RISM

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Beispiel für eine Musikhandschrift: Johann Sebastian Bach, Sonate für Violine solo, BWV 1001

Das Répertoire International des Sources Musicales (Abkürzung RISM, dt. Internationales Quellenlexikon der Musik, engl. International Inventory of Musical Sources) ist eine 1952 in Paris gegründete, länderübergreifende und gemeinnützig orientierte Organisation mit dem Ziel, die weltweit überlieferten Quellen zur Musik umfassend zu dokumentieren. Die Organisation ist das größte und einzige global operierende Unternehmen zur Dokumentation schriftlicher musikalischer Quellen.

Die erfassten musikalischen Quellen sind handschriftliche oder gedruckte Noten, Schriften über Musik und Textbücher. Sie werden in Bibliotheken, Archiven, Klöstern, Schulen und Privatsammlungen aufbewahrt. RISM weist nach, was vorhanden ist und wo es aufbewahrt wird. In der Fachwelt ist RISM als zentrale Nachweisstelle für Quellen der Musik weltweit anerkannt.

Durch die Katalogisierung in einem umfassenden Lexikon werden die musikalischen Überlieferungen einerseits vor Verlust geschützt und andererseits der Musikwissenschaft und ausführenden Musikern zugänglich gemacht.

Inhaltsverzeichnis

Organisation

In 33 Ländern beteiligen sich eine oder mehrere nationale RISM-Arbeitsgruppen an diesem Projekt. Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschreiben die musikalischen Quellen, die in ihren Ländern aufbewahrt werden. Die Arbeitsergebnisse leiten sie an die RISM-Zentralredaktion in Frankfurt am Main weiter, welche die Titelmeldungen redaktionell bearbeitet und veröffentlicht.

In folgenden Ländern und Städten finden sich zur Zeit RISM-Arbeitsgruppen:

  • Australien: Adelaide
  • Belgien: Brüssel und Löwen
  • Brasilien: Bahia, Brasília, Campinas,
  • Rio de Janeiro und São Paulo
  • Dänemark: Kopenhagen
  • Deutschland: Dresden und München
  • Estland: Tallinn
  • Finnland: Åbo/Turku
  • Frankreich: Paris
  • Griechenland: Thessaloniki
  • Großbritannien: London
  • Irland: Waterford
  • Italien: Mailand und Rom
  • Japan: Tokio
  • Kanada: London (Ontario)
  • Kroatien: Zagreb
  • Lettland: Riga
  • Niederlande: Den Haag
  • Norwegen: Trondheim
  • Österreich: Innsbruck, Salzburg und Wien
  • Polen: Breslau, Danzig und Warschau
  • Portugal: Lissabon
  • Rumänien: Bukarest
  • Russland: Moskau und St. Petersburg
  • Schweden: Stockholm
  • Schweiz: Bern
  • Slowakei: Bratislava
  • Slowenien: Ljubljana
  • Spanien: Barcelona
  • Tschechien: Prag
  • Ukraine: Kiew und L’viv
  • Ungarn: Budapest
  • USA: Cambridge
  • Weißrussland: Minsk

Publikationen

Die Publikationen des RISM sind unterteilt in folgende Reihen:

  • die alphabetische Serie A
  • die systematische Serie B
  • das Musikbibliotheksverzeichnis Serie C

Darüber hinaus dokumentieren die Arbeitsgruppen in eigenen Libretto-Projekten Textbücher, die in ihren jeweiligen Ländern überliefert sind.

RISM Serie A/I – Notendrucke

Die RISM Serie A/I Einzeldrucke vor 1800 katalogisiert gedruckte Noten aus der Zeit von ca. 1500 bis 1800. In den neun Bänden der Reihe (1971 bis 1981) werden über 78000 Musikdrucke von 7616 Komponisten aus 2178 Bibliotheken nachgewiesen. Zwischen 1986 und 1999 erschienen vier Supplement-Bände, 2003 folgte ein Registerband mit Verlegern, Druckern, Stechern und Verlagsorten. Alle Bände der RISM Serie A/I sind im Bärenreiter-Verlag, Kassel, erschienen. Für 2009 ist eine CD-ROM der Serie A/I vorgesehen. Der alphabetisch nach Komponistennamen geordnete Katalog enthält ausschließlich Individualdrucke, also Notendrucke mit Werken eines einzigen Komponisten. Sammeldrucke (Notendrucke mit Werken verschiedener Komponisten) werden in der RISM Serie B veröffentlicht.

