Pfarrkirche St. Nikolaus (Tannheim)

Pfarrkirche St. Nikolaus (Tannheim)
St. Nikolaus in Tannheim (Tirol)

Die Pfarrkirche St. Nikolaus steht in Tannheim (Tirol), einer Gemeinde im Bezirk Reutte, Tirol (Österreich). Tannheim ist der Hauptort des Tannheimer Tals, das von der Vils durchflossen wird. Sie wurde in den Jahren 1722 bis 1725 erbaut.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ambo und Chorgestühl

Die Besiedelung des Tannheimer Tales erfolgte vom Westen, also vom Allgäu her, lediglich der äußerste Osten mit Nesselwängle, Gaicht und Rauth wurde von Aschau am Lech aus besiedelt. Ursprünglich gehörte das Tannheimer Tal zu dem ausgedehnten Grundbesitz, mit dem die fränkischen Herrscher zwischen 750 und 850 das Bistum Augsburg anlässlich seiner Neu- bzw. Wiedergründung ausstatteten. Im Jahr 1059 erhielt der Augsburger Bischof von Kaiser Heinrich IV. u. a. das Kolonisationsrecht, also das Recht auf Rodung und Anlegung von Siedlungen. Der Bischof gab Güter und Rechte als Lehen an Angehörige des Adels weiter; so war um 1300 das vornehmlich noch als Alpe genutzte Tannheimer Tal zu drei Vierteln im Besitz der Grafen von Montfort bzw. zu einem Viertel der Herren von Rettenberg. Kirchlich gehörte das Tannheimer Tal mit Ausnahme von Jungholz (Pfarre Wertach) der Pfarre Sonthofen an.[1]

Baugeschichte

Von der alten gotischen Pfarrkirche St. Nikolaus (1470 bis 1722) sind nur noch eine bemerkenswerte Christusfigur von 1490 mit schwenkbaren Armen (sog. Grablegechristus) und das Sakramentshäuschen von 1470 erhalten. Sie sind heute in der nördlichen Seitenkapelle, der sog. "Oase" (an der Stelle der 1722 abgebrochenen alten Michaelskapelle), zu betrachten. Das hier eingemauerte spätgotische Sakramentshäuschen diente ursprünglich zur Aufbewahrung des Allerheiligsten und birgt nun eine im Jahr 1996 geweihte moderne Kristall-Monstranz (Geschenk der Fa. Swarowski in Wattens).


Der barocke Neubau

Innenansicht St. Nikolaus

1719 wurde Andreas Brugger geboren in Innsbruck Pfarrer in Tannheim. Selbst Bausachverständiger, machte er sich um Tannheim besonders durch den Bau der neuen großen barocken Pfarrkirche verdient. Schon bald nach Antritt seiner neuen Pfarrstelle erreichte er die Genehmigung zum Abbruch der baufälligen gotischen Kirche. Am 18. Juni 1722 erfolgte die Grundsteinlegung. Baumeister, d. h. nicht nur Bauführer, sondern auch der für den Plan verantwortliche Architekt, war Andreas Hafenegger (1666-1745) aus Haldensee bei Grän (Bauinspektor: Nikolaus Wöber, Bauschreiber: Lorenz Koch, Werkmeister: Michael Paur). Die beinahe domgroße Pfarrkirche war sicher das Hauptwerk dieses Tiroler Barockbaumeisters, dessen Ausbildung in der Werkstatt des berühmten Füssener Baumeisters Johann Jakob Herkomer nicht gesichert ist. Herkomer lieferte übrigens den Plan für die etwa gleichzeitig erbaute Innsbrucker Pfarrkirche St. Jakob (jetziger Dom, 1717 bis 1724); ihr wird eine gewisse Vorbildwirkung für die als "Dorfkirche" fast monumentale Tannheimer Pfarrkirche zugesagt, zumal sie die Heimatkirche von Pfarrer Brugger war.

Die neue Pfarrkirche von Tannheim wurde nicht genau über der gotischen, sondern etwas östlich davon errichtet. Zwei in unmittelbarer Nähe stehende Kapellen, die schon erwähnte alte Michaelskapelle (1507) sowie die barocke Antoniuskapelle (1675) mussten im Zuge des Neubaues abgetragen werden. 1724 war der Kirchenraum eingewölbt, am 17. Oktober 1725 erfolgte die Weihe der neuen Pfarrkirche mit ihren fünf Altären, 1729 war schließlich auch der Turm fertig gestellt. Erst gegen Ende des 18. bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts, unter den Pfarrern Franz Ludwig Huber aus Tannheim (ab 1779), Othmar Gärtner aus Bichlbach (ab 1785) und Johann Kotz aus Tannheim (ab 1793; 1804/05 Innenrenovierung, Kanzel, Kreuzweg und Deckenbilder) erhielt die Ausstattung der Kirche ihr heutiges Erscheinungsbild.

