Prager Rohrpost

Prager Rohrpost
Hauptsteuertafel mit Eingängen, Ausgängen und Steuerköpfen der Trassen

Die Prager Rohrpost ist heute das einzige erhaltene System einer städtischen Rohrpost weltweit. Die verheerenden Hochwasser im Jahre 2002 setzten es außer Betrieb.

Das System gehört der Telefónica, die es nach und nach instandsetzt und konserviert, aber der sehr begrenzte Zufluss an finanziellen Mitteln machte es vorläufig unmöglich, diese weltweit einzigartige technische Rarität wenigstens teilweise wieder in Betrieb zu nehmen.

Das Prager Rohrpostnetz ist 55 km lang, die erste öffentlich nutzbare Strecke wurde 1899 in Betrieb genommen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Rohrpostganzsache der tschechoslowakischen Post für die Beförderung in der Prager Rohrpost. Die Karte wurde am 9. Mai 1938 bedarfsgebraucht. Die Karte war weniger als 1 Stunde zum Bestimmungsamt unterwegs.

Die erste städtische Rohrpost wurde in London im Jahre 1853 auf der Grundlage von Erfindungen von Denis Papin (1647–1714) aufgebaut. Weitere europäische Städte folgten, in der Reihenfolge Wien, Berlin und Paris. Die Prager Rohrpost wurde am 4. März 1899 für die Öffentlichkeit in Betrieb genommen.

Die erste Trasse wurde zwar schon im Jahre 1887 errichtet, aber anfangs diente sie nur für innere Zwecke. Sie führte damals von der Hauptpost in der Jindřišská ulice zum Postamt auf dem Kleinen Ring (heute Malé Náměstí) in die Altstadt in eines der Häuser der Firma V. J. Rott (Eckhaus Malé náměstí / Linhartská, neben dem heute „U Rotta“) genannten Haus. Später wurde diese Trasse bis zur Prager Burg verlängert, sodass sie über 5 km maß. Das System wurde besonders für das Versenden von Telegrammen verwendet.

Die Hauptentwicklung des Netzes begann allerdings erst in den Jahren der wirtschaftlichen Blüte 1927–1932. Damals entstanden weitere Trassen und während des vollen Aufschwungs wurden zigtausende Behälter monatlich durch das System transportiert.

Nach der Besetzung im März 1939 wurde Tschechien als das sogenannte Protektorat Böhmen und Mähren faktisch zu einem Teil des Deutschen Reiches. Die Prager Rohrpost wurde in dieser Zeit bis Kriegsende weiter als Einrichtung der sogenannten Protektoratspost betrieben.

Erst im Jahr 1945 wurden spezielle blaue Kästen hinabgelassen, die seit dem der breiten Öffentlichkeit speziell für mit diesem System verschickte Sendungen dienen. Während des Zweiten Weltkrieges spielte die Rohrpost eine wichtige Rolle bei der Versorgung des belagerten Rundfunkgebäudes.

In einem Versuch im Jahr 1970 wurde die Übertragungsleistung der Rohrpost für die Übermittlung von 50 Telegrammen zwischen dem Prager Hauptpostamt und einem Postbüro in der Prager Burg mit einem Boten und einer Fernschreibverbindung verglichen, die von dem Weltmeister im Fernschreiben bedient wurde. Die Rohrpost benötigte mit acht Minuten die mit Abstand geringste Zeit.[1]

Noch in den 1990er Jahren wurden mit dem System rund 9000 Behälter monatlich befördert. Der Betrieb wurde nach und nach schwächer und die verheerenden Hochwasser im Jahre 2002 setzten seinem Funktionieren einen vorläufigen Schlusspunkt.

Das Rohrpostnetz wurde durch das Moldauhochwasser, ähnlich wie Teile des U-Bahn-Netzes, völlig überflutet. Dadurch wurden einige Strecken so schwer beschädigt, dass eine Instandsetzung nicht mehr in Frage kam.[1]

verwendete Technik

Rohrleitungen

Das originale Bedienpult des Gebläses mit einem Amperemeter und einem Druckmesser auf einer Marmorplatte

