Prähistorische Religionen

Prähistorische Religionen

Der Begriff Prähistorische Religionen dient als Oberbegriff für schriftlose Religionen.

Darunter fallen steinzeitliche Religionen, aber auch die heute noch in nomadischen oder frühbäuerlichen Zusammenhängen gelebten schriftlosen Religionen, deren religiöse Inhalte nicht in schriftlich fixierten "Heiligen Texten", sondern in narrativen Mythen tradiert werden. Dort wird das Wissen über die Entstehung der Welt wie auch die Antworten auf die großen Fragen nach Tod und Leben in fantasievolle Geschichten gewoben.

G.S. Kirk stellt in seiner Arbeit[1] dar, dass Mythen keine realen oder geschichtlichen Ereignisse weitergeben. In ihnen wird im Gegenteil von Begebenheiten berichtet, die sich a priori, am Anfang der Zeiten, ereignet haben und sich in ritueller Wiederholung zu alljährlicher Neuschöpfung vergegenwärtigen. Schöpfungsmythen begründen die kultische, individuelle Eigenart eines jeweiligen Volkes. Sie beinhalten die von Generation zu Generation tradierten Verhaltensnormen als eine kommunikativ verbindliche Ordnung und manifestieren die schöpferischen Kräfte, von denen sich die Menschen umgeben fühlen. Der Mythos ist das religiöse Fundament aller schriftlosen Kulturen. Seine irrealen Bilder beschreiben eine Realität, die zwar der jeweiligen Lebenswelt der Menschen entnommen ist, deren Dasein durch sie aber in eine zeitlose, geistige Wirklichkeit gehoben wird.

In prähistorischen Religionen findet man kaum personifizierte Gottheiten. Die Schöpfungskräfte manifestieren sich in Wesenheiten, deren Wirken sich in geheimnisvollen Erscheinungen offenbaren. Die Lebenswelt ist durchdrungen von magischen Kräften und unsichtbaren Geistwesen. Denn der sichtbaren Welt immanent ist eine unsichtbare Anderswelt, in die auch die Toten eingehen und zu Ahnen werden, in der die Tiere ihren Ursprung und das Leben seinen Anfang hat. In fast allen schriftlosen Kulturen hatten Initiierte oder Schamanen im Zustand veränderten Bewusstseins in irgendeiner Form Zutritt zu dieser Inneren Welt, um helfende und ratende Kräfte zu aktivieren, um magische Handlungen zu vollziehen, um Heilung zu bewirken oder wenn nötig, den mythischen a priori Zustand wieder herzustellen.

Religion und Lebenswelt sind nicht zu trennen in schriftlosen Kulturen, so dass es kaum möglich ist, ein konkretes Bild dieser Religion zu zeichnen. Dazu kommt, dass alle Völker wie eine eigene Sprache auch ihre eigene mythische Bilderwelt entwickelten, die uns teilweise sehr fremd ist, weil sie überhaupt nicht vor dem Hintergrund unserer monotheistischen, linearen und endzeitlichen Gottes-Vorstellungen zu verstehen ist.

Literatur

  • Mircea Eliade: Geschichte der religiösen Ideen I–III. Freiburg 1978.
  • Vergilius Ferm (Hrsg.): Ancient Religions, Forgotten Religions. New York 1950.
  • James George Frazer: Der goldene Zweig, Das Geheimnis von Glauben und Sitten der Völker. Hamburg 1989 [1922].
  • Ina Mahlstedt: Die religiöse Welt der Jungsteinzeit, Darmstadt, Stuttgart 2004.

Einzelnachweise

  1. G. S. Kirk (1970) Myth: its meaning and function in ancient and other Cultures, Los Angeles

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