- Präimplantations-Diagnostik
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Unter dem Begriff Präimplantationsdiagnostik (PID) werden zytologische und molekulargenetische Untersuchungen zusammengefasst, die dazu dienen, bei einem durch in-vitro-Fertilisation erzeugten Embryo bestimmte Erbkrankheiten und Besonderheiten der Chromosomen zu erkennen, bevor der Embryo in die Gebärmutter eingepflanzt wurde, also vor der Implantation. Zweck der Diagnose ist, eine Hilfe für die Entscheidung zu geben, ob der Embryo in die Gebärmutter eingepflanzt werden soll oder nicht.
Inhaltsverzeichnis
Verfahren
Üblicherweise wird am dritten Tag nach der Befruchtung eine Zelle des Embryos entnommen (Blastomerbiopsie). Der Embryo befindet sich zu diesem Zeitpunkt im 4- bis 8-Zell-Stadium. Eine Entnahme nach fünf bis sechs Tagen wird als Blastozystenbiopsie bezeichnet. Nach der Entnahme der Zelle wird das Genom extrahiert und auf das Vorhandensein genetischer Besonderheiten mittels FisH-Test oder anderer molekulargenetischer Methoden untersucht.
Was genau untersucht wird, hängt von dem betreffenden Paar ab, von dem der Embryo stammt. Keineswegs wird ein kompletter Test auf alle bekannten Erbkrankheiten durchgeführt. Der FisH-Test beispielsweise testet auf Chromosomenaberrationen, sehr schwerwiegende Veränderungen des Genoms. Einzelne Gene werden dann untersucht, wenn bei den Eltern eine Disposition zu einem Gendefekt vorliegt, wenn also eine Erbkrankheit in der Familie gehäuft vorkommt.
Rechtliche Lage
Die rechtliche Lage in einzelnen Ländern der Europäischen Union ist sehr unterschiedlich gestaltet. Im Gegensatz zu England, wo sich die Position durchgesetzt hat, die dem Embryo in den ersten 14 Tagen seiner Entwicklung die Personalität abspricht [1], ist in Deutschland die Präimplantationsdiagnostik verboten, weil auf diese Weise Embryonen anhand genetischer Eigenschaften gezielt ausgewählt werden können.[2]
Diskussion
Die Präimplantationsdiagnostik ist ethisch und moralisch sehr umstritten. Kritiker der PID nennen folgende Argumente, welche das Verbot der PID unterstützen:
- Klonen: Die Zellen, welche für die PID entnommen würden, wären totipotent, könnten sich also zu vollständigen Menschen entwickeln. Die Zerstörung dieser Zellen sollte daher verboten sein.
- Künstliche Selektion: Durch die PID soll ausgewählt werden, welcher Embryo in die Gebärmutter verpflanzt und somit eine Chance zum Überleben bekommt. Die Kriterien für eine derartige Auswahl, die in der Evolutionsbiologie als „künstliche Selektion“ bezeichnet wird, seien nicht kontrollierbar. Einige argumentieren, Menschen dürften diese Entscheidung gar nicht treffen; andere halten eine Entscheidung gegen das Einpflanzen von Embryonen mit letalen Gendefekten oder sehr schwerwiegenden Gendefekten zwar für ethisch vertretbar, befürchten aber, dass selbst eine auf Einzelfälle beschränkte Erlaubnis der PID mittelfristig zugunsten einer liberaleren Rechtsprechung abgelöst werden könnte. Es wird befürchtet, dass die PID dann zu einer gängigen Methode wird, um subjektiv „optimalen“ Nachwuchs zu bekommen. Dabei gäbe es kein Recht auf ein ‚gesundes‘ Kind.
- Diskriminierung von Behinderung: Wer eine Entscheidung gegen das Einpflanzen von Embryonen mit künftiger körperlicher oder geistiger Behinderung legitimiert, werte im Gegenzug die lebenden Behinderten ab. Eine solche Abwertung von Behinderungen sei eine unakzeptable Diskriminierung.
