif in Verbindung mit kostenpflichtigen ÖPNV-Angeboten werden.

Probleme

Kritiker bemängeln, dass sich das Hasselter Projekt nicht leicht auf andere Städte übertragen ließe. Zum Einen sei der Grundsatz „Was nichts kostet, ist auch nichts wert“ bei den Menschen fest verankert, zum Anderen gab die Lindauer Stadtverkehr GmbH zu bedenken, dass „die Identifikation bestimmter Personen mit dem Auto durch ein Nulltarif-Angebot nicht zu untergraben ist.“ Durch Templin und Lübben wurden diese Einwände allerdings widerlegt.

Einige Städte führen vertragliche Bindungen an Verkehrsverbünde an, die einen Alleingang bei diesem Konzept erschweren. Auch sei die Struktur der Verkehrsbetriebe zu unterschiedlich.

Auch die Angst vor Folgeinvestitionen stellen ein großes Hindernis dar.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Parkraumbewirtschaftung, denn die Autofahrer werden nicht umsteigen, solange genügend Parkraum vorhanden ist.

Ein großes Hindernis sind auch die häufig mit im Stau stehenden Busse. Dafür gibt es allerdings separate Busspuren und funkgesteuerte Freischaltungen von Lichtsignalanlagen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. fairkehr-magazin 2/2005

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