Rassendiskriminierung

Rassendiskriminierung

Rassismus in der einfachsten, biologistischen Bedeutung deutet "Rasse" als grundsätzlichen bestimmenden Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften. Der Begriff Rassismus entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der kritischen Auseinandersetzung mit auf Rassentheorien basierenden politischen Konzepten. In anthropologischen Theorien über den Zusammenhang von Kultur und rassischer Beschaffenheit wurde der biologische Begriff der Rasse mit dem ethnisch-soziologischen Begriff „Volk“ vermengt. Ein Zusammenhang phänotypischer Merkmale mit charakterlichen oder intellektuellen Eigenschaften besitzt jedoch keine wissenschaftliche Grundlage[1]

Rassismus zielt dabei nicht auf subjektiv wahrgenommene Eigenschaften einer Gruppe, sondern stellt deren Gleichrangigkeit und im Extremfall die Existenz der anderen in Frage. Rassische Diskriminierung versucht typischerweise auf (projizierte) phänotypische und davon abgeleitete persönliche Unterschiede zu verweisen.

Unabhängig von seiner Herkunft kann Rassismus jeden Menschen betreffen. Die Konvention der Vereinten Nationen unterscheidet nicht zwischen rassischer und ethnischer Diskriminierung, ein erweiterter Rassismusbegriff kann auch eine Vielzahl anderer Kategorien mit einbeziehen. Menschen mit rassistischen Vorurteilen diskriminieren andere aufgrund solcher Zugehörigkeit, institutioneller Rassismus verweigert bestimmten Gruppen Vorteile und Leistungen oder privilegiert andere. Rassistische Theorien und Argumentationsmuster dienen der Rechtfertigung von Herrschaftsverhältnissen und der Mobilisierung von Menschen für [2] politische Ziele.[3] Die Folgen von Rassismus reichen von Vorurteilen und Diskriminierung über Rassentrennung, Sklaverei und Pogrome bis zu sogenannten «Ethnischen Säuberungen» und Völkermord.

Inhaltsverzeichnis

Allgemein

Rassismus, im strengen Sinne des Wortes, erklärt soziale Phänomene anhand pseudowissenschaftlicher Analogieschlüsse aus der Biologie. Als Reaktion auf die egalitären Universalitätsansprüche der Aufklärung versucht er eine scheinbar unantastbare Rechtfertigung sozialer Ungleichheit durch den Bezug auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Kultur, sozialer Status, Begabung und Charakter, Verhalten, etc. gelten als durch die erbbiologische Ausstattung determiniert. Eine vermeintlich natur- oder gottgegebene, hierarchisch-autoritäre Herrschaftsordnung und die daraus gefolgerten Handlungszwänge dienen der Rechtfertigung von Diskriminierung, Ausgrenzung, Unterdrückung, Verfolgung oder Vernichtung von Individuen und Gruppen - sowohl auf individueller als auch auf institutioneller Ebene. Hautfarbe, Blut und Gene, aber auch Sprache, Religion oder Kultur stabilisieren die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Gruppen und sollen die Vorrangstellung des Eigenen vor dem Fremden sichern. Der zivilisatorische Fortschritt der Moderne wird als dekadente, einer natürlichen Ungleichheit der Menschen widersprechende, Verfallsgeschichte interpretiert. [4]

Die Wurzeln des Rassismus reichen zurück bis in die frühe Geschichte der Menschheit. Der Historiker Imanuel Geiss sieht in den historischen Grundlagen des indischen Kastenwesens die „älteste Form quasi-rassistischer Strukturen“ (Geiss, S. 49 f.).[5] Laut Geiss nahmen sie ihren Anfang spätestens mit der Eroberung Nordindiens durch die Arier gegen 1500 v.d.Z.; „Hellhäutige Eroberer pressten unterworfene Dunkelhäutige als »Sklaven« in die Apartheid einer Rassen-Kasten-Gesellschaft, die sich auf Dauer in der ursprünglichen Form nicht halten ließ, aber zur extremen Fragmentierung und Abschottung der Kasten als unübersteigbare Lebens-, Berufs-, Wohn-, Essens- und Ehegemeinschaften führte“ (ebenda).[5] Im antiken Griechenland wurden die Barbaren zwar nicht als «rassisch minderwertig», sondern "nur" als kulturell, bzw. zivilisatorisch Zurückgebliebene betrachtet,[6] aber auch hier sprechen einige Historiker von prototypischem - oder auch Proto-Rassismus.

Der »moderne« westliche Rassismus entstand im 14. und 15. Jahrhundert und wurde ursprünglich eher in religiöser als in naturwissenschaftlicher Diktion artikuliert (Fredrickson, S. 14).[7] Ab 1492, nach der Reconquista, der Rückeroberung Andalusiens durch die Spanier, wurden Juden und Muslime als «fremde Eindringlinge» oder schlicht als «marranos» (Schweine) verfolgt und aus Spanien vertrieben. Zwar existierte die formale Möglichkeit der (mehr oder weniger freiwilligen) