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Léon Poliakov (russisch Леон Поляков; * 25. November 1910 in St. Petersburg; † 8. Dezember 1997 in Orsay) war ein französischer Historiker. Schwerpunkte seiner Forschung waren Rassismus, Antisemitismus, jüdische Geschichte und der Holocaust. Bis zu seiner Emeritierung war er Doktor der Philosophie an der Sorbonne sowie Forschungsleiter am Centre national de la recherche scientifique in Paris.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Léon Poliakov wurde 1910 als Sohn eines jüdischen Verlegers in St. Petersburg geboren. 1920 flüchtete seine Familie vor den Bolschewiki nach Frankreich. Er verbrachte einige Zeit in Italien und in Deutschland, wo er als Jugendlicher den Aufstieg des Nationalsozialismus erlebte, woraufhin er endgültig nach Frankreich emigrierte.
Poliakov studierte Jura und Literaturwissenschaft in Paris. Anschließend arbeitete als Journalist und wandte sich historischen Forschungen zu. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs trat er in die französische Armee ein. Am 13. Juni 1940 geriet er bei Saint-Valéry-en-Caux mit seinem Bataillon in deutsche Kriegsgefangenschaft. Drei Monate später flüchtete er aus dem Kriegsgefangenenlager in Doullens und schlug sich unter dem Namen Robert Paul nach Südfrankreich durch. Er schloss sich der Résistance an, wo er den jüdischen Widerstand maßgeblich mitorganisierte.
Im Jahre 1943 gründete Poliakov zusammen mit Isaac Schneersohn und weiteren untergetauchten Mitgliedern verschiedener jüdischer Gemeinden das Centre de documentation juive contemporaine, welches Urkunden und Beweise sammelte um die die Verfolgung der Juden in Frankreich zu dokumentieren. Nach dem Krieg war Poliakov als Prozessbeobachter bei den Nürnberger Prozessen akkreditiert, wo er Edgar Faure, dem Leiter der französischen Delegation, als Berater und Dolmetscher zur Seite stand.
Nach Recherche in deutschen Archiven und Auswertung zahlreicher Augenzeugenberichte veröffentlichten Poliakov und François Mauriac 1951 unter dem Titel Bréviaire de la haine (Saat des Hasses) die erste umfangreiche Studie über den Judenhass und die Vernichtungspolitik der Nazis, sowie deren historische und geistesgeschichtliche Wurzeln. Poliakov kritisierte das Schweigen von Papst Pius XII. zu den Verbrechen der Nazis und machte das Christentum für die Judenvernichtung mitverantwortlich. Seine achtbändige Studie zur Geschichte des Antisemitismus von der Antike bis zum 20. Jahrhundert gilt heute als Standardwerk der Antisemitismusforschung. In Le mythe aryen (Der arische Mythos) untersuchte Poliakov unter Berücksichtigung von Erkenntnissen aus Anthropologie, Philosophie, Psychoanalyse, Religions- und Sprachwissenschaft, wie sich der Mythos des Ariers und seiner Überlegenheit seit der Antike allmählich herausbildete um schließlich im 19. und 20. Jahrhundert zum festen Bestandteil abendländischen Denkens zu werden.
1989 wurde Poliakov als Chevalier de la Légion d'honneur (Ritter der Ehrenlegion) ausgezeichnet. Er starb am 8. Dezember 1997 im Alter von 87 Jahren im französischen Orsay.
Zitate
- Ich wollte wissen, warum man mich töten wollte gemeinsam mit Millionen anderer menschlicher Wesen.[1]
Werke (Auswahl)
- Léon Poliakov: Geschichte des Antisemitismus in 8 Bänden, Heintz Verlag, Worms:
- Von der Antike bis zu den Kreuzzügen. - 1977 ISBN 3-921333-99-7
- Das Zeitalter der Verteufelung und des Ghettos. - 1978 ISBN 3-921333-96-2
- Religiöse und soziale Toleranz unter dem Islam. - 1979 ISBN 3-921333-93-8
- Die Marranen im Schatten der Inquisition. - 1981 ISBN 3-921333-98-9
- Die Aufklärung und ihre judenfeindliche Tendenz. - 1983 ISBN 3-921333-88-1
- Emanzipation und Rassenwahn. - 1987 ISBN 3-921333-86-5
- Zwischen Assimilation und "jüdischer Weltverschwörung". - 1988 ISBN 3-610-00417-7
- Am Vorabend des Holocaust. - 1988 ISBN 3-610-00418-5
- Léon Poliakov: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus, Junius Verlag, Hamburg 1993, ISBN 3-88506-220-8
- Léon Poliakov: Vom Antizionismus zum Antisemitismus, Ça-Ira-Verlag, Freiburg 1992, ISBN 3-924627-31-2
- Léon Poliakov, Christian Delacampagne, Patrick Girard: Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Luchterhand-Literaturverlag, Hamburg 1992, ISBN 3-630-71061-1
- Léon Poliakov, Joseph Wulf: Das Dritte Reich und seine Diener, Fourier Verlag, Wiesbaden 1989, ISBN 3-925037-45-4
- Léon Poliakov, Joseph Wulf: Das Dritte Reich und seine Denker, Fourier Verlag, Wiesbaden 1989, ISBN 3-925037-46-2
- Léon Poliakov, Joseph Wulf: Das Dritte Reich und die Juden, Fourier Verlag, Wiesbaden 1989, ISBN 3-925037-44-6
Memoiren
- Léon Poliakov: L'Auberge des Musiciens, 1981, ISBN 2-86374-072-5
Weblinks
- Literatur von und über Léon Poliakov im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiographie von Léon Poliakov auf der Seite des Mémorial de la Shoah in Paris (französisch)
- Nordische Entkümmerer Der Spiegel vom 4. Mai 1960, Seite 55
- Höllische Dreifaltigkeit Der Spiegel vom 26. November 1983, Seite 238-242
Einzelnachweise
- ↑ GESTORBEN Léon Poliakov Der Spiegel 51/1997 vom 15. Dezember 1997, Seite 234
Personendaten NAME Poliakov, Léon KURZBESCHREIBUNG französischer Historiker und Philosoph, Rassismus- und Antisemitismusforscher, Forschungsleiter am Centre national de la recherche scientifique in Paris GEBURTSDATUM 25. November 1910 GEBURTSORT St. Petersburg STERBEDATUM 8. Dezember 1997 STERBEORT Orsay
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