Polstern

Polstern

Polstern ist die Berufstätigkeit des Polsterers oder des Raumausstatters. Der Polsterer übt seine Tätigkeit in der Industrie aus, der Raumausstatter im Handwerk.

Es werden Polstermöbel, Stühle und Matratzen (Auflagen) hergestellt. Das Anfertigen und Aufarbeiten von Polsterungen im Automobilbereich wird vom Fahrzeugsattler ausgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Technik

Auch in diesem Berufsfeld hat sich die Arbeitstechnik im Laufe der letzten einhundert Jahre gewandelt. Anfangs wurden für Sitze und Bänke nur Lederstücke auf einen Holzrahmen genagelt. Später wurde mit verschiedenen Werkstoffen, z. B. Stroh gepolstert, um die Bequemlichkeit zu erhöhen.

Technische Zeichnung eines klassisch gepolsterten Sessels.
Einarbeiten von Füllmaterial

Bis etwa 1960 sah die Herstellung eines Polstermöbels wie folgt aus: Auf ein Gestell aus Hartholz (meist Buche, bei sichtbaren Holzteilen auch Kirsche, Eiche, Teak und andere) werden kreuzweise Gurte gespannt und mit Gurtnägeln befestigt. Auf diese Gurte werden Sprungfedern genäht. Um diesen Federn Halt zu geben, werden sie miteinander verschnürt. Hierbei haben sich verschiedene Schnürtechniken entwickelt. Man unterscheidet die deutsche und die französische Schnürung.

  • Die deutsche Schnürung wird auch Matratzenschnürung genannt. Sie findet normalerweise in sehr tiefen und geraden Sitzen oder Liegemöbeln Anwendung und ist an der diagonal verlaufenden Zwischenschnur erkennbar.
  • Die weitaus häufiger angewandte Schnürung ist die französische Schnürung für kleinere Möbel (bis 4, maximal 5 Federreihen).

Mittels verschiedener Knotenarten (Knoten, Schlinge, Bohne, Doppelbohne) werden die Sprungfedern in die Form gebracht, die dem späteren Möbel entspricht. Interessant ist hier, dass die Federn nicht senkrecht stehen. Sie werden so ausgerichtet, dass sie „beim Sitzen“, also beim Niederdrücken, die senkrechte Stellung einnehmen und so einen maximalen Sitzkomfort ermöglichen. Diese Technik ist dem heutigen (Federkern) in Bezug auf Haltbarkeit und Bequemlichkeit weit überlegen. Durch den hohen handwerklichen Aufwand ist sie allerdings kostspieliger geworden.

Auf diese Sprungfederkonstruktion wird nun ein Bezug aus Jutegewebe (Federleinen 365/120, hessian-bugging, leinwandbindig) aufgebracht und zuerst, um Reibung und somit vorzeitigen Verschleiß zu vermeiden, wird dieses Gewebe an den Federn bzw. am Kantendraht festgenäht. Erst danach wird das Federleinen mit entsprechender Lose auf dem Gestell vernagelt. Auf dieses Gewebe wird nun ein lockeres Material aus Afrik (Palmfasern) oder Kokos aufgebracht und gleichmäßig verzupft. Um den Auftrag des Materials zu erleichtern, wird ein Lassierstich angewandt; hierbei entstehen „Fächer“, in die das Füllmaterial eingebracht wird. Es folgt eine weitere Lage eines Jutegewebes. Das Fassonleinen (210/120) ist ein geschmeidiges, grob-gewebtes Leinen, welches sich hervorragend an die gewünschte Form anpasst, ohne Falten zu schlagen. Dieses wird nun „garniert“: das Füllmaterial wird mit einer speziellen Handnähtechnik in Form gebracht (Leiterstich/Vorderstiche/Hinterstich und bei Empiremöbeln den Schweinsrückenstich für eine „scharfe Kante“).

