Pfarrkirche St. Martin (Tannheim)

Pfarrkirche St. Martin (Tannheim)
Sankt Martin

Die katholische Pfarrkirche St. Martin in Tannheim im Landkreis Biberach (Baden-Württemberg) wurde in den Jahren von 1700 bis 1702 gebaut und am 25. September 1705 geweiht. Sie ist eine der ersten barocken Kirchen im süddeutschen Raum und steht an der oberschwäbischen Barockstraße (Ostroute). Wer im Illertal unterwegs ist, sieht schon von Weitem das Wahrzeichen von Tannheim, den zwiebelgekrönten Kirchturm. Die Kirche ist dem ehemaligem römischen Legionär und Bischof Martin von Tours geweiht.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Aufgrund von Hügelgräberfunden südlich des Ortes aus der Hallstattzeit (750–450 v. Chr.) und der Latenezeit (450–15 v. Chr.) kann man von einer keltischen Besiedlung des Gebietes ausgehen. Im Jahre 15 v. Chr. eroberten die Römer die gesamte Gegend. Sie wurde zur römischen Provinz Rätien und lag zwischen dem Sitz des Statthalters von Rätien im 1. Jahrhundert, Cambodunum (Kempten) und dem an der Hilaria gelegenen Römerkastell Caelius Mons (Kellmünz an der Iller). Später wurde Augsburg zur Provinzhauptstadt erhoben. Neueste Forschungen belegen, dass im mittleren Illertal Kirchen aus Holz in Kirchdorf (768), Kirchberg (806) und Tannheim (768) bestanden haben. Damit dürfte das Gotteshaus, in der Region zu den ältesten Kirchen, neben Kempten (640) und Legau (768) zählen.

In einem Schutzbrief, der am 8. Juni 1157 von Papst Hadrian IV. (1154–1159) ausgestellt wurde, wird die Pfarrei Tannheim urkundlich erwähnt. Das fränkische Martinspatrozinium spricht für einen wesentlich früheren Kirchenbau.

Bau und Baumeister

Die Tannheimer St.-Martins-Kirche ist ein früher Vertreter des Barocks, erbaut nach dem Vorarlberger Münsterschema, benannt nach der Herkunft ihrer Baumeister. Es fehlen in dieser Kirche die Elemente des Hochbarocks, die Kuppeln, freistehende Säulen, das Schwingende und Bewegende. Was man aber in dieser Kirche findet, ist die Klarheit und Helligkeit eines lichtdurchfluteten Raumes.

Die Kirche wurde nach Plänen des Vorarlberger Franz Beer (1660–1726), des späteren Stadtbaumeisters von Konstanz, errichtet. Sie ist eine weiträumige und zartgliedrige Vereinfachung der von Beers Vetter Michael Thumb aus Bezau erbauten Klosterkirche Obermarchtal. Weil sie ein so gelungenes Werk war, baute Franz Beers Schwiegersohn Peter Thumb diese Tannheimer Kirche noch einmal in Lachen am oberen Zürichsee.

Die Kirche ist mit einem marmorierten Hochaltar mit schräg vortretenden grünfarbenen Doppelsäulen ausgestattet. Der Altar trägt das Wappen des Ochsenhausener Abtes Coelestin Frener. Die Deckenfresken entstanden erst in den Jahren 1766/67. Sie wurden vom Dietenheimer Maler Chrysostomus Forchner ausgeführt, der dem Bergmüllerumkreis zuzurechnen ist. Im Jahre 1716 erhielt die Kirche das vom Direktor der Augsburger Akademie Johann Georg Bergmüller geschaffene Altarblatt Heiliger Martin. Die frühbarocke Marienstatue aus der Zeit um 1700 wurde für die Tannheimer Kirche im Zürcher Kunsthandel 1964 erworben.

Östlich ist an die Kirche das gräflich von Schaesberg'sche Schloss angebaut, ein dreigeschossiger Winkelhakenbau, der zusammen mit der Kirche und einem Ökonomiegebäude eine Vierflügelanlage bildet. Erbaut wurde das Schloss als Pfleghof und Amtshaus des Klosters Ochsenhausen in den Jahren 1696–1698. Baumeister war auch hier Franz II. Beer.

Deckenfresken

Das vorderste Fresko zeigt Maria mit dem Kind, linker Hand den Ordensgründer Dominikus und rechter Hand den Heiligen Simon Stock. Dominikus erhält den Rosenkranz und Simon Stock das Skapulier. Dominikus hält eine Lilie als Zeichen der Keuschheit in der Hand. Einer Legende nach soll dem Simon Stock, hier dargestellt im Ordensgewand der Karmeliter, nach der Vertreibung seines Ordens aus dem heiligen Land Maria erschienen sein und ihm bei dieser Erscheinung das Skapulier überreicht haben.

Das Skapulier besteht aus zwei Stückchen braunem Wollstoff, die durch zwei schmale Bänder so miteinander verbunden sind, dass es über den Schultern getragen werden kann. Dem Träger des Skapuliers, der bereit ist, Christus wie ein Gewand anzuziehen, ist das ewige Heil gewiss.