Die einzelnen Einträge enthalten folgende Angaben:

  • Komponistenname
  • gegebenenfalls Opus- oder Werkverzeichnisnummer
  • Titel des Drucks
  • Präsentationsform, d. h. Partitur, Stimmen, Klavierauszug
  • Verlagsort
  • Verleger
  • eventuell Erscheinungsjahr

Neben der Intention, Forschern und Musikern den Weg zur Primärquelle zu ebnen, bietet ein solcher Katalog auch für andere Interessensgebiete und Fragestellungen attraktive Möglichkeiten. So kann man etwa im Rahmen der Rezeptionsforschung interessante Hinweise finden. Um beispielsweise die Frage zu beantworten, in welcher Weise die Musik eines Komponisten nach dessen Tod gepflegt wurde, ist es wichtig zu wissen, wie viele und welche Werke in Neuauflagen gedruckt wurden.

RISM Serie A/II – Musikhandschriften

Detaillierte Beschreibung einer Musikhandschrift der RISM Serie A/II: Die Oper Adriano in Siria von Geminiano Giacomelli.

Die RISM Serie A/II Musikhandschriften nach 1600 verzeichnet ausschließlich handgeschriebene Noten. Sie werden nach einem einheitlichen Schema mit mehr als 100 Kategorien detailliert beschrieben und in einer Datenbank in der RISM-Zentralredaktion in Frankfurt am Main gespeichert.

Mittlerweile stehen mehr als 614000 Werknachweise von ca. 32000 Komponistinnen und Komponisten zur Verfügung (stetig anwachsend; hier: Stand Dezember 2008). Die Gesamtzahl der weltweit vorhandenen Musikhandschriften ist um ein Vielfaches höher.

Die Nachweise stammen derzeit von 793 Bibliotheken aus 32 Ländern: Australien, Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Kroatien, Mexiko, Neuseeland, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, der Schweiz, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Uruguay, Weißrussland, der Ukraine und den USA. Damit ist die Datenbank von RISM die bei weitem umfangreichste greifbare Dokumentation auf diesem Gebiet.

Seit 1995 wird aus der Datenbank jährlich eine kumulierte CD-ROM-Ausgabe erstellt und beim K. G. Saur Verlag, München, veröffentlicht. Sie stellt für die Recherche zu Musikhandschriften eine Vielzahl von Zugriffsmöglichkeiten bereit. Die Benutzeroberfläche und die Hilfetexte des Programms sind in fünf Sprachen verfügbar (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch).

Die Suche nach Messen von Joseph und Michael Haydn in der CD-ROM von RISM ergibt 1552 Einträge.

Die Benutzer können zahlreiche Indizes auswerten und zwischen 15 verschiedenen, miteinander kombinierbaren Suchkriterien wählen, beispielsweise:

  • Komponist
  • Einordnungstitel (z.B. "Aida" oder "Symphonies")
  • Tonart
  • Besetzung
  • Musik-Incipit (Beginn des Notentextes)
  • Rolle (z.B. "Papageno" oder "Donna Anna")
  • Manuskriptdatierung
  • Werkverzeichnis-Nummer
Das Musik-Incipit wird mit Hilfe eines Ziffern- und Buchstabencodes eingegeben und führt (möglicherweise) zu einem Werk, das bereits in der RISM-Datenbank vorhanden ist.

Spezielle Fragestellungen werden durch die gezielte Verknüpfung der Indizes beantwortet. Sämtliche bei RISM verzeichnete Quellennachweise zu Joseph und Michael Haydns Messen beispielsweise sind sofort ermittelbar.

Bei der Identifikation eines anonym überlieferten Werkes stellt die Suche nach Musik-Incipits eine Erfolg versprechende Recherchemöglichkeit dar. Dazu gibt der Benutzer über die Computer-Tastatur mit Hilfe eines Zahlen- und Buchstabencodes die Anfangstöne der ihm vorliegenden Komposition ein. Daraufhin erscheinen die Noten in grafischer Form und führen – wenn vorhanden – zu identischen Einträgen, die bereits identifiziert sind.

