Primingeffekt

Primingeffekt

Als semantisches Priming wird in der Psychologie der Effekt bezeichnet, dass die Verarbeitung eines Wortes die Verarbeitung eines zweiten nachfolgenden Wortes beeinflusst, falls zwischen beiden Wörtern eine semantische oder kategorielle Beziehung besteht. Individuen reagieren beispielsweise auf das Wort "Krankenschwester" schneller, wenn sie vorher das Wort "Arzt" verarbeitet (beispielsweise gelesen) haben. Die Darbietung eines Kontextreizes (der Prime, z. B. "Arzt") beeinflusst somit die Verarbeitungszeit eines Zielreizes (das Target, z. B. "Krankenschwester"). Semantische Primingeffekte lassen sich mittels sog. lexikalischen Entscheidungsaufgaben zeigen. Als Erklärung dient in der Regel ein assoziatives Netzwerk, in dem Wörter in Form von mentalen Repräsentationen gespeichert und organisiert sind.

Inhaltsverzeichnis

Theoretisches Modell: Aktivierungsausbreitung im assoziativen Netzwerk

Aktivationsausbreitung

Das Modell von Collins und Loftus zur Aktivierungsausbreitung (Spreading Activation Network) findet in der Sprachpsychologie und beim semantischen Priming seine Anwendung und dient als theoretisches Modell zur Veranschaulichung der Prozesse, welche bei der Auswahl eines Wortes im Gedächtnis ablaufen. Dem Modell zugrunde liegt ein Mentales Lexikon, welches als neuronales Netzwerk aufgebaut ist. In diesem Netzwerk breitet sich die Aktivierung eines Wortes über die jeweils mit abgespeicherten Zusammenhänge (die sog. assoziativen Verbindungen) mit anderen Worten aus.

Aktivationsausbreitung nach Collins und Loftus

Die einzelnen Worte stellt man sich als Knoten (z. B. "Rot, Hitze, Feuer", siehe Abbildung) innerhalb eines assoziativen Netzwerkes vor, sie bilden die sog. Konzepte. Nach Aktivierung eines Konzeptes breitet sich die Aktivierung auf weiterer, mit dem Konzept assoziierte Konzepte aus. Die Ausbreitung erfolgt dabei gleichzeitig in alle verfügbaren Richtungen aus, die Stärke der Aktivierung wird durch die Stärke der Assoziation beeinflusst. Beim semantischen Priming ist zudem zu beobachten, dass bereits aktivierte Konzepte ab dem zweiten Zugriff schneller gefunden werden (mentaler Cache).

Beispiel

Man stelle sich ein assoziatives Netzwerk als eine Art vernetzer Stromkreis, die einzelnen Knoten (Worte) des Netzwerks als Lämpchen, die assoziativen Verbindungen als "Stromkabel" und die Assoziationsstärke als Menge der angeschlossenen Stromkabel vor. Knipst man ein Lämpchen an erhält dieses Strom, und dieser Strom wird mittels der Stromkabel, die am Lämpchen angeschlossen sind, zu anderen Lämpchen (andere Konzepte) weitergeleitet, die dann ebenfalls aufleuchten. Je mehr Kabel von unserem aktivierten Lämpchen zu einem anderen Lämpchen gehen, desto stärker leuchtet dieses zweite Lämpchen ebenfalls auf. Falls nun beispielsweise das Lämpchen Arzt (aus welchen Gründen auch immer) Strom erhält leuchtet das Lämpchen Krankenschwester heller als das Lämpchen, z. B., "Hund" auf. Ein unabhängiger Beobachter würde somit, falls das Lämpchen "Arzt" leuchtet, relativ schnell auch das Lämpchen "Krankenschwester" erkennen.

Die lexikalische Entscheidungsaufgabe

Versuchsaufbau

Die lexikalische Entscheidungsaufgabe (Meyer & Schvaneveldt, 1971) folgt in der Regel dem folgenden Schema: Der Versuchsperson wird eine Kategorisierungsaufgabe gestellt, z. B.: eine lexikalische Entscheidung zu treffen, d. h. sie muss entscheiden, ob das dargebotene Wort ein reales Wort (z. B. Krankenschwester) oder ein Pseudowort (z. B. Knakenschwester) ist. Vor dem Wort, auf das die Person reagieren soll, wird der sog. Prime gezeigt. Der Prime wird i. d. R. automatisch verarbeitet, d. h. das die mentale Repräsentation des Wortes wird im Gedächtnis automatisch aktiviert. Das zweite Wort, auf welches die Person reagieren soll (z. B. mittels einer Kategorisierung), wird als Target bezeichnet. Dieses Target wird, aufgrund der Assoziation mit dem Prime, ebenfalls aktiviert. Als Maß der semantischen Assoziation im Gedächtnis wird die Reaktionszeit der Person auf das Target herangezogen.

Literatur

  • Collins, A. M. & Loftus, E. F. (1975). A spreading-activation theory of semantic processing. Psychological Review, 82, 407-428.
  • Meyer, D. E. & Schvaneveldt, R. W. (1971). Facilitation in recognizing pairs of words: Evidence of a dependence between retrieval operations. Journal of Experimental Psychology, 90, 227-234.
  • Neely, J.H.: Semantic priming effects in visual word recognition: a selective review of current findings and theories. In Besner, D. & Humphreys, G.W. (Hrsg.) Basic processes in reading: visual word recognition, 1991

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