Pingo

Pingo
Pingos in der Nähe von Tuktoyaktuk, Northwest Territories, Canada

Ein Pingo (Plural: Pingos; Inuktitut für Hügel, schwangere Frau[1]) ist eine isoliert stehende, rundliche Bodenerhebung (bzw. ein Hügel) in Gebieten mit Permafrost, die durch eine im Boden befindliche Eislinse entsteht. Ein Pingo besteht aus einem Eiskern (einer Eislinse aus reinem Eis) und dem darüber lagernden, durch die Eislinse angehobenen Erdreich. Die geologische Fachbezeichnung ist Hydrolakkolith.

Inhaltsverzeichnis

Genese

Pingo im östlichen Grönland

Die Entstehung der Eislinse eines Pingo ist an das Vorhandensein von Wasser in oberflächennahen Bodenschichten gebunden, das unter der Erdoberfläche zu Eis gefriert und so die überlagernde Bodenschicht anhebt. Das Wasser im Boden gefriert dabei nicht flächig in den einzelnen Bodenporen, sondern friert systematisch an einen immer weiter wachsenden, zentralen Eiskern an, der mehrere Tausend Kubikmeter groß werden kann. Dieses hierarchische Wachstum des Eiskerns eines Pingo lässt sich wahrscheinlich mit Hilfe des Bergeron-Findeisen-Prozesses, der generell das systematische Wachsen von Eis auf Kosten von umgebendem flüssigem und gasförmigem Wasser beschreibt, erklären. Zumindest das initiale Entstehen des Eiskerns kann auf diese Weise verstanden werden.

Mit fortschreitendem Wachstum des Pingo nach der Initialphase wird noch ein weiterer Prozess wirksam: Mit zunehmendem Gewicht der wachsenden Eislinse sowie durch die Volumenausdehnung des Eises beim Gefrieren kommt es zur Auspressung von Wasser aus den die Eislinse umgebenden (aufgetauten) Bodenschichten, wobei das ausgepresste Wasser wiederum an die Eislinse anfriert und somit einen Selbstverstärkungseffekt initiiert. Das für die Bildung eines Pingos benötigte Wasser wird somit sozusagen vom Pingo selbst beschafft. Die Volumenausdehnung beim Gefrieren des Wassers ist letztendlich auch verantwortlich für die Anhebung des Erdreichs über der Eislinse, die dem Pingo seine charakteristische, meist symmetrisch rundliche Form verleiht.

Die Eislinse eines Pingos hat ein durchschnittliches vertikales Wachstum von 0,2 m pro Jahr, wobei die Wachstumsgeschwindigkeit je nach den vorherrschenden klimatischen Bedingungen und dem Wasserangebot erheblichen Schwankungen unterliegen kann. Manchmal sind Schichtungen der Eislinse vorhanden, was möglicherweise auf Jahresschichtung deutet. Generell können Pingos während sommerlicher Tauperioden (ebenso wie der Permafrost) angeschmolzen werden. Kleine Seen, die sich oft auf dem Hügel von Pingos bilden, werden davon in ihrer Entstehung beeinflusst. Bedingt durch das oberflächliche sommerliche Tauen wandern die Eisschichten der Eislinse eines Pingos außerdem nach oben.

Kollabierte, fossile Pingos sind Anzeichen für das ehemalige Vorhandensein von Permafrost und daher Indikatoren kälterer Klimaperioden.

Fundorte

Pingos sind typische Formen des Permafrostgebietes und daher im nördlichen Amerika verbreitet, in Nordsibirien, im Nordural, auf Grönland, im Gebiet der Antarktis sowie in Alaska und auf Spitzbergen. In Sibirien sind Pingos unter dem jakutischen Begriff bulganniakh bekannt. Die Inuit im Norden Kanadas nutzen Pingos gelegentlich als Kühlhäuser.

Systematik der Pingogenese/ Pingotypen

Man unterscheidet hinsichtlich ihrer Entstehung und Morphologie zwischen Pingos des offenen oder hydraulischen Systems und Pingos des geschlossenen oder hydrostatischen Systems. Das unterscheidende Kriterium ist dabei der Wassernachschub: Ist dieser begrenzt, entstehen Pingos des geschlossenen Wasserversorgungssystems. Ist er dagegen unbegrenzt, entstehen Pingos des offenen Wasserversorgungssystems.

Pingo des geschlossenen Wasserversorgungssystems

Begrenzte Wasserverfügbarkeit lässt Pingos des geschlossenen Systems entstehen (auch als hydrostatisches System bezeichnet). Das Wasser für diesen Typ wird aus einem Bereich ungefrorenen Erdreichs bezogen, der nach den Seiten und nach unten von wasserundurchlässigem Material umschlossenen ist (z. B. Permafrost, Gestein). Der in seinem Volumen begrenzte Bereich wasserhaltigen Erdreichs (oftmals punktuell getauter Permafrost, Talik) wird solange Wasser nachliefern und zur Vergrößerung der Eislinse beitragen, wie die Volumenausdehnung des Eiskerns Wasser aus dem Boden auszupressen vermag. Das Pingowachstum stagniert, sobald kein weiteres Wasser vom Eiskern ausgepresst werden kann. Dies ist spätestens dann der Fall, wenn der ehemals ungefrorene Boden wieder komplett durchgefroren ist. Oft bilden sich Pingos auch in verlandeten Seen oder Tümpeln. Anhand der limnischen Sedimente können sie dann von Pingos des offenen Systems unterschieden werden.

Pingos des geschlossenen Systems werden ca. 5 bis 20 m hoch und haben Durchmesser zwischen ungefähr 40 und 100 m. Die Entstehung ist überall dort begünstigt, wo Permafrost punktuell auftaut, z. B. durch Änderung der Oberflächenalbedo infolge von Waldrodungen.

Pingos des offenen Wasserversorgungssystems

Im Gegensatz zu den Pingos des geschlossenen Systems entstehen Pingos des offenen Systems an Orten mit theoretisch unbegrenzter Wasserverfügbarkeit (auch als hydraulisches System bezeichnet). Solche Orte können z. B. sub- oder intrapermafrostliche Aquifere oder Hangfußquellen sein, die während des Winters nicht zufrieren oder aber nach der sommerlichen Wasserführung leer laufen und daher für weitere Wassernachlieferung (im nächsten Sommer) offen bleiben. Die Eiskerne von Pingos des offenen Systems wachsen bevorzugt von ihrer Basis aus (denn hier befindet sich die Wasserzufuhr), während die Pingos des geschlossenen Systems zu allen Seiten hin wachsen können.

Pingos des offenen Systems können wegen ihrer besseren Wasserversorgung größer als Pingos des geschlossenen Systems werden. Die Durchmesser erreichen ca. 100 bis 1000 m und die Höhen ca. 40 bis 50 m. Die Form von Pingos des offenen Systems kann von der typisch symmetrischen Rundform abweichen, je nachdem, wo an der Eiskernbasis die Wasserverfügbarkeit bzw. die Geschwindigkeit der Eisbildung am höchsten ist, wobei dies zu verschieden Zeiten an verschiedenen Stellen der Eiskernbasis der Fall sein kann.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Parriaux, A.: "Géologie - bases pour l'ingénieur", Lausanne, 2006, p. 330

Weblinks

Bilder von Pingos und weitere Informationen:


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