- Piraha
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Pirahã Gesprochen in
Brasilien Sprecher 250–350[1] Linguistische
Klassifikation- Mura
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- Pirahã
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Offizieller Status Amtssprache von – Sprachcodes ISO 639-1: –
ISO 639-2: sai
ISO 639-3: Pirahã ist der Name einer vom gleichnamigen Stamm im Amazonasgebiet Brasiliens gesprochenen Sprache, die als die einzige heute noch gesprochene Sprache der Mura-Sprachfamilie gilt.
Pirahã hat seit 2005 eine große Debatte unter Linguisten ausgelöst, die auch ein beträchtliches Echo in den Medien erfahren hat. Grund dafür ist, dass Daniel L. Everett, der Linguist, der hauptsächlich mit der Sprache gearbeitet hat, behauptet, dass die Sprache in zahlreichen Punkten extrem ungewöhnlich ist und strukturell massiv von anderen, auch „exotischen“, Sprachen abweicht.
Inhaltsverzeichnis
Linguistische Besonderheiten
Unter den genannten außergewöhnlichen Eigenschaften der Sprache sind z. B.
- Abwesenheit von Rekursion, d. h. keine Möglichkeit zur Bildung hypotaktischer Strukturen, was insbesondere für die chomskyanische Linguistik, die Rekursion für ein zentrales Strukturmerkmal aller Sprachen hält, relevant ist
- Lediglich zwei Zahlwörter: hói „eins“ und hoí „zwei“; keine grammatische Unterscheidung zwischen Singular und Plural. In neueren Arbeiten behauptet Everett sogar, dass diese Zahlwörter fehlten und eine bessere Entsprechung dafür „wenige“ und „viele“ wären.
- Keine genuinen Farbbezeichnungen im eigentlichen Sinn („rot“, „schwarz“ usw.). Sprecher können Farben nur durch Verwendung anderer charakteristisch gefärbter Gegenstände bezeichnen (z. B. „wie Blut“, „wie Kohle“ usw.).
- Eines der einfachsten bekannten Pronominalsysteme, die vorhandenen Pronomina sind dazu womöglich erst kürzlich aus einer Tupí-Guaraní-Sprache entlehnt worden.
- Das einfachste bekannte System zum Ausdruck von Verwandtschaftsverhältnissen. Ein einziges Wort, baíxi (gesprochen [màíʔì]), bezeichnet sowohl Mutter als auch Vater. Die Pirahã scheinen Verwandtschaft nicht weiter als bis zu den biologischen Kindern zu verfolgen.
Darüber hinaus nehme Pirahã mit lediglich 10 Phonemen eine Sonderstellung unter allen Sprachen ein. Diese Analyse ist allerdings umstritten.
Pirahã und die Sapir-Whorf-Hypothese
Die Sapir-Whorf Hypothese besagt, dass Sprache das Denken formt.
Dies scheint sich im Fall der Pirahã zu bestätigen. Obwohl noch diskutiert wird, ob die Sprache über Zahlwörter für „eins“ und „zwei“ verfügt oder nicht, steht außer Frage, dass keine größeren Zahlen vorhanden sind. Für sie benutzen die Pirahã nur ungefähre Angaben und waren in Experimenten nicht in der Lage, zuverlässig zwischen einer Gruppe von vier Objekten und fünf ähnlich gruppierten Objekten zu unterscheiden. Bittet man sie Gruppen von Objekten nachzubilden, gelingt es ihnen im Durchschnitt, die richtige Anzahl zu wählen, jedoch schaffen sie das fast nie beim ersten Versuch.
Da sie (zu Recht) befürchten, deswegen beim Handeln betrogen zu werden, baten sie Daniel Everett, ihnen einfache Arithmetik beizubringen. Nach acht Monaten enthusiastischen aber fruchtlosen Lernens gaben sie auf und stellten fest, dass sie nicht in der Lage sind, die Thematik zu fassen. Nicht ein einziger Pirahã hatte gelernt, bis 10 zu zählen oder 1 + 1 zu addieren.[2]
Everett argumentiert, die Pirahã könnten aus zwei kulturellen und einem formalen sprachlichen Grund nicht zählen. Zunächst sind sie Jäger und Sammler und hätten nichts zum Zählen, demnach auch keine Gelegenheit, um das Zählen zu praktizieren. Des Weiteren gebe es einen kulturellen Druck gegen das Generalisieren über die Gegenwart hinaus, was Zahlwörter eliminiere. Außerdem sei das Zählen und Zahlwörter auf Rekursion in der Sprache basiert, was sich auf Grund der einfachen Satzstruktur der Pirahã nicht ausdrücken lasse. Everett behauptet jedoch nicht, die Pirahã seien geistig nicht in der Lage zu zählen.
Einzelnachweise
- ↑ Dan Everett: Cultural Constraints on Grammar in PIRAHÃ: A Reply to Nevins, Pesetsky, and Rodrigues. März 2007.
- ↑ Daniel L. Everett: Cultural Constraints on Grammar and Cognition in Pirahã. In: Current Anthropology. Bd. 46/4, 2005, S. 621–646.
Literatur
- Daniel L. Everett: A língua Pirahã e a teoria da sintaxe. Descrição, perspectivas e teoria. Editora UNICAMP, Campinas (SP) 1991.
Weblinks
- Literatur über die Pirahã im Katalog des Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin
- Mura
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