Seit 2002 steht die Datenbank zur RISM Serie A/II auch im Internet zur Verfügung (siehe: NISC, Inc., Baltimore). Sie wird dort jeweils im Juli und nach Erscheinen der CD-ROM im Dezember aktualisiert. Der Zugang ist kostenpflichtig.

Die CD-ROM oder der Zugriff auf die Internet-Datenbank sind weltweit in den meisten großen Bibliotheken vorhanden.

RISM Serie B

Die RISM Serie B bildet eine systematische Reihe, die geschlossene Quellengruppen dokumentiert. Bis heute sind folgende Bände im G. Henle Verlag, München, erschienen (in Klammern folgt gegebenenfalls die Übersetzung der fremdsprachigen Titel ins Deutsche):

  • B/I und B/II: Recueils imprimés XVIe–XVIIIe siècles (2 Bände). (Gedruckte Sammlungen des 16. bis 18. Jahrhunderts)
  • B/III: The Theory of Music from the Carolingian Era up to c. 1500. Descriptive Catalogue of Manuscripts (6 Bände). (Die Musiktheorie der karolingischen Epoche bis etwa 1500. Beschreibender Katalog der Manuskripte)
  • B/IV: Handschriften mit mehrstimmiger Musik des 11. bis 16. Jahrhunderts (5 Bände, 1 Supplementband).
  • B/V: Tropen- und Sequenzenhandschriften.
  • B/VI: Écrits imprimés concernant la musique (2 Bände). (Gedruckte Schriften zur Musik)
  • B/VII: Handschriftlich überlieferte Lauten- und Gitarrentabulaturen des 15. bis 18. Jahrhunderts.
  • B/VIII: Das Deutsche Kirchenlied (2 Bände, Kassel: Bärenreiter-Verlag).
  • B/IX: Hebrew Sources (2 Bände). (Hebräische Quellen)
  • B/X: The Theory of Music in Arabic Writings c. 900–1900 (2 Bände). (Die Musiktheorie in arabischen Schriften von etwa 900–1900)
  • B/XI: Ancient Greek Music Theory. A Catalogue Raisonné of Manuscripts. (Altgriechische Musiktheorie. Ein kommentiertes Verzeichnis der Manuskripte)
  • B/XII: Manuscrits persans concernant la musique. (Persische Manuskripte zur Musik)
  • B/XIV: Les manuscrits du processionnal (2 Bände). (Die Manuskripte des Prozessionale)
  • B/XV: Mehrstimmige Messen in Quellen aus Spanien, Portugal und Lateinamerika, ca. 1490–1630.

RISM Serie C

Die RISM Serie C verzeichnet unter dem Titel Directory of music research libraries in fünf Bänden alle Musikbibliotheken, -archive und Privatsammlungen, die historisches Material aufbewahren. Dieses Musikbibliotheksverzeichnis entsteht in Zusammenarbeit mit dem Publication Committee der Association Internationale des Bibliothèques, Archives et Centres de Documentation Musicaux (AIBM). Der 1999 erschienene Sonderband RISM-Bibliothekssigel. Gesamtverzeichnis ist seit 2006 in einer regelmäßig aktualisierten Fassung auf der Webseite von RISM abrufbar.[1]

Benutzer der RISM-Publikationen

  • Musikwissenschaftler, die Quellen zu ihrem Forschungsgegenstand suchen und beispielsweise die Grundlagen zur Erarbeitung von Werkverzeichnissen und Editionen der Notentexte erhalten;
  • Musiker, die hier in unermesslicher Fülle weniger bekannte Werke für ein Konzertprogramm jenseits des gängigen Repertoires finden;
  • Bibliothekare, die parallele Quellenüberlieferungen zu den Beständen der eigenen Bibliothek recherchieren können;
  • Musikantiquare, die mit RISM herausfinden, in welcher Menge die von ihnen angebotenen Musikdrucke heute noch existieren.

Literatur

  • Union der deutschen Akademien der Wissenschaften: Musikwissenschaftliche Editionen, Jahresbericht 2007, Mainz 2008, S. 59–68
  • Fontes Artis Musicae, LV/1 (2008), pp. 44–50 (Jahresbericht 2007 auf Deutsch und Englisch)
  • Acta Musicologica, LXXX/1 (2008), pp. 135–142 (Jahresbericht 2007 auf Deutsch und Englisch)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. siehe: RISM-Bibliothekssigel und Informationen zu den RISM-Bibliothekssigeln

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