Pucken

Pucken
Madonna von Ambrogio Lorenzetti mit gepucktem Jesuskind

Das Pucken ist eine spezielle Wickeltechnik, bei der Säuglinge in den ersten drei Lebensmonaten eng in ein Tuch eingewickelt werden. Es handelt sich um eine sehr alte Methode der Säuglingspflege. Die besonders enge Wickeltechnik setzt dem Neugeborenen Grenzen für die Bewegung seiner Arme und Beine.

Inhaltsverzeichnis

Kulturgeschichte

Diana von Poitiers nach einem Gemälde von François Clouet, links eine Amme mit Wickelkind, 1570
Ein gepuckter Säugling

Das heutige Pucken ist eine Abwandlung einer uralten Wickelmethode, die in verschiedenen Kulturen angewendet wurde. In antiken griechischen und römischen Gräbern von Frauen, die bei der Geburt gestorben waren, wurden Votivstatuen gefunden, die eng gewickelte Säuglinge zeigen. Beim Pucken wurden die Säuglinge früher häufig sehr fest eingewickelt, so dass sie völlig bewegungsunfähig waren. Man ging davon aus, dass das enge Wickeln notwendig sei, um eine Verkrümmung des Rückgrats zu verhindern. Aus der Tudorzeit in England ist überliefert, dass die Säuglinge der oberen Schichten in sieben Stofflagen gewickelt wurden, zudem wurde auch der Kopf des Kindes noch mit einem Band an den Schultern fixiert. Diese Einschnürung wurde bis zum Alter von einem Jahr praktiziert.

Im 17. Jahrhundert änderte sich die Einstellung zu dieser Wickelmethode unter dem Einfluss der Aufklärung allmählich. John Locke war ein entschiedener Gegner des engen Einschnürens und äußerte sich entsprechend in seinem Werk Some Thoughts Concerning Education. Auch Jean-Jacques Rousseau teilte die Auffassung, dass Kinder nicht durch Wickeln oder sonstige Kleidung eingeengt werden sollten. Im westlichen Kulturraum ist diese traditionelle Einschnürung der Säuglinge weitgehend aufgegeben worden, in anderen Kulturen wird sie teilweise noch angewandt.

Die deutschen Säuglinge wurden angeblich länger und fester gewickelt als die in Frankreich und in England, wo diese Methode auch früher aufgegeben wurde. Die Position der Aufklärung wird zum Beispiel von Johann Georg Krünitz in der Oeconomischen Encyklopädie vertreten. Er ist zwar der Ansicht, dass Kinder nach der Geburt zunächst gewickelt werden müssen, um dem Körper Halt zu geben, jedoch nicht in der damals üblichen Art des „Einschnürens“. So heißt es bei ihm: „Es ist die großte Grausamkeit, ein Kind etliche Stunden lang in die engesten Bande einzuschlagen, um ihm die freye Bewegung der Glieder zu nehmen. (...) Das bleiche Gesicht, der magere Körper, und das sieche Leben der in Banden eingekerkert gewesenen Kinder, beweisen genug, wie vielen Schaden die Eingeweide dadurch leiden (...) Es ist nicht zu verwundern, wenn die Kinder in diesen Fesseln den ganzen Tag traurig sind, und ausser dem Schlafe ihre Zeit mit Weinen zubringen.“[1] Krünitz empfiehlt, das Baby schon nach 14 Tagen nur noch locker zu wickeln, damit es sich bewegen könne.

Dennoch wurde diese Wickelmethode in Deutschland einigen Quellen zufolge noch im 19. Jahrhundert relativ strikt angewandt. Im Jahr 1877 erschien in einem englischen Magazin ein Artikel, in dem ein deutsches Baby als „klägliches Objekt“ bezeichnet wird, das wie eine Mumie eingewickelt werde und nur kurz zum Wechseln der Windeln von seinen Bandagen befreit werde. Diese Methode wurde bis zum sechsten Monat angewandt.[2] Noch Anfang des 20. Jahrhunderts wurden deutsche Säuglinge in den ersten acht Wochen nur zum Windelwechsel herausgenommen, weil man den Körper für extrem schwach und zerbrechlich hielt.[2]

Möglicher Nutzen

Verschiedene Untersuchungen konnten zeigen, dass gepuckte Kinder länger schlafen, dabei mehr Zeit im Non-REM-Schlaf verbringen und weniger leicht spontan jedoch leichter bei akustischen Reizen aufwachen.[3] Daher halten einzelne Autoren diese Methode für geeignet, die Akzeptanz der Rückenlage zur Vorbeugung des plötzlichen Kindstodes zu erhöhen, da viele Eltern trotz anderslautender Empfehlungen die risikoreichere Bauchlage vorziehen, weil die Kinder auf dem Bauch angeblich besser schlafen würden.[4] Außerdem gibt es Hinweise, dass diese Wickelmethode wohl auch die Schreidauer signifikant verringern kann.[5] Daher wird das Pucken von verschiedenen Seiten auch zur Unterstützung der Behandlung von Schreibabys empfohlen.

Möglicher Nachteil

Werden auch die Beine fixiert, so steht das zum Widerspruch zur Breitwickeltechnik, welche Hüftschäden vorbeugen soll. In diesem Fall kann der Säugling eine Fehlstellung des Hüftgelenks (Hüftdysplasie) entwickeln. Insbesondere bei fieberhaften Erkrankungen kann es außerdem durch das Pucken zu einem Hitzestau kommen.

Pucksack

Die meisten in Deutschland verkauften Pucksäcke dienen nicht dem klassischen Pucken des Säuglings, da sie unter den Armen des Säuglings enden und daher nur eine Variante eines Schlafsacks sind. Der historische Vorläufer des heutigen Pucksacks ist das so genannte Steckkissen, ein gepolsterter Sack mit Kissen als Kopfauflage, bei dem die Arme frei blieben. Inzwischen gibt es vereinzelt auch sogenannte Ganzkörper-Pucksäcke zu kaufen, die - meist mit Hilfe eines Klettverschlusses - den Oberkörper und die Arme mit einpucken.

Weblinks

 Commons: Pucken – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Oeconomische Encyclopädie von Krünitz, Artikel Kind
  2. a b [Priscilla Robertson: Das Heim als Nest. Mittelschichten-Kindheit in Europa im 19. Jahrhundert]
  3. P. Franco et al.: Influence of Swaddling on Sleep and Arousal Characteristics of Healthy Infants. In Pediatrics 2005; 115:1307-1311 Volltext online (englisch)
  4. C. M. Gerard et al.: Spontaneous arousals in supine infants while swaddled and unswaddled during rapid eye movement and quiet sleep. In: Pediatrics 2002; 110:70-77 Volltext online (englisch)
  5. S. Ohgi et al.: Randomised controlled trial of swaddling versus massage in the management of excessive crying in infants with cerebral injuries In: Arch. Dis. Child. 2004; 89:212-216 Volltext online (englisch)

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