Preußengrab bei Ichtershausen

Preußengrab bei Ichtershausen

Das Preußengrab bei Ichtershausen ist ein Ehrenmal am Ostrand des Ortes Ichtershausen (bei Arnstadt/Thüringen) über einem Gemeinschaftsgrab mit 700 preußischen Soldaten, die während der antinapoleonischen Befreiungskriege 1813/14 in einem Reservelazarett in Ichtershausen verstorben sind.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtlicher Hintergrund

Nach der Niederlage von Preußen und Sachsen in der Schlacht von Jena und Auerstedt 1806 zwang Napoleon auch die thüringischen Staaten in den Rheinbund und gliederte die preußisch gewesene Stadt, Festung und Zitadelle Erfurt als seine persönliche „Domäne“ dem französischen Kaiserreich ein. Preußen wurde mit dem diktierten Frieden von Tilsit 1807 zu einer Macht zweiten Ranges degradiert. Nach dem gescheiterten Feldzug Napoleons gegen Russland 1812 fluteten die elenden Reste seiner „Großen Armee“ nach Mitteleuropa zurück. In der Völkerschlacht von Leipzig im Oktober 1813 wurde eine neu aufgestellte napoleonische Armee durch Preußen, Österreicher und Russen geschlagen. Wieder flüchteten Franzosen und ihre Hilfstruppen gen Westen, auch durch Thüringen. Die französische Festung Erfurt war schon seit Anfang 1813 baulich und von der Besatzung her beträchtlich verstärkt worden. Sie wurde ab 26. Oktober 1813 in der Belagerung von Erfurt durch Preußen, Österreicher und Russen (35.000 Mann) eingeschlossen. Zunächst gab es kaum Kampfhandlungen, bis die Franzosen Anfang November bei Ausfällen Dörfer niederbrannten. Darauf antworteten die Belagerungstruppen am 6. November mit einem Artillerie-Bombardement auf die Zitadelle. Danach kam es zu einem Waffenstillstand und Anfang Januar zur Übergabe der Stadt Erfurt an die Preußen, die Zitadelle mit Umgebung blieb jedoch bis Mai 1814 französisch besetzt.

Das Königlich-Preußische Reservelazarett Ichtershausen

In den weiträumigen Belagerungsring von Preußen, Österreichern und Russen einbezogen war auch der zum Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg gehörende, südlich von Erfurt gelegene Ort Ichtershausen. Die belagernden Truppen biwakierten zum großen Teil unter freiem Himmel oder waren in den Dörfern zusammengedrängt, die Hygiene-Bedingungen waren schlecht. Seuchen breiteten sich aus, unter Belagerern und Belagerten.

Am 4. November wurde im Schloss Marienburg in Ichtershausen ein Königlich-Preußisches Reservelazarett eingerichtet. In ihm wurden bis Ende Februar 1814 insgesamt 1.400 – meist aus Schlesien stammende – preußische Soldaten behandelt, die an heimtückischen ansteckenden Infektionskrankheiten litten. 700 von ihnen erlagen den Erkrankungen, bei denen es sich wahrscheinlich um Typhus und Ruhr gehandelt hat. Anfang November war das Lazarett mit 600 Mann überbelegt. Genesende mussten in Privatquartieren aufgenommen werden. Die Seuchen sprangen auf die Gemeinde über, die dadurch mit 152 Toten ein Viertel ihrer Einwohnerschaft verlor. Die toten Soldaten wurden in Gemeinschaftsgräbern im „Pfingstgehege“, jenseits der Gera beigesetzt.

Am 1. März 1814 konnte das Lazarett aufgelöst werden, über Jahrzehnte hat die Bevölkerung die Räume des Schlosses aus Furcht vor den Krankheitserregern gemieden. Es wurde 1877 Kern eines Landesgefängnisses.

