Augenprothese

Augenprothese
Vorder- und Rückseite einer Augenprothese

Eine Augenprothese, allgemein auch Glasauge oder Kunstauge genannt, ist ein als kosmetischer Augenersatz aufwendig hergestelltes Hilfsmittel, welches ausschließlich zur Wiederherstellung der Gesichtsästhetik und zur medizinischen Versorgung der enukleierten Augenhöhle eingesetzt wird. Augenprothesen werden von umfangreich ausgebildeten und geprüften Augenprothetikern (Okularisten) aus speziellem Kryolithglas oder Kunststoff individuell angefertigt und angepasst. Bereits seit über 2000 Jahren sind Kunstaugen für die Verwendung an Statuen und Mumien bekannt, seit dem Mittelalter auch zur kosmetischen Versorgung von lebenden Menschen. In Deutschland nimmt hinsichtlich der Herstellung von Augenprothesen der thüringische Ort Lauscha mit seinen Manufakturen seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine führende Rolle ein.

Inhaltsverzeichnis

Herstellung

Die Spezialisten, die diese Herstellung beherrschen, haben eine lange Lehrzeit von 6 bis 7 Jahren, die großes künstlerisches Talent und manuelle Fertigkeiten voraussetzt. Sie werden Augenkünstler, Kunstaugenhersteller, Augenprothetiker oder Okularisten genannt und nehmen in regelmäßigen Abständen an Fortbildungen teil. In Deutschland werden seit über 150 Jahren Augenprothesen in reiner Handarbeit angefertigt. Das erste deutsche Glasauge wurde 1835 in Lauscha hergestellt (Glasauge aus Lauscha).

Das künstliche Auge hat zu Beginn der Herstellung eine Kugelform und wird farblich und im Detail nach dem verbliebenen gesunden Auge angefertigt, so dass man im doppelten Sinne von einem Kunst-Auge sprechen kann. Jedes noch so winzige Detail der Iris, die Färbung der Lederhaut (Sklera), sowie die bei jedem Menschen individuelle Struktur der Bindehautgefäße, werden mittels erhitzter Glasfadenstäbchen im künstlichen Auge nachempfunden. Das fertige Glasauge ist nicht mehr kugelförmig, sondern es besitzt eine Schalenform mit kleinen runden Ausbuchtungen, um in die Augenhöhle eingepasst werden zu können.

Mit dem Glasauge soll die ursprüngliche Gesichtsharmonie wiederhergestellt werden. Die Farbgebung und Anpassung des künstlichen Auges erfolgt meistens im Beisein des Patienten. Dennoch ist die Ursache, die zum Verlust des Auges geführt hat, letztlich dafür ausschlaggebend, wie gut das Erscheinungsbild des Patienten sein wird.

Die Oberfläche eines Kunstauges aus Kryolithglas ist sehr homogen und widerstandsfähig, weshalb es in der Regel erst nach etwa einem Jahr erneuert werden muss. Durch Staub, Schmutz, Umweltfaktoren, Veränderungen der Tränenflüssigkeit bzw. organische Störungen kann sich die glatte Oberfläche des Glases aber auch schneller abnutzen. Die Abnutzung der Oberfläche und damit der Alterungsprozess des Kunstauges ist für den Patienten durch Reizung des Augenlides spürbar. Wird ein Auge mit stumpf gewordener Oberfläche nicht rechtzeitig gewechselt, kann dies zu größeren Schäden in der Augenhöhle führen.

Ein Glasauge wird von den Krankenkassen in Deutschland als medizinisches Hilfsmittel zu 100 % (bei einer Zuzahlung von 10 Euro je Auge) übernommen. Der Augenprothetiker/Ocularist kann ein Glasauge in einer Stunde herstellen. Die Kosten betragen durchschnittlich in etwa 300 Euro, je nach individueller Färbung oder anatomischer Anpassung (Schwierigkeitsgrad für den Augenprothetiker/Ocularisten).

