Pfarrvikar

Pfarrvikar

Der Begriff Vikar leitet sich vom lateinischen vicarius ab und bedeutet Statthalter oder Stellvertreter.

Inhaltsverzeichnis

Evangelische Kirchen

In der evangelischen Kirche bezieht sich der Begriff dabei ausschließlich auf Theologinnen und Theologen in der praktischen Ausbildung nach dem 1. Theologischen Examen. Diese praktische Ausbildung wird mit dem 2. Theologischen Examen abgeschlossen und ist Voraussetzung zur Ordination in den Pfarrdienst. Das evangelische Vikariat (siehe zur Begriffsklärung auch Vikariat) entspricht als Ausbildungsphase dem Referendariat bei Juristen und Pädagogen.

Römisch-katholische Kirche

In der römisch-katholischen Kirche bezeichnet der Begriff Vikar den Inhaber eines Hilfsamtes. Ihm sind durch Delegation bestimmte Befugnisse übertragen worden. Das Hilfsamt das Vikars kann dauerhaft oder vorübergehend (interimistisch) verfasst sein.

Im Kirchenrecht unterscheidet man folgende Vikare:

  • Apostolischer Vikar: Vorsteher eines Apostolischen Vikariats, einer für Missiongebiete errichtete bistumsähnliche Gebietskörperschaft. Die Apostolischen Vikare üben an Stelle des Papstes, der als Universalhirte die eigentliche Gewalt innehat, in den ihnen zugewiesenen Gebieten Jurisdiktion aus.
  • Bischofsvikar: Der Bischofsvikar ist der Vertreter des Diözesanbischofs für einen bestimmten Bereich der Seelsorge oder territorialen Bereich der Diözese.
  • Domvikar: Beim Domvikar handelt es sich um einen Gehilfen eines Domkapitels. Er nimmt in Vertretung der Domkapitulare seelsorgliche Handlungen vor.
  • Generalvikar: Der Generalvikar ist der Vertreter des Bischofs bei der Verwaltung der Diözese, jedoch mit eingeschränkten Amtsbefugnissen. Er wird vom Bischof frei ernannt und verliert sein Amt automatisch mit Erledigung des bischöflichen Stuhls.
  • Kapitularvikar oder Kapitelsvikar: Nach altem Kirchenrecht vorübergehender Leiter einer Diözese bei Erledigung des bischöflichen Stuhls. Das Amt entspricht heute in etwa dem des Diözesanadministrators.
  • Kardinalvikar: Der Kardinalvikar ist der Vertreter des Papstes bei der Leitung der Erzdiözese Rom.
  • Pfarrvikar: Ein Pfarrvikar ist entweder ein Priester, der einem Pfarrer unterstellt ist und keine Alleinverantwortung für eine Pfarrei trägt (Hilfspriester, Kaplan oder Kooperator) oder ein einer Quasipfarrei (Pfarrvikarie, Pfarrrektorat, Pfarrkuratie) dauerhaft vorstehender Geistlicher. Im letzten Fall ist er dem Pfarrer rechtlich gleichgestellt. Bis zum Inkrafttreten des neuen kirchlichen Gesetzbuches 1983 gab es außerdem die Möglichkeit, dass juristische Personen (etwa Domkapiteln oder Ordensgemeinschaften) als Pfarrer fungierten. Der konkret bestellte Geistliche wurde in Vertretung der juristischen Person ebenfalls als Pfarrvikar bezeichnet. Rechtlich hatte auch diese Art von Vikaren alle Rechte und Pflichten eines wirklichen Pfarrers.[1] Seit 1983 kann nach Canon 520 des CIC 1983 eine juristische Person nicht Pfarrer sein, so dass mit der Rechtsänderung auch die damit verbundene besondere Form des Pfarrvikars weggefallen ist. Es kann zwar nach wie vor eine Pfarre auch einem Ordensinstitut übertragen sein, aber mit der Maßgabe, dass einer der Priester tatsächlich Pfarrer (und nicht bloß Vikar) ist. Pfarrvikare können diesem Pfarrer dann beigegeben sein, wenn es (can. 545 § 1 CIC 1983) zur gehörigen seelsorglichen Betreuung einer Pfarre notwendig oder angebracht ist.[2]

Anglikanische Kirchen

In den Gliedkirchen der Anglikanischen Gemeinschaft ist Vikar (englisch vicar) der Titel eines Gemeindepfarrers, die Bezeichnung wird jedoch nicht einheitlich verwendet.