Die Befürworter der Präimplantationsdiagnostik führen folgende Argumente an:
- Pränataldiagnostik erlaubt: Während die Embryonen im Rahmen der Pränataldiagnostik einen besonderen Schutz erfahren, sind sie in der späteren Schwangerschaft nicht mehr geschützt. Wird später eine Behinderung festgestellt, ist eine Abtreibung legal. Weil die Belastung für die Schwangere dann aber wesentlich größer sei, werde durch das Verbot der PID unnötiges Leiden erlaubt.
- PID bleibt Ausnahmeuntersuchung: PID wird nur nach einer künstlichen Befruchtung durchgeführt. Die Annahme, PID könnte in Zukunft in großem Umfang eingesetzt werden, um beispielsweise „optimalen“ Nachwuchs zu bekommen oder vererbbare Krankheiten auszurotten (Eugenik), halten Kritiker für übertrieben.
Nicht mit der PID zu verwechseln ist die Präfertilisationsdiagnostik. Bei dieser Methode finden die Untersuchungen statt, bevor die Zellkerne von Eizelle und Spermium verschmolzen sind, also vor dem Embryonalstadium; diese Diagnostik ist daher in Deutschland erlaubt.
Literatur
- Thiel, Jana & Passarge, Eberhard: Präimplantationsdiagnostik - Eine Analyse aus medizinischer, genetischer, rechtlicher und Ethischer Sicht. Wiku-Verlag Duisburg-Köln 2009, ISBN 978-3-86553-302-9
- Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften/ Wissenschaftliche Abteilung (Hrsg.): Dossier Präimplantationsdiagnostik. Zentrale nationale und internationale gesetzliche Richtlinien und Übereinkommen sowie Stellungnahmen nationaler und internationaler Institutionen.
- Hoerster, Norbert: Ethik des Embryonenschutzes. Ein rechtsphilosophischer Essay, 2002
- Zimmermann, Mirjam & Zimmermann, Ruben: Bericht: Präimplantationsdiagnostik: Chance oder Irrweg? Die Bundesärztekammer und die Fortpflanzungsmedizin, in: ZEE 45 (2001), S. 47-57.
- Deutsche Fanconi-Anämie-Hilfe e.V.[1]: Adam: Lebensretter aus der Retorte - Hinweis auf Fernsehfilm über Präimplantationsdiagnostik in "Fanconi-Anämie: Ein Handbuch für Eltern, Patienten und ihre Ärzte, 2005, S. 341-342. [2]
- Ziegler, Uta: Präimplantationsdiagnostik in England und Deutschland - Ethische, rechtliche und praktische Probleme, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3593373262
Kritik:
- Brähler, Elmar (Hrsg.): Vom Stammbaum zur Stammzelle. Reproduktionsmedizin, Pränataldiagnostik und menschlicher Rohstoff, 2002
- Kollek, Regine: Präimplantationsdiagnostik - Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht, 2002
- Habermas, Jürgen: Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?, 2001
- Mayer, Elmar: Genetische Präimplantationsdiagnostik. Kritische Betrachtung des Einflusses einer modernen medizinisch-genetischen Technik auf das frühe menschliche Lebewesen und unsere Gesellschaft, 2006
Einzelnachweise
- ↑ http://www.buecher.de/shop/Fachbuecher/Praeimplantationsdiagnostik-in-England-und-Deutschland/Ziegler-Uta/products_products/detail/prod_id/11841318/#richcontent_1926869 Embryo im Ausnahmezustand - Besprechung, Frankfurter Allgemeine, 30. 06. 2004
- ↑ Deutscher Bundestag: Präimplantationsdiagnostik mit dem Embryonenschutzgesetz unvereinbar, Pressemitteilung vom 13. März 2001
Weblinks
- Blickpunkt "Präimplantationsdiagnostik" (Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften)
- Stellungnahme der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“, Mai 2002
- Nationaler Ethikrat zur genetischen Diagnostik vor und während der Schwangerschaft (PND/PID)
Kritik:
- Mit der Präimplantationsdiagnostik zum Wunschkind? Dossier auf www.1000fragen.de
- Dokumente- und Textsammlung zur Präimplantationsdiagnostik (PID) und Pränataldiagnostik
- Evangelische Kirche spricht sich gegen PID aus
- Katholische Kritik: "Dignitas personae" (2008) Nr. 22
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