Unten auf dem Fresko sieht man die armen Seelen im Fegefeuer. Sie flehen um Erlösung aus Feuerqualen. Ihnen wird durch das Rosenkranzgebet und das Skapulier geholfen.

Hochaltarbild von Bergmüller

Das Hochaltarbild ist ca. 5 x 3 m groß, Öl auf Leinwand, signiert mit J. Berkmiller pinx. Augustae anno 1716. Oben im Bild sitzt die Patronin der Benediktiner, die Hl. Maria mit Kind. Der Hl. Michael stürzt den Satan mit dem Ruf "Quis ut Deus" (Wer ist wie Gott?) aus dem Himmel. Die Blitze, die vom Schild des Hl. Michael ausgehen, bilden die Worte dieses Rufes. Der Hl. Michael ist auf diesem Bild mit Diadem, roter Tunika und Panzer römisch bekleidet.

Neben Maria, etwas zurückgesetzt, sieht man den Hl. Georg als Ritter in Rüstung mit Lanze und Schild und als Märtyrer mit einem Palmzweig. Als Schutzpatron des Klosters Ochsenhausen wurde er in diesem Bild über Martin, den Patron der Tannheimer Pfarrkirche, gesetzt. Als Kämpfer gegen das Böse, in der Georgslegende durch einen Drachen symbolisiert, ist er das irdische Pendant zum Erzengel Michael und im Bild mit diesem kompositionell in einer Diagonalen verbunden. Vor Maria kniet die Hl. Maria Magdalena. Sie trägt langes, offenes Haar, zeigt ihre nackte Schulter, hält in ihrer Linken ein Salbgefäß und küsst einen Fuß des Christkindes. Dies bezieht sich auf Lk. 7,38 wonach eine Sünderin (nackte Schulter) Christus bei einem Gastmahl die Füße mit Tränen benetzte, salbte und mit ihren Haaren trocknete.

Ehem. Kloster und Kirche

Vor Maria kniet der Hl. Martin im Bischofsornat. Auf seinen Mantel ist das Bild des Hl. Johannes (Evangelist) gestickt, erkennbar an seinem Attribut, dem Adler. Dies weist den Hl. Martin als Verkünder des Evangeliums aus. Dass Bergmüller gerade den Evangelisten Johannes auswählte, hat noch eine andere Bedeutung: Johannes galt auch als Autor der Apokalypse, aus der der Engelsturz durch Michael zu sehen ist. Engel umgeben den Hl. Martin und halten seine Attribute. Unter ihm erkennt man Brustwehr und Helm eines römischen Legionärs, über ihm Bischofsstab und Mitra. Ein Engel hält die aufschreiende Gans fest und illustriert so die Legende, wonach Gänse das Versteck des Hl. Martin, der sich der Bischofsweihe entziehen wollte, verrieten. Diagonal unter ihm, auf einer Treppe, sitzt ein Bettler mit der Hälfte des Mantels des Heiligen. Dieser Bettler steht auch für die arme Menschheit, die flehend und Hilfe suchend zum Heiligen aufblickt, um über ihn bei Christus Heil zu erlangen. Darum blickt Martin flehend und bittend zu Christus empor und gibt den Segen des Kindes mit der linken Hand weiter an den Bettler.

Neben dem Hl. Michael erkennt man eine weibliche Heilige. Da zu ihren Attributen Kreuz, Palme und Schwert auch der Drache hinzukommt, den der Hl. Michael aus dem Himmel stürzt, lässt sie sich eindeutig als Hl. Margaretha bestimmen. Diese erlitt den Märtyrertod durch Enthauptung (Schwert). Der Legende nach erschien ihr im Gefängnis ein Drache, der sie verschlingen wollte, der aber auf das Kreuzeszeichen hin verschwand. Auf dem Bild sieht man deutlich, dass die Heilige ein Kreuz gegen den Drachen hält.

Der "Drache" ist in diesem Bild also sowohl Attribut des Hl. Georg, des Hl. Michael und der Hl. Margaretha. Dargestellt ist er als nackter Mann (Pan, der der Völlerei und der Trunksucht frönt), mit Flügeln (gestürzter Engel, Sünde), von einer Schlange umwunden (Paradiesschlange) mit Brüsten (Wollust) und Pfauenkopf (Hoffart und Eitelkeit). In diesem "Drachen" sind also diese Sünden zusammengefasst. Der Drache, die alte Schlange, der Teufel wird zusammen mit diesen Sünden in die Hölle hinabgestürzt, während die Heiligen ihre Blicke zum Himmel erheben.

Kapellen im Pfarrgebiet

Literatur

St. Martin
  • 300 Jahre Kirche Sankt Martin Tannheim, Festschrift zum Jubiläum im Jahre 2002, Herausgeber Kath. Pfarrgemeinde Tannheim
  • Schnell, Kunstführer Nr. 2033
  • Gräflich Schaesbergisches Archiv, Tannheim (unveröffentlicht)
  • Habres, Michael: "Ad Dei et Sanctorum honorem". Zur Baugeschichte der Tannheimer Pfarrkirche, in: BC - Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach, 2006/1, S. 13-24

Weblinks


4810.0866666666677Koordinaten: 48° 0′ 0″ N, 10° 5′ 12″ O


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