Das Ergebnis ist die „Fasson“ (franz.: Form). Die endgültige Form des Polstermöbels ist nun fertiggestellt. Um den Sitzkomfort weiter zu erhöhen, werden erneut Lassierstiche aufgebracht um eine Schicht aus Rosshaar oder Elancrin (veredelte Kokosfaser) zu befestigen. Dies nennt man Pikierung. Das Material wird hierzu ebenfalls gleichmäßig verzupft. Den Abschluss bildet eine Lage weiche Polsterwatte (besteht aus gereinigter, dann geschredderter Altkleidung, Wolle und verschiedenen Tierhaaren). Empfehlenswert ist es, vor dem Aufziehen des Möbelstoffes einen Weißbezug aufzuziehen. Dieser wird mit Nessel (leinenbindiger Baumwollstoff) ausgeführt. Vorteil ist hierbei, dass man die Form des Sitzes schön ausarbeiten kann, zudem erleichtert er auch das Ausstecken (Heften) des Bezugsstoffes. Weiterhin verlängert dieser gesonderter Bezug auch nicht unwesentlich die Haltbarkeit des Bezugsstoffes. Bei ganz feinen Stoffen wie z.B. Damasten oder Brokaten ist der Weißbezug sogar dringend zu empfehlen.

Nun fehlt nur noch der Bezug aus einem Möbelstoff. Dieser Bezug wird – je nach Möbelform – angenagelt/getackert und/oder angenäht. Die Abseiten des Möbelstückes (Seitenteile/Rückfronten) werden zuerst mit Spannpappe verschlossen, welche wattiert wird. Danach folgt der Stoffbezug (Spannteile). Stellen, an denen mehrere Stücke Stoff miteinander vernäht werden müssen, werden durch Posamenten, z.B. Kordeln, Keder o.ä verziert. Profis vernähen die Außenspannteile per Maschine und verkleiden die gesamte Abseite mit einem Stück Möbelstoff; eine Kaschierung der Ansatzstellen mittels Borte, Gimpe oder Bordüre gilt eher als unfachgerecht.

Für sichtbare Nagelungen können Ziernägel, Marabu, Gimpen oder Borten, die in verschiedenen Ausführungen verfügbar sind, verwendet werden. Neuester und modernster Abschluss ist der Doppelkeder. Hierfür wird ein Stoffstreifen um ein Profil genäht. In der Rille des Profiles wird dann der Doppelkeder angetackert. Durch den Druck der Klammern pressen die 2 Wülste aneinander und verdecken die Klammern.

Werkzeug

Polsterer und Sattler oft die gleiche Person!
Werkzeug eines Polsterers

Der Polsterer kommt mit relativ wenig Werkzeug aus. Das sollte aber in guter Qualität vorhanden sein. Hier eine Übersicht über die wichtigsten Werkzeuge:

