Pieta Roettgen

Pieta Roettgen

Die Pietà Roettgen ist ein um 1300 bis 1350 im Mainzer Raum entstandenes, nach seinem letzten Besitzer, dem rheinischen Sammler Carl Roettgen (1837-1909), benanntes Kunstwerk. Es befindet sich heute im Rheinischen Landesmuseum Bonn.

Die expressive Plastik (89 cm hoch, Holz, farbig gefasst) ist ein Vesperbild, das wahrscheinlich ursprünglich zu Füßen eines Kreuzes stand - allerdings ist sie auf Untersicht gearbeitet, das heißt, sie stand vermutlich auf dem Sockel eines Kruzifixes. Die drastische Expressivität ist im Rahmen der spätmittelalterlichen Andachtsbilder zu verstehen: Die neu aufkommende individuelle Frömmigkeit verlangt nach persönlicher Hingabe und Empathie (Compassio) - entweder zur absoluten Trauer, oder der Schönheit der heiligen Gestalten, im speziellen Mariens. Der Gläubige erlebt in mystischer Weise die seelischen und körperlichen Schmerzen mit.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Auf dem untersten Sockel befindet sich eine kleine Zwischenplatte, die mit drei Stuckrosen geschmückt ist. Darüber ist eine weitere Platte gelegt, auf der rückwärts eine einfache Bank hochspringt. Maria sitzt gebeugt auf dieser Bank, den im rechten Winkel zu ihr positionierten, toten Christus auf ihren Knien haltend. Sie hält ihm mit der einen Hand die Knie und stützt mit der zweiten den leblosen Körper am Rücken. Ihr Gesicht ist schmerzerfüllt und sie blickt auf die Brust des toten Sohnes. Christus ist noch wesentlich drastischer dargestellt. Sein dürrer und ausgemergelter Körper scheint viel zu klein und hat jede Kraft verloren, sein mit der Dornenkrone noch geschmücktes übergroßes Haupt fällt in einem unnatürlichen Winkel nach hinten. Die Züge sind immer noch schmerzverzerrt - sein Mund leicht geöffnet und die Augen geschlossen. Aus den Wunden an seinen Händen, Füßen und an der Brust quillt das Blut in Tropfen hervor. Insgesamt sitzt er auffällig rechtwinkelig auf dem Schoß Mariens.

Interpretation

Die fünf Wunden Christi gelten als Zeichen der göttlichen Liebe (Minne). Die auffällige Seitenwunde spielt auf die Verehrung des Herzen Jesu an, dessen Blut im katholischen Glauben in der Eucharistie verehrt wird (Transsubstantiation: durch die Konsekrationsworte in der Messfeier wird der Wein zum heiligen Blut Christi gewandelt). Ebenfalls auf den eucharistischen Wein und das Selbstopfer Christi verweisen die Blutstropfen in Traubenform: Sie deuten auf Christus als den mystischen Weinberg.

Literatur

  • Rolf Toman: Gotik. Architektur - Skulptur - Malerei. Ullmann & Könemann 2004
  • Robert Suckale: Geschichte der Kunst in Deutschland. Dumont 2005

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Pietà Roettgen — Die Pietà Roettgen ist ein um 1300 bis 1350 im Mainzer Raum entstandenes, nach seinem letzten Besitzer, dem rheinischen Sammler Carl Roettgen (1837 1909), benanntes Kunstwerk. Es befindet sich heute im Rheinischen Landesmuseum Bonn. Die… …   Deutsch Wikipedia

  • Meisters der Pietà Roettgen — Als Meister der Pietà Roettgen wird der mittelalterliche Bildschnitzer am Mittelrhein bezeichnet, der um 1360 eine Figur Marias mit dem Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Christus geschaffen hat. Diese Form der Darstellung der Schmerzensmutter… …   Deutsch Wikipedia

  • Roettgen — ist der Familienname folgender Personen: Carl Roettgen (1837–1909), deutscher Kunstsammler Siehe auch: Pietà Roettgen, um 1300 bis 1350 im Mainzer Raum entstandenes, nach seinem letzten Besitzer, dem rheinischen Sammler Carl Roettgen, benanntes… …   Deutsch Wikipedia

  • Pietà — von Pietro Perugino Die Pietà (italienisch: ‚Frömmigkeit, Mitleid‘, dt. auch Vesperbild, nichtfachsprachlich auch Pieta) ist in der bildenden Kunst die Darstellung Marias als Mater Dolorosa mit dem Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Jesus… …   Deutsch Wikipedia

  • Carl Roettgen — Carl Franz Michael Roettgen[1] (* 30. September 1837 in Bonn; † 17. März 1909 in Bonn) war ein deutscher Kunstsammler in einer Reihe mit den rheinischen Sammlern Ferdinand Franz Wallraf, Melchior und S …   Deutsch Wikipedia

  • Vesperbild — Pietà von Pietro Perugino Die Pietà (italienisch: Frömmigkeit, Mitleid; auch: Vesperbild) ist in der bildenden Kunst die Darstellung Marias als Mater Dolorosa mit dem Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Jesus Christus. Das Motiv ist in der… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Notnamen — Dies ist eine Liste von Notnamen anonymer, nach einem ihrer Kunstwerke oder typischen Stilmerkmale benannter mittelalterlicher bildender Künstler sowie einiger bildender Künstler der Renaissance und des Barocks. Es sind dies also Maler, Buchmaler …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”