Augenprothesen sind Medizinprodukte, entsprechen den Anforderungen des Medizinproduktegesetzes und unterliegen in verschiedenen Bereichen, beispielsweise der Biokompatibilität, bestimmten Normen (DIN EN ISO 10993-1:1998-06, DIN EN ISO 10993-1 / 1:1999-06).[1]

Versorgungsgrundlagen und kosmetische Aspekte

Katze mit Augenprothese

Eine medizinische Indikation für die Anpassung eines Kunstauges ist in der Regel der Verlust eines Auges durch Unfall, Krankheit oder eine notwendige operative Entfernung (Enukleation).[2] Auch nach Tumoroperationen, bei denen viel Gewebe entfernt werden muss, kann die Versorgung mit einer Augenprothese erforderlich werden. Bei Defekten der benachbarten Gesichtsbereiche muss die Augenprothese (in Einzelfällen) mit einer Epithese (z. B. zum Ersatz von Teilen der Nase) kombiniert werden. Auch Tierpräparatoren benötigen für die Taxidermie eine umfangreiche Kollektion an vorgefertigten Glasaugen.

Heutige Kunstaugen sind dem Aussehen eines gesunden Auges in der Regel täuschend ähnlich. Durch die individuelle Anfertigung und die Anwendung moderner chirurgischer Techniken bei der Entfernung des Augapfels ist eine, wenn auch teils eingeschränkte, Mitbewegung der Prothese möglich, so dass sie durch einen Laien kaum zu erkennen ist. Selbst bei einigen berühmten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist es kaum bekannt, dass sie eine Augenprothese tragen.

Geschichte

Hauptartikel: Glasauge aus Lauscha

Bereits Ägypter, Chinesen, Römer und Griechen stellten aus Edelsteinen und Halbedelsteinen, Elfenbein, weißem Feldspat, Glas, Porzellan und durch Metalllegierungen künstliche Augen für Statuen, Statuetten, Mumien, Masken, Puppen und Spielzeugtiere her. So waren bereits vor 2000 Jahren Fabri ocularii statuarum in Rom hoch angesehen. Auch Aristoteles (384-322 v. Chr.) erwähnt Marionetten mit beweglichen Augen.

Im Mittelalter gab es dann bereits „Vorlegeaugen“, bemalte Augen aus Leder, die über den Augenlidern getragen und mit einem Federdraht am Kopf befestigt wurden. Ebenfalls gab es bereits „Einlegeaugen“ aus Gold oder Silber, mit einer in Emailfarben bemalten Iris.

Die ersten gläsernen Augen wurden vermutlich in Venedig hergestellt, bevor im 17. Jahrhundert Paris zum Mittelpunkt für künstliche Glasaugen wurde. Der Würzburger Augenarzt Heinrich Adelmann (1807–1884) wurde im Jahre 1832 auf besonders gelungene Lauschaer Puppen- und Tieraugen aufmerksam, die bereits damals in Serienanfertigungen für Spielzeuge hergestellt wurden, die mit der hier genannten künstlerischen Anfertigung der Augenprothesen jedoch wenig gemeinsam haben. Sein Impuls, auch in Deutschland gläserne Augen für den Menschen entwickeln zu lassen, fiel bei dem Thüringer Glasmacher, Kunstaugenbläser und Pionier der deutschen Augenprothetik, Ludwig Müller-Uri, auf fruchtbaren Boden. Seit 1835 werden deshalb Augenprothesen aus Glas hergestellt, die für die Augenhöhle eines Patienten individuell angepasst werden können.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Spitzenverbände der Gesetzlichen Krankenkassen: Bekanntmachung des Teilbereichs "Augenprothesen" der Produktgruppe 24 "Prothesen" vom 28. Oktober 2005
  2. Albert J. Augustin: Augenheilkunde. Berlin: Springer Verlag, 2007. Seite 694 ff. ISBN 978-3540304548
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