Die Trassen der Rohrpost werden aus Stahlrohren mit einer lichten Höhe von 65 mm und einer Wanddicke von 2,5 bis 3 mm gebildet. Die Röhren sind durch enge 14 cm lange Rohrstutzen verbunden, die die genaue Gleichachsigkeit der Verbindung gewährleisten, und nach dem Schweißen auch ihre vollständige Luftdichte. Um Fehlströme zu vermeiden, welche die Korrosion des Materials erhöhen, sind an einigen Stellen zwischen den Röhren auch keramische Isolatoren eingesetzt. Von der Außenseite sind die in die Erde verlegten Röhren durch ein Asphalt-Glas-Gewebe geschützt, das in warmem Zustand auf sie gewickelt und mit heißem Asphalt eingestrichen ist. Die Rohrleitung ist in der Regel unter den Prager Gehsteigen in einer Tiefe von 80 bis 120 cm unter der Oberfläche verlegt. Innerhalb von Gebäuden und im Prager Kollektornetz hat man die Röhre nur mit Korrosionsschutzanstrichen versehen.

Die Radien der Bögen in der Erde sind mindestens 250 cm groß, für gewöhnlich verwendet man aber 300 cm. Innerhalb der Gebäude ist der erlaubte Mindestradius 200 cm. Die Bögen werden aus speziellen gebrannten Rohren mit Hilfe einer speziell für diesen Zweck konstruierten Kaltbiegemaschine geformt.

Zusammen mit der Rohrleitung verlegt man auch das Signalkabel, durch das die Kommunikation mit den Elementen der Trasse gesichert wird.

Einzelne Trassenabschnitte sind mit sogenannten Besichtigungsbrunnen (Schächten) ausgestattet. In ihnen ist es möglich, eine Rohrleitung zu öffnen und den Ort einer Störung festzustellen oder von dort aus einen auf der Trasse hängengebliebenen Behälter herauszunehmen. Dies wird ermöglicht, indem ein schwererer Behälter, der zum Ort des Hindernisses gesandt wurde, mittels eines Drucks von bis zu 30 atm herausgedrückt wird.

Transportbehälter

Behälter für das Verschicken von Sendungen mit der Prager Rohrpost

Durch die Rohrleitung werden Aluminiumbehälter transportiert, die aus kurzen Rohrstücken von 200 mm Länge und einem Außendurchmesser von 48 mm hergestellt sind. Auf der Rückseite ist das Rohr mit einem Kunststoffring versehen, der das Reiben des Aluminiums an den Wänden der Rohrleitung verhindert. Auf diesem Kunststoffring ist ein Fächer aus elastischem Kunststoff montiert, der den Behälter in der Rohrleitung abdichtet. Auf der Vorderseite ist eine abnehmbare Verschlusskappe aus Kunststoff befestigt. Der Durchmesser des hinteren Rings und der vorderen Kappe beträgt jeweils 57 mm. Die verbleibenden 8 mm zur lichten Höhe der Rohrleitung werden durch den bereits erwähnten elastischen Fächer gegen die Innenwand der Rohrleitung abgedichtet, sodass das Rohrleitungssystem auch an dieser Stelle völlig dicht bleibt und beim Transport nur eine sehr geringe Reibung aufweist.

Antriebseinheiten

Maschinenraum im Gebäude der Hauptpost
Schaufelgebläse aus den 1930er Jahren

Jede Strecke der Rohrpost ist mit einem eigenen Antriebsaggregat ausgestattet, das von einem durch einen Elektromotor angetriebenen Gebläse gebildet wird. Ein Gebläse bedient einen Trassenabschnitt von maximal 3 km, sodass auf den längeren Trassen mehrere Gebläse eingesetzt werden müssen. Das Gebläse muss die Laufumkehrung beherrschen und so entweder einen Überdruck oder umgekehrt einen Unterdruck in der Rohrleitung erzeugen können. Die Gebläse sind mit T-Schaltungen an die Rohrleitung angeschlossen. Von beiden Seiten ist in der Rohrleitung in geeigneter Entfernung vor einer T-Schaltung ein Kontakt angebracht, der mit dem durchfahrenden Behälter gekoppelt ist.

Das Gebläse ist zuerst im Ansaugmodus, sodass der Behälter in Richtung der T-Schaltung angesaugt wird. Bevor er sie erreicht, schließt der Behälter einen Kontakt, der die Umkehrung des Gebläses durchführt. Inzwischen fährt der Behälter durch sein Beharrungsvermögen an der T-Schaltung vorbei. In dem Moment, wenn er hinter ihr ist, bewirkt das schon umgekehrte Gebläse an ihr augenblicklich dagegen einen Überdruck.

