Pilonidalzyste

Pilonidalzyste
Klassifikation nach ICD-10
L05 Pilonidalzyste
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Der Sinus pilonidalis (lat. von pilus: Haar und nidus: Nest) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Gesäßfalte (Rima ani). Synonyme für die Erkrankung sind Steißbeinfistel, Pilonidalzyste oder Sacraldermoid. Nach häufiger Auffassung wird die Erkrankung durch in die Haut penetrierende Haare verursacht. Andere Meinungen gehen von einer angeborenen (kongenitalen) Missbildung aus. Auch Traumata (beispielsweise durch Stürze verursacht) werden als mögliche Ursache diskutiert.

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

Der chronische Sinus pilonidalis ist eine häufige Erkrankung mit einer geschätzten jährlichen Inzidenz von 26 auf 100.000 Einwohner. Da Männer weitaus häufiger als Frauen betroffen sind und der Altersgipfel im 20.-30. Lebensjahr liegt, ist die Erkrankung vor allem bei Soldaten ein nicht unbeträchtliches Gesundheitsproblem. Aufgrund des gehäuften Auftretens bei amerikanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg wird die Erkrankung im englischen Sprachraum auch Jeep's disease oder auch Jeep driver's disease beziehungsweise Jeep rider's disease genannt. Bei Bundeswehrsoldaten beträgt die jährliche Inzidenz etwa 150 auf 100.000.

In seltenen Fällen kann das Krankheitsbild bei Frisören zwischen den Fingern (interdigital) auftreten und wird durch eingedrungene Schnitthaare verursacht, weshalb die Krankheit auch als „Zwischenfingerhaartaschenerkrankung“ oder eben „Friseurkrankheit“ bezeichnet wird.

Ursachen

Es gibt zwei Theorien zur Ursache.

Angeborene Pilonidalzyste

Laut dieser Theorie verbleibt nach der Embryonalzeit eine Öffnung am Ende des Neuralrohres (Neuroporus) erhalten. Diese Öffnung stellt eine Verbindung zwischen Steißbeinspitze und Analrand dar.

Erworbene Pilonidalzyste

Die Pilonidalzyste entsteht durch das Eindringen von Haaren und Epidermis.

Stadien

Fistelöffnung oberhalb des Steißbeines

Blande Verlaufsform

Die blande (milde) Verlaufsform ist die schwächste Form. Sie zeigt keinerlei Entzündungszeichen auf. Nur wenige Fistelöffnungen sind an der Hautoberfläche zu finden (1-2).

Akut abszedierende Verlaufsform

Durch Reibung der Pobacken aneinander kommt es gerade bei starker Behaarung zu einer Einspießung von Haaren in die Haut. Diese wirken per se bereits als Fremdkörper und bilden zudem eine Leitstruktur für Keime, die in dieser Region regelmäßig in großer Zahl vorkommen. Kommt noch starkes Schwitzen hinzu, so besteht ein für Bakterien optimales feucht-warmes Milieu. Die Folge sind eine starke Entzündung und Eiterbildung. Ein enger (apfelförmiger) Po, sowie Übergewicht gelten als ungünstige Faktoren.

Chronischer fistelnder Verlauf

Es finden sich keine akuten Entzündungszeichen, dafür aber eine dauerhafte Absonderung (Fistelsekretion) in Form von Eiter oder blutiger Flüssigkeit. Es besteht Juckreiz, die Unterwäsche wird mit Eiter oder Blut verschmiert. Es schmerzt kaum.

Diagnosestellung

Die Diagnosestellung ist auf Grund der Krankheitsgeschichte und Schilderung der Beschwerden relativ einfach. Eine einfache Untersuchung in der Steißbeinregion genügt. Sowohl Beschwerden im chronischen Stadium (Schmerzen, Sekretion), als auch als Komplikation auftretende Abzedierungen, begründen die Therapiebedürftigkeit. Typischer und diagnoseweisender Befund sind kleine Fistelöffnungen und/oder schmerzhafte Schwellungen in der Gesäßfalte beziehungsweise am Steissbein, welche das Sitzen erschweren.