Hammer
Einen guten Polsterhammer mit Rundkopf 8 mm für das Einschlagen der Paschnägel. Für die Gurtnägel braucht es einen stärkeren mit 13 mm. Einen Schlosserhammer für das Einschlagen von Nieten oder Ösen und einen Holzhammer für Abrissarbeiten mit dem Geissfuss.
Scheren
Eine gute Zuschneideschere mit langer Klinge für das Zuschneiden des Bezugsstoffes. Eine kleinere für Feinarbeiten und eine handliche kleine für Arbeiten mit der Nähmaschine.
Zangen
Von gutem Nutzen ist ein Seitenschneider für das entfernen der Klammern. Eine Flach- oder Kombizange für diverse Arbeiten an Stoff oder Leder. Ebenso eignen sich Beisszangen ideal für Abrissarbeiten bei größeren Nägeln.
Ahlen und Schraubenzieher
Wichtig sind Schraubenzieher aller Größen in Schlitz, Kreuz oder Torx Varianten. Eine spitze Ahle für das Lockern der Klammern.
Geissfuss
Dieses Werkzeug, auch Ziegenfuss genannt, braucht man zum Herausnehmen der Nägel. Wichtig ist, dass man diesen mit dem Holzhammer benützt. Schont das Werkzeug und der Holzhammer ist viel leichter. Ein ähnliches Werkzeug ist das Losschlageisen. Mit diesem kann man Blenden oder ähnliches vom Gestell lösen.
Messer
Gute, scharfe Messer sind bestens geeignet für das Abtrennen des überflüssigen Stoffes. Dazu kann man ein Teppichmesser oder einen sogenannten Halbmond benützen. Ein kleines Schnitzermesser eignet sich gut für schwer zugängliche Stellen.
Sägen und Raspel
Eine kleine Metallsäge für das Zurechtschneiden des Kantendrahtes. Für den Schaumstoffzuschnitt eignet sich eine elektrische Schaumstoffsäge bestens. Für gerade Schnitte reicht auch eine Handsäge oder scharfes Messer aus. Einen Holzraspel braucht es zum abrunden von scharfen Holzkanten.
Nadeln
Ein gutes Sortiment an gebogenen Polsternadeln in allen Größen und Stärken für die Handnähte und Fassonarbeiten. Dazu Matratzennadeln mit runder und dreieckiger Spitze. Für das Durchnähen der Polster und das einziehen von Polsterknöpfen braucht es einen Doppelspitz. Diese Nadel hat an jedem Ende ein Spitze. Vorsichtiges Arbeiten mit dieser Nadel ist wegen der Unfallgefahr wichtig. Für das Zustecken der Polster braucht es stabile Stecknadeln.
Spezialwerkzeug
Der Gurtspanner, ein Holz mit scharfen Nagelenden, braucht es zum Spannen der Jutegurte. Es gibt sie mit Falz als Führung am Holz der Zarge oder mit Gummierung. Diese schützt das sichtbare Holz vor Kratzern oder Druckstellen. Der Kantendrahtbieger braucht es zum biegen des Kantendrahtes. Mit ihm lassen sich gute Drahtrundungen erzielen. Eine Heissleimpistole eignet sich gut zum anleimen von Kordeln und Zierbändern.
Nähmaschine
Eine gute Nähmaschine mit Tisch ist das Herzstück ein jeder Polsterei. Sie sollte problemlos auch dicken Polsterstoff oder Leder nähnen können. Ideal wäre ein Kniehebel, mit dem sich der Nähfuss heben lässt; so hat man immer beide Hände frei und kann zügig nähen.
Spindelpresse
Mit dieser Presse kann man Löcher stanzen und auch Polsterknöpfe, Druckknöpfe und Oesen herstellen.

Lehrberuf in Österreich

In Österreich ist Polsterer ein dreijähriger Lehrberuf. Die Ausbildung erfolgt im dualen System an Berufsschulen und bei einschlägigen Betrieben der Polstermöbelindustrie, bei Polstermöbelwerkstätten oder Tapeziererbetrieben. Ausbildungsinhalte sind unter anderem Techniken zum Fertigen und Reparieren von Polstermöbeln, Matratzen sowie Wand- und Türpolsterungen unter Berücksichtigung des Stils der unterschiedlichen historischen Epochen. Der Lehrling beendet die Ausbildung mit der Lehrabschlussprüfung als Geselle.

Eine Zusatzqualifikation kann durch eine weitere Prüfung im verwandten Lehrberuf Tapezierer und Dekorateur erworben werden. Im Handwerk der Tapezierer und Dekorateure kann auch die Meisterprüfung abgelegt werden und auch die selbstständige Berufsausübung ist möglich.

Für Höherqualifizierungen an Kollegs, Fachhochschulen und Universitäten braucht man in Österreich meistens die Berufsmatura (Berufsreifeprüfung), die sich aus der Lehrabschlussprüfung und vier weiteren Prüfungen zusammensetzt.

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Pracht, Friedrich Wilkening: Textile Raumausstattung. Polstern, Dekorieren, Bespannen. Bauverlag, Wiesbaden und Berlin 1988, ISBN 3-7625-2614-1.
  • Helmut Schröter: Polstertechnik und Innendekoration. VEB Fachbuchverlag, Leipzig 1989, ISBN 3-343-00066-3
  • Henner Reitmeier: Polstern. In: Ders.: Der Große Stockraus. Ein Relaxikon. Berlin 2009. ISBN 978-3-926880-20-8

Film

Weblinks


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