Ältere Gebläse waren Schaufelgebläse (eine außermittig angebrachte rotierende Schaufel in einem Zylinder von 300 mm Höhe). Neuere Gebläse verwenden einen rotierenden Kolben.

Sendungen

In den Behältern finden Sendungen von bis zu 5 cm Durchmesser und einer Länge von 30 cm Platz. Ihr Gewicht kann bis zu 3 kg betragen. In der Regel handelte es sich um eingerollte Telegrammformulare, aber es war im Grunde möglich, jede beliebige Art Sendung bis zu den vorgegebenen Höchstmaßen und dem vorgegebenen Gewicht zu befördern. Verständlicherweise konnten sie keine Gefahrenstoffe enthalten, die die Rohrleitung zerstören könnten. Auf der anderen Seite ließ sich die Geschwindigkeit der Behälter regeln, sodass man zum Beispiel eine zerbrechliche Sendung auch auf eine sehr schonende Weise verschicken konnte.

Trassen und Stationen

Das Netz der Prager Rohrpost besteht aus fünf sternförmig angeordneten, mit Weichen und Konzentratoren ausgestatteten Haupttrassen und aus sogenannten Teilnehmerverbindungen. Die Gesamtlänge der Trassen beträgt ca. 55 km. Auf einigen sehr frequentierten Abschnitten ist die Rohrleitung zweiröhrig (getrennte Richtungen), aber die Mehrheit der Trassen ist nur einröhrig und die Richtung der Sendung wird durch die richtige Laufrichtung der Kompressoren bestimmt. Die Haupttrassen verbinden folgende Postämter:

  • Zentrale Jindřišská – Prag 2, Prag 3, Prag 10
  • Zentrale Jindřišská – Prag 1, Prag 2
  • Zentrale Jindřišská – Prag 5
  • Zentrale Jindřišská – Prag 6
  • Zentrale Jindřišská – Prag 7

Von den Teilnehmerverbindungen gab es 16, aber bis heute haben sich nur 7 erhalten. In ganz Prag verblieben so bis heute 24 Stationen der Rohrpost.

Über drei Brücken (Hlávkův most, Mánesův most und Most Legií) überquert die Prager Rohrpost die Moldau.

Zentrale

Eingang der Trasse, in den man einen Behälter mit Sendung einwarf
Die Köpfe der fünf Haupttrassen mit den Signalleuchten und der Weichenbedienung

Der Ort, an dem alle Trassen zusammenliefen, befindet sich im Gebäude der Hauptpost auf der Jindřišská ulice (50° 5′ 0″ N, 14° 25′ 40,6″ O50.08334444444414.427944444444Koordinaten: 50° 5′ 0″ N, 14° 25′ 40,6″ O). Hier führte man einerseits über alle Sendungen genau Nachweis und andererseits wurden hier die Steuerung und Überwachung des ganzen Systems durchgeführt. Hier erfolgte auch die Umverschickung der Sendungen zwischen den einzelnen Trassen. Die Sendungen wurden in einem solchen Fall einfach durch das Bedienpersonal manuell aus der Tasche umgeladen, von wo sie zum Eingang zu einer weiteren Trasse für die folgende Versendung kamen. Selbstverständlich wurde dies von einem genauen Nachweis begleitet.

Den augenblicklichen Zustand der Trasse zeigten Signallichter auf dem zugehörigen Kopf an. Auf die Trasse konnte man bis zu 10 Sendungen in einem Intervall von 30 Sekunden hintereinander abschicken. In der Praxis allerdings wurde für gewöhnlich eine solche Menge an Sendungen nicht gebraucht.

Auf Trassen mit Weichen mussten die Sendungen nach einer vorher festgelegten Reihenfolge rangiert werden. Die Weichen konnte man nämlich von der Zentrale aus nur vor dem eigentlichen Beginn der Behälterversendung in den aktiven Zustand versetzen. Der erste Behälter wurde durch die betreffende Weiche abgezweigt, aber nach seiner Durchfahrt kehrte die Weiche in die neutrale Lage zurück, sodass weitere Behälter bereits ohne Abzweigung durchfahren konnten. Deswegen musste ein Behälter, der abzweigen sollte, in der Lieferung an erster Stelle eingeordnet sein.

Quellen

  1. a b Rohrpostsystem in Prag (englisch), auf www.capsu.org

Weblinks

 Commons: Prager Rohrpost – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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