Pragmalinguistik

Pragmalinguistik

Die Pragmatik ist eine linguistische Disziplin, die sprachliches Handeln und die Verwendung von Sprache erforscht. Sie ist neben der Syntax und der Semantik ein Teilgebiet der Semiotik, die sich mit den Eigenschaften des sprachlichen Zeichens befasst.

Sie beschäftigt sich mit der Interpretation von Zeichen auf der Empfängerseite des Informationsmodells. Dabei ist ein Interpret derjenige, für den das Zeichen eine Bedeutung hat.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt und Methoden der Pragmatik

Synchrone Pragmatik

Die Pragmatik untersucht, wie Sprache gebraucht wird und welche Arten von Sprachhandlungen ein Sprecher einsetzt. Austin formuliert 1962 griffig, dass in der Pragmatik Antworten auf die Frage How to do things with words? gesucht werden (Wie kann ich mit Worten etwas tun?). Mit sprachlichen Äußerungen kann man etwas versprechen, jemandem drohen, jemand warnen, etwas behaupten. Oft geht es gar nicht um wahre oder falsche Sachverhalte, auf die sich die Logik seit 2000 Jahren konzentriert. Eine Frage ist weder wahr noch falsch. Die Pragmatik ist ein Kind des 20. Jahrhunderts, sie leitet sich philosophisch von Aristoteles und der Stoa, von John Locke, Ludwig Wittgenstein in den "Philosophischen Untersuchungen", von John L. Austin und John R. Searleher. In der Sprachwissenschaft können Wilhelm von Humboldt, Philipp Wegener und besonders Karl Bühler als Begründer gelten.

Die verschiedenen Ansätze und Methoden lassen sich relativ schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Zu den bekanntesten Strömungen und Untersuchungsgegenständen gehören die Sprechakttheorie von John L. Austin und John R. Searle, die Konversationsmaximen von Paul Grice, die "Universalpragmatik" von Jürgen Habermas, die sich auf Karl Bühler berufende Funktionale Pragmatik (Konrad Ehlich, Jochen Rehbein). Die konstruktivistisch orientierte Gesprächsanalyse in der Tradition von Harvey Sacks und der Phänomenologie (Alfred Schütz, Harold Garfinkel) wird auch manchmal der Pragmatik zugerechnet, obwohl sie das Handeln nicht zentral stellt (und selten wirklich konstruktivistisch vorgeht). In der Funktionalen Pragmatik ist die Kategorie des Zwecks einer Handlung entscheidend; das Handeln ist gesellschaftlich in zweckbezogenen Handlungsmustern (beispielsweise Frage-Antwort, Aufgabe-Lösung) ausgebildet, denen ein spezifisches Wissen der Handelnden entspricht. Zweck etwa des Frage-Musters ist die Behebung von Wissensdefiziten des Sprechers.

In der Folge von Stephen C. Levinson (1983/2000) werden als Teilgebiete der Pragmatik oft genannt:

Historische Pragmatik

Ab den 1980er Jahren kann man von der Existenz einer Historischen Pragmatik sprechen. Andreas Jucker, der auch eine Bibliographie zur Historischen Pragmatik[1] verwaltet, und Irma Taavitsainen haben als zentrale Publikationsorgan das Journal of Historical Pragmatics gegründet. Die Frage, wie ein bestimmter Sprechakt im Laufe der Geschichte verwirklicht worden ist, fällt auch in den Bereich der Onomasiologie. So hat die von Joachim Grzega, Alfred Bammesberger und Marion Schöner herausgegebene Zeitschrift Onomasiology Online[2] ebenfalls begonnen, Artikel aus diesem Bereich aufzunehmen.

Verhältnis zu anderen Teildisziplinen im semiotischen Verständnis von Pragmatik

Die Pragmatik befasst sich mit der Verwendung von Sprache, im Gegensatz zur Semantik, die sich auf die kontextunabhängige Bedeutung von Wörtern und die Wahrheitsbedingungen von Sätzen konzentriert. So definiert der amerikanische Linguist Gerald Gazdar Pragmatik als "meaning minus truth conditions". Eindeutige Zuordnungen von Problemen zu einem der beiden Bereiche sind meist aber nicht möglich. So ist für manche Linguisten die Semantik Teil der Pragmatik: Bedeutung ist die Regel des Gebrauchs, nach einem Satz von Wittgenstein. Zudem berührt die Pragmatik Fragestellungen aus der Soziolinguistik und der Sprachsoziologie, die den Sprachgebrauch auf gesellschaftliche beziehungsweise soziale und kulturelle Faktoren beziehen.

Geschichte des Ausdrucks

Der Ausdruck Pragmatik geht auf die Zeichentheorie von Charles W. Morris und Rudolf Carnap zurück und bezeichnete bei Morris die Verwendung eines Zeichens, im Unterschied zu den Kombinationsmöglichkeiten von Zeichen oder ihrer Bedeutung (Semantik). Für ihn ist die Pragmatik als "relation of signs to interpreters" zu verstehen. (Morris, C.W. (1938): Foundation of the theory of signs. Chicago.). Für den Psychologen und Systemtheoretiker Norbert Bischof ist "Pragmatik praktisch deckungsgleich mit der ultimaten Systemtheorie".

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Bibliographie zur Historischen Pragmatik - Universität Zürich
  2. Onomasiology Online

Weblink

Literatur

  • John L. Austin: How to do things with Words. Oxford: Clarendon Press 1962. (dt. Zur Theorie der Sprechakte, Stuttgart: Reclam 9396)
  • Norbert Bischof: Struktur und Bedeutung, 1998, S.317-333, ISBN 3456830807 (Eine Einführung in die proximate und die ultimate Systemtheorie für Psychologen)
  • Wolfram Bublitz: Englische Pragmatik, Berlin: Erich Schmidt 2001.
  • K. Ehlich/J. Rehbein: Muster und Institution. Tübingen: Narr 1986.
  • Peter Ernst: Pragmalinguistik. Grundlagen, Methoden, Probleme. Berlin, New York: de Gruyter 2002.
  • Hellmut Geissner: Pragmalinguistik oder Rhetorik, in: ders. (Hg.), Rhetorik und Pragmatik, Ratingen u.a. 1975.
  • L. Hoffmann (Hrsg.): Sprachwissenschaft. Berlin: de Gruyter 2000.
  • S. C. Levinson, : Pragmatik. Tübingen: Niemeyer 1983/2000.
  • J. Meibauer: Pragmatik. Tübingen: Stauffenburg 1999.
  • J. Rehbein: Komplexes Handeln. Stuttgart: Metzler 1977.
  • Andreas Wagner: Sprechakte und Sprechaktanalyse im Alten Testament. Untersuchungen an der Nahtstelle zwischen Handlungsebene und Grammatik. (BZAW 253) Berlin/New York: de Gruyter 1997. ISBN 978-3-11-015549-5 [Einführung in die historische Pragmatik am Beispiel des Althebräischen]

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