Petrusevangelium

Petrusevangelium

Das Petrusevangelium ist ein apokryphes Evangelium, dessen erhaltene Fragmente teilweise in das 2. Jahrhundert zu datieren sind. Es gehört wie das Nikodemusevangelium zu den Passionsevangelien, die sich vorwiegend mit Jesu Tod und Auferstehung befassen. Die wesentlichen Fragmente wurden im Winter 1886/1887 im oberägyptischen Akhmīm im Grab eines Mönches gefunden und stammen aus einer Pergamenthandschrift des 9. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Die Entstehung des Petrusevangeliums

Das Evangelium ist aus der Perspektive des Simon Petrus in Form einer Ich-Erzählung geschrieben:

„Ich aber, Simon Petrus, und mein Bruder Andreas nahmen unsere Netze und gingen ans Meer. Und es war bei uns Levi, der Sohn des Alphäus, welchen der Herr (vom Zoll weggerufen hatte...)“

Petrus 14,60

Eine unmittelbare Verfasserschaft des Apostels Petrus ist jedoch zweifelhaft. Exegeten gehen davon aus, dass es sich beim Petrusevangelium um den Typus einer pseudepigraphischen Schrift handelt, die meist im Namen einer bekannten Person verfasst wird. Dies soll nach Ansicht des wirklichen Verfassers dem Text mehr Gewicht verleihen.

Die Existenz eines Petrusevangeliums ist in der frühen Kirche mehrfach bezeugt, vor allem durch Origenes und Eusebius von Caesarea. Dieser berichtet in seiner Kirchengeschichte (VI, 12,3-6) von einem Bischof Serapion von Antiochien, der ein Petrusevangelium Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. (im Zeitraum von 190-203 n. Chr.) in der kleinen Gemeinde von Rhossos in Syrien vorgefunden habe, wo das Evangelium in der Liturgie verwendet worden sei. Es wird allgemein angenommen, dass dies das einzige Petrusevangelium ist und dass es sich bei der in Akhmim gefundenen Pergamenthandschrift um eine fragmentarische Ausgabe dieses Evangeliums handelt. Zwei weitere kleine Papyrusfragmente (Pap.Ox. 2949) aus Ägypten vom Ende des 2. oder Anfang des 3. Jahrhunderts, die nur wenige kaum lesbare Zeilen enthalten, könnten ebenfalls dem Petrusevangelium zugeordnet werden.

Falls diese Annahmen zutreffen, muss der Text jedenfalls vor 190 n. Chr. entstanden sein. Andererseits setzt er die Verbreitung der ersten drei kanonischen Evangelien voraus, da der Verfasser bereits Zugriff auf die Evangelien nach Markus, Matthäus und Lukas hatte. In der Exegese lautet die vorherrschende Meinung, dass der Verfasser des Evangeliums seine Information aus gemeindlichen Lesungen aus den kanonischen Evangelien aufnahm und zusammen mit anderem Traditionsgut aus dem Gedächtnis niederschrieb. Als Zeitpunkt der Abfassung wird daher die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. angenommen. Als Entstehungsort wird Syrien vermutet.

Die Entdeckung der Fragmente

Im Winter 1886/1887 wurde in einem Mönchs-Grab im oberägyptischen Akhmim eine Pergamentrolle von dem französischen Archäologen Urbain Bouriant gefunden, deren Autor unbekannt ist (Papyrus Cairensis 10759). Die Pergamentrolle stammte aus dem 8. oder 9. Jahrhundert n. Chr. und enthielt Teile der griechischen Petrusapokalypse, des griechischen Henoch und des Evangeliums nach Petrus. Dem Schreiber dieser Handschrift lag, wie man aus Ornamenten am Anfang und Ende erkennen kann, nur dieser Teil des Evangeliums vor. Daher besteht der einzig bekannte Teil des Petrusevangeliums aus Jesu Passions- und Auferstehungsgeschichte. Das Fragment beginnt abrupt mit der Bloßstellung Jesu vor Pontius Pilatus, so dass selbst von der Passionsgeschichte nicht der ganze Stoff vorhanden ist. Es kann daher nicht gesagt werden ob es, wie auch das Nikodemusevangelium, ein reines Passionsevangelium, oder ob es den vier kanonischen Evangelien im Aufbau ähnlich war. Der Rest ist verschollen, so dass das Evangelium nicht mehr als zwei Seiten umfasst. Das Fragment wurde von John A. Robinson in 14 Kapitel und von Harnack in 60 Verse eingeteilt. Heute werden die Fragmente des Evangeliums in einem Museum in Kairo aufbewahrt.