Therapie

OP-Tisch mit ausgeschnittenem Hautareal
Wunde nach Entfernung des Sinus pilonidalis
Primärer Wundverschluss mit Drainagen

Als einzig erfolgversprechende Therapie des chronischen Sinus pilonidalis ist bisher die chirurgische Exzision anerkannt. Bei der klassischen Operation wird die Fistel meist mit Methylenblau gefärbt, um das gesamte betroffene Gewebe großflächig zu exzidieren. Um ein Rezidiv zu vermeiden, wird bis auf die Knochenhaut des Steißbeins geschnitten und anschließend abgeschabt. Die Operation verläuft in der Regel unter Vollnarkose, bei weniger schweren Fällen (kleines, noch nicht entzündetes Fistelsystem) auch unter örtlicher Betäubung. Es kann ein Krankenhausaufenthalt von drei bis vier Tagen nötig sein. Immer öfter aber werden diese Operationen ambulant durchgeführt.

Wird nach der Exzision eine offene Wundbehandlung (sekundäre Wundheilung) durchgeführt, resultiert eine lange Krankheitsdauer der Patienten, je nach Größe des Befundes bis zu mehreren Monaten. Die Vakuumtherapie ist eine Methode um eine sekundäre Wundheilung zu beschleunigen, die Kosten werden aber für den ambulanten Bereich in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. Ein Vorteil der offenen Wundbehandlung ist die laut McCallum et al. geringere Rate von Rezidiven.

Eine schnellere Genesung wird durch den Primärverschluss (Zunähen) der Wundhöhle angestrebt. Aufgrund der infektiösen Krankheitsgenese und der anatomisch ungünstigen Lage der Wunde bei symmetrischer Exzision und Wundverschluss in der Mittellinie sind Wundheilungsstörungen häufig, sie treten bei bis zu 40% der Patienten auf. Ein weiteres Problem stellt die hohe Rezidivrate von bis zu 20% innerhalb von drei Jahren dar.

Ausgehend von pathophysiologischen Überlegungen wurde von Karydakis ein alternatives Operationsverfahren entwickelt, dessen Kernelement in der asymmetrischen Exzision des Sinus liegt, so dass die resultierende Wunde außerhalb der Mittellinie zu liegen kommt. Mehrere Varianten dieser Operationsmethode, bis hin zu aufwändigen Lappenplastiken wurden entwickelt, das wesentliche Ziel all dieser Methoden ist die Verlagerung der Wunde bzw. Narbe aus der Mittellinie, um Wundheilungsstörungen und Rezidive zu verhindern.

Auch bei der von John Bascom, Eugene (Oregon), beschriebenen Operationstechnik ist ein Grundprinzip die Vermeidung größerer Inzisionen in der Mittellinie. Hier werden in der Mittellinie nur reiskorngroß die Ausgangspunkte der abszedierenden Entzündung, die eingewachsenen Haarfollikel („pits“) ausgeschnitten, die Fistel unter Schonung des umgebenden Gewebes bis in die Tiefe freipräpariert und die Abszesshöhle von einer seitlichen Inzision ausgeräumt. Eine radikale Ausschneidung lässt sich so meist vermeiden, der Gewebsdefekt minimieren und die Heilungszeit erheblich abkürzen.

Prophylaxe

Es hat sich bewährt, die Behaarung der Anogenitalregion mittels Laser-Epilation zu beseitigen. Normale Enthaarung reicht nicht aus, da das Haar nicht vollständig entfernt wird.

Literatur

  • Bascom J.U. (1994): Procedures for pilonidal disease. Rob & Smiths Operative Surgery. Surgery of the Colon, Rectum and Anus. 5ths edition, Chapman & Hall, London - Glasgow - New York - Melbourne
  • Bascom J. (1983): Long-term Results of Follicle Removal. Dis Colon Rectum, 26:12; 800-807
  • Downs AM, Palmer J (2002) Laser hair removal for recurrent pilonidal sinus disease. J Cosmet Laser Ther 4: 91
  • Hegele A et al. (2003) Reconstructive surgical therapy of infected pilonidal sinus. Chirurg 74: 749-752
  • Hodges RU (1880) Pilonidal sinus. Boston Med Surg J 103: 485
  • Matsushita S et al. (2002) A case of squamous cell carcinoma arising in a pilonidal sinus. J Dermatol 29: 757-758
  • McCallum IJ et al. (2008) Healing by primary closure versus open healing after surgery for pilonidal sinus: systematic review and meta-analysis. BMJ 336: 868-871 http://www.bmj.com/cgi/content/full/336/7649/868
  • Sondenaa K et al. (2002) Influence of failure of primary wound healing on subsequent recurrence of pilonidal sinus. combined prospective study and randomised controlled trial. Eur J Surg 168: 614-618
  • Testini M et al. (2001) Treatment of chronic pilonidal sinus with local anaesthesia: a randomized trial of closed compared with open technique. Colorectal Dis 3: 427-430

Siehe auch

Weblinks

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