Kirche von England

Die Kirche von England unterschied ursprünglich nach der Art der Entlohnung zwischen drei Arten von Gemeindegeistlichen: Rektoren (rectors), Vikaren und perpetual curates (zu deutsch etwa "ständiger Hilfspfarrer"). Die Kirche stützte sich auf Abgaben, die sie - üblicherweise in Höhe des Zehnten tithes) - auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse der Gemeinde erhob. Bei diesen differenzierte man zwischen greater tithes und lesser tithes. Erstere wurden auf Weizen, Heu und Holz erhoben, letztere auf alles Übrige. Einem vicar standen im Gegensatz zum rector nur letztere zu, weil üblicherweise ein Mönchskloster die Stelle des rectors ausfüllte und die Mönche den vicar unterhielten, damit dieser sie bei der Gemeindearbeit vertrat.

Ein perpetual curate war üblicherweise für eine durch Abteilung von einer größeren Gemeinde unter Leitung eines vicars neu entstandene Gemeinde verantwortlich. Er erhielt vom Zehnten grundsätzlich gar keinen Anteil, sondern wurde von der Diözese unterhalten. Das Attribut perpetual sollte betonen, dass ein solcher Kleriker dieselbe Sicherheit einer dauerhaften Anstellung genoss wie seine reicher begüterten Kollegen. Allerdings diente es hauptsächlich den perpetual curates dazu, sich von bloßen Hilfsgeistlichen mit eigenem Seelsorgebezirk (curate, zu deutsch Kurat) abzugrenzen, die anders als die Angehörigen der drei anderen Gruppen in ihrer jeweiligen Gemeinde nicht Repräsentanten der Autorität der Kirche waren und sich daher auch nicht parson (Pfarrer) nennen durften.

Ein vom Englischen Parlament 1868 beschlossenes Gesetz erlaubte perpetual curates, künftig den Titel vicar zu führen. Die Verknüpfung dieser Neuerung mit nahezu gleichzeitigen weiteren Kirchenreformen zielte darauf, die Ungleichheiten beim Einkommen der Kleriker zu verringern. Die Rangunterschiede wurden in der Folge mehr und mehr verwischt. Umgangssprachlich wird heute häufig jeder Kleriker als vicar bezeichnet. Somit wird die Bezeichnung heute so verwendet wie vor der Reform der heute weitgehend aus dem Sprachgebrauch verschwundene Begriff parson.

Die meisten Gemeinden in England und Wales haben die jeweilige überkommene Bezeichnung für ihren Gemeindegeistlichen beibehalten. Dabei überwiegt in städtisch geprägten Gegenden die Bezeichnung vicar, was darauf zurückzuführen ist, dass in der Viktorianischen Epoche viele neue Gemeinden gegründet worden waren, deren Geistliche diesen Titel nach 1868 annahmen.

Andere anglikanische Kirchen

In vielen anderen anglikanischen Gliedkirchen herrscht ein anderer Sprachgebrauch. In der anglikanischen Church of Ireland und in der Schottischen Episkopalkirche werden die meisten Gemeindegeistlichen als rector bezeichnet. In der Episkopalkirche der Vereinigten Staaten von Amerika ist ein vicar ein Geistlicher, der einer von der Diözese finanzierten Missionsgemeinde vorsteht, während eine Gemeinde, die imstande ist, sich selbst zu tragen, von einem rector geleitet wird.

Russisch-orthodoxe Kirche

In der russisch-orthodoxen Kirche ist der Vikar ein Geistlicher im Bischofsrang, der den eigentlichen Bischof unterstützt. Er hat aber keine eigene Diözese, wäre somit dem Weihbischof der katholischen Kirche vergleichbar.

Mittelalter

Im Mittelalter bezeichnete man als Vikar auch die Stellvertreter weltlicher Machthaber.

Schulwesen

Auch im Schulwesen bezeichnete man bis etwa 1945 solche Pädagogen, die noch keinen Abschluss hatten, wegen des Lehrermangels dennoch schon eine Lehrerstelle zu vertreten hatten, als Vikare (z. B. in Sachsen). Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass das Schulwesen noch lange mit der Kirche verbunden war.

Quellenangaben

  1. Heribert Heinemann: § 34. Der Pfarrer. In: Joseph Listl, Hubert Müller, Heribert Schmitz: Grundriß des nachkonziliaren Kirchenrechts. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1980. ISBN 3-7917-0609-8, Seite 320: Pfarrvikar mit notwendigen Pfarrrechten, ständiger Stellvertreter, can. 471 des Codex Iuris Canonici 1917.
  2. Hugo Schwendenwein: Das neue Kirchenrecht. Gesamtdarstellung. Verlag Styria, Graz-Wien-Köln 1983, S.243-245. ISBN 3-222-11442-0

Literatur

Weblinks

Siehe auch

  • Vikariat: Begriffsklärungsseite zu verschiedenen Bedeutungen

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