Zur Architektur

Friedhof bei der Kirche

Die Tannheimer Pfarrkirche, einst religiöser Mittelpunkt des gesamten Tannheimer Tales, ist nach Neustift im Stubaital die zweitgrößte Landkirche der Diözese Innsbruck. Das Äußere ist geprägt vom mächtigen Langhaus, dem stark eingezogenen Presbyterium mit Rundabschluss und dem halbkreisförmigen Vorbau für Sakristei und Seitenkapellen. Das Kircheninnere besteht aus einem vierjochigen Langhaus und einem eingezogenen zweijochigen Chor mit Rundabschluss. Das Langhaus und Presbyterium umläuft über den hohen Rundbogenfenstern ein profiliertes Gesimsband mit Zahnschnitt-, Eierstab- und Blattmusterfries. Die kräftigen, im Langhaus doppelten Pilaster weisen stuckierte Kompositkapitelle auf. Das Langhaus überspannt eine gestelzte Flachtonne, den Chorraum ein Stichkappentonnengewölbe. Die flachen Fensternischen im Langhaus sind im vordersten Joch kapellenartig erweitert und schließen in einer Rundapside; im Westen erhebt sich eine Doppelempore. Die Stuckarbeiten führten 1804 Josef Georg Pflauder aus Grän und Xaver Fischer aus Kienzen aus.

Hochaltar

Der Beichtstuhl

Der barocke Hochaltar aus Stuckmarmor stammt von Silvester Wöber aus Tannheim. Über einer hohen Tabenakelzone erhebt sich auf konkavem Grundriss ein mächtiger Doppelsäulenaufbau mit gesprengtem Giebel und kulissenartigem Aufsatz, bereichert durch ein gelbfarbenes "Ochsenauge" mit dem Zeichen der Heiligen Dreifaltigkeit und der Inschrift J A H V E.

Das Altarbild malte Franz Alois Weiss aus Rettenberg im Jahr 1776. Dargestellt ist die Szene der Rosenkranzübergabe durch Maria mit dem Kind an den hl. Dominikus, darunter der hl. Nikolaus als Patron der Tannheimer Pfarrkirche sowie die Augsburger Bistumspatrone Afra und Ulrich.

Das Altarbild flankieren zwei überlebensgroße Statuen. Der hl. Narzissus wird mit einem Dämon dargestellt. Narzissus war Bischof von Augsburg während der Diokletianischen Verfolgung und bekehrte der Legende nach in Augsburg die hl. Afra, Patronin der Diözese Augsburg. Rechts der hl. Simpert mit Kind im Rachen. Er war 778 Bischof von Augsburg und ist auch ein Diözesanpatron.

Die Aufsatzfiguren stellen die hl. Kirchenväter Ambrosius und Augustinus dar. Der als Tempelaufbau gestaltete Tabernakel stammt vom Nassereither Bildhauer Martin Falbesoner (1786). Eine bemerkenswerte Arbeit des Hindelanger Barockbildhauers Johann Richard Eberhard ist das vergoldete Schnitzrelief des Antependiums (Vorderseite der Altarmensa) mit einer Darstellung des Letzten Abendmahles.

Geläute

Die Tannheimer Pfarrkirche verfügt außerdem noch über ein historisch besonders wertvolles Geläute der berühmten Tiroler Gießerfamilie Löffler, übrigens das einzig vollständige erhaltene Tirols: die große Heiligen- und Wetterglocke (3000 kg, Durchmesser 161 cm, Ton C, von Gregor und seinen Söhnen Helias und Hanns Christoph Löffler, 1561), die "Elferin" (2000 kg, Ton Fis, 1580), die "Zwölferin" (1500 kg, Ton Dis, 1580) und die "Kleine" (320 kg, Ton C, 1580).

Kirchenkrippe

Die Pfarrkirche Tannheim ist im Besitz einer wertvollen Kirchenkrippe mit mehr als zweihundert größtenteils bekleideten Figuren; sie zählt zu den ältesten ihrer Art in Tirol (1692). Ein Teil der in prachtvolle Gewänder gehüllten Barockfiguren aus der Zeit um 1700 bis 1740 dürfte aus bayerischen Klöstern stammen, die in der Säkularisation aufgehoben worden waren. Die im Jahr 1900 vom Lehrer Anton Peterlunger erneuerte Krippe konnte auf Initiative des 1987 gegründeten örtlichen Krippenvereins erhalten und restauriert werden und kann nun wieder alljährlich zur Weihnachtszeit in der nördlichen Seitenkapelle der Pfarrkirche besichtigt werden.

Kapellen der Pfarre

St. Leonhardkapelle (Kienzen)
Name Ortsteil erbaut
Mariahilf-Pestkapelle Oberhöfen 1649
St. Martinkapelle Innergschwend 1494
St. Sebastiankapelle Berg 1653
Herz-Jesu-Kapelle Berg 1796
St. Leonhardpestkapelle Kienzen 1488
St. Michaelkapelle Kienzen 1680
Dreifaltigkeitskapelle Kienzerle 1680
Lourdeskapelle in der Grotte Tannheim 1902

Bilder

Quellen

  1. Außerferner Geschichte: Außerferner Geschichte im Überblick Außerferner Geschichte

Literatur

  • Gert Ammann, Das Tiroler Oberland (Österr. Kunstmonographie Bd. IX) Salzburg 1978, ISBN 3900173249
  • Alfons Kleiner, Tannheim. Geschichte der Pfarre; Tannheim, Innsbruck 1998


Weblinks


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