Errichtung und Geschichte des Denkmals über dem Preußengrab

1819 ließ die Gemeinde Ichtershausen ein Ehrenmal aus Sandstein mit einer Gedenktafel über dem Gemeinschaftsgrab errichten. König Friedrich Wilhelm III. von Preußen verlieh der Gemeinde und ihrem Amtsschultheiß Goldmedaillen als Anerkennung. 1849 wurde das Denkmal – finanziert durch Spenden – restauriert und mit einem Holzkreuz versehen. 1863, zur 50-Jahrfeier der Völkerschlacht von Leipzig, pflanzte man drei Eichen neben dem Denkmal. 1895 stiftete Ing. Max Knippenberg, Besitzer der Nadelfabrik Ichtershausen, ein großes Eisernes Kreuz, das auf den Steinquadern des Denkmals auf einer Kanonenkugel vom Monarchenhügel bei Leipzig ruhte.

1896 ehrte Kaiser Wilhelm II. den Landwehrverein Ichtershausen für seine Bemühungen um das Preußengrab mit Verleihung einer Fahne. Dieses Ereignis wurde mit einer patriotischen Kundgebung auf dem „Preußischen Gottesacker“ gefeiert. 1913, zur 100-Jahrfeier der Völkerschlacht von Leipzig, fand an dem erneuerten Denkmal eine große Feier unter Teilnahme vieler Vereine aus ganz Thüringen statt. Im gleichen Jahr fand man das „Tagebuch von Ichtershausen“ von 1813, das auch ein Kapitel Das Lazarett mit einem „lebendigen, zum Teil furchtbaren Bild“ der Zeit enthielt.

Zur Zeit der SBZ und DDR verschwanden Eisernes Kreuz und Kanonenkugel, das Denkmal geriet weitgehend in Vergessenheit. Einige engagierte Bürger (besonders Fritz Thal und Dieter Schröpfer) verhinderten, dass es völlig verfiel und brachten sogar eine illegal gefertigte metallene Gedenktafel an. Diese wurde ebenso entwendet, wie ein neues Eisernes Kreuz, das aus privater Initiative nach der Wende geschmiedet worden war.

Am 1. Juni 2002 konnte das durch den Steinmetz Oliver Wenzel erneuerte Ehrenmal (ohne Kreuz und Kugel) feierlich, auch in Anwesenheit des Petersbergvereins Erfurt, der Gemeinde übergeben werden.

Das Preußengrab heute

Das Denkmal liegt in einem kleinen Hain mit noch zwei stattlichen Eichen, mit Kastanien und Eschen, nordöstlich von Ichtershausen jenseits des Flusses Gera. Man kann es über die neue Gera-Brücke auf der Rückseite der JVA oder von der anderen Seite vom Friedhof her erreichen. Der Gera-Radweg führte von 2008 bis 2010 an der Anlage vorbei, die mangels Kennzeichnung trotzdem leicht übersehen werden konnte.

An groben Sandsteinquadern ist eine Tafel mit folgender Inschrift von 1819 befestigt:

„HIER RUHEN DCC TAPFERE KÖNIGL. PREUSISCHE KRIEGER. SIE VOLLENDETEN IHRE RUHMVOLLE BAHN IN DEM KÖNIGLICH-PREUSISCHEN LAZARETH ALLHIER, ZUR ZEIT DER BELAGERUNG VON ERFURT IN DEN JAHREN MDCCCXIII UND MDCCCXIV. ZUM ANDENKEN VON DER GEMEINDE ICHTERSHAUSEN.“

Bisher gibt es weder ein Hinweisschild, eine Schautafel oder eine Wege-Bezeichnung zum Preußengrab.

Literatur

  • Artur Bach: Das Preußengrab bei Ichtershausen im Herzogtum Gotha. Ein Erinnerungsblatt zur Jahrhundertfeier am 20. Juli 1913. Ichtershausen, 1913
  • Thomas Lindner: Blätter zur Ortsgeschichte Ichtershausen 2 - 3. Hrsg. Gemeindeverwaltung Ichtershausen, 1997
  • Preußengrab in altem Glanz. Ehrenmal an Gemeinde übergeben, Thüringische Landeszeitung, 30. Mai 2002

Weblink

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