Literatur

Quellenausgaben

  • Thomas J. Kraus, Tobias Nicklas (Hrsg.): Neutestamentliche Apokryphen. Bd. 1: Das Petrusevangelium und die Petrusapokalypse. Die griechischen Fragmente mit deutscher und englischer Übersetzung. Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte N.F. 11. de Gruyter, Berlin/New York 2004, ISBN 3-11-017635-1
  • Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.): Neutestamentliche Apokryphen. In deutscher Übersetzung. 2 Bde. Bd. 1: Evangelien. Mohr, Tübingen 6. Aufl. 1999, S. 180-185, ISBN 3-16-147252-7
  • Albert Fuchs (Hrsg.): Die griechischen Apokryphen zum Neuen Testament. Bd. 1: Das Petrusevangelium. Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt B/2. Linz 1978

Einführungen und Kommentare

  • Joel B. Green: The Gospel of Peter: Source for a Pre-Canonical Passion Narrative? In: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 78 (1987), S. 293-301
  • Raymond E. Brown: The Gospel of Peter and Canonical Gospel Priority. In: New Testament Studies 33 (1987), S. 321-343
  • John Dominic Crossan: The Cross That Spoke. The Origins of the Passion Narrative. Harper & Row, San Francisco 1988, ISBN 0-06-254843-3
  • Peter Pilhofer: Justin und das Petrusevangelium. In: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 81 (1990), S. 60-78
  • Dieter Lührmann: POx 4009: Ein neues Fragment des Petrusevangeliums? In: Novum Testamentum 35 (1993), S. 390-410
  • Alan Kirk: Examining Priorities: Another Look at the Gospel of Peter's Relationship to the New Testament Gospels. In: New Testament Studies 40 (1994), S. 572-595
  • John Dominic Crossan: The Gospel of Peter and the Canonical Gospels. Independence, Dependence, or Both? In: FORUM 1,1 (1998), S. 7-51
  • Tobias Nicklas: Ein "neutestamentliches Apokryphon"? Zum umstrittenen Kanonbezug des sog. "Petrusevangeliums". In: Vigiliae Christianae 56 (2002), S. 260-272
  • Dieter Lührmann: Die apokryph gewordenen Evangelien. Studien zu neuen Texten und zu neuen Fragen. Supplements to Novum Testamentum 112. Brill, Leiden u.a. 2004, ISBN 90-04-12867-0
  • Paul Forster: Are There Any Early Fragments of the So-Called Gospel of Peter? In: New Testament Studies 52 (2006), S. 1-28
  • Hans-Josef Klauck: Apokryphe Evangelien. Eine Einführung, Stuttgart 2002.
  • Léon Vaganay: L’ Évangile de Pierre (Études bibliques 26), 2. Auflage, Paris 1930.

Thematische Studien

  • Jürgen Denker: Die theologiegeschichtliche Stellung des Petrusevangeliums. Ein Beitrag zur Frühgeschichte des Doketismus. EHS 23/36. Lang, Frankfurt a.M. u.a. 1975, ISBN 3-261-01391-5
  • Jerry W. McCant: The Gospel of Peter: Docetism Reconsidered. In: New Testament Studies 30 (1984), S. 258-273
  • Peter M. Head: On the Christology of the Gospel of Peter. In: Vigiliae Christianae 46 (1992), S. 209-224
  • Fred Lapham: Peter: The Myth, the Man and the Writings. A Study of Early Petrine Text and Tradition. JSNTSup 237. Sheffield Academic Press, London u.a. 2003, ISBN 0-8264-6214-6
  • Tobias Nicklas: Die 'Juden' im Petrusevangelium (PCair 10759): Ein Testfall. In: New Testament Studies 47 (2001), S. 206-221
  • Tobias Nicklas: Erzähler und Charakter zugleich. Zur literarischen Funktion des "Petrus" in dem nach ihm benannten Evangelienfragment. In: Vigiliae Christianae 55 (2001), S. 318-326
  • Joseph Verheyden: Silent witnesses: Mary Magdalene and the Women at the Tomb in the Gospel of Peter. In: Reimund Bieringer, Veronica Koperski, B. Lataire (Hrsg.): Resurrection in the New Testament. Festschrift J. Lambrecht. BETL 165. University Press, Leuven 2002, S. 457-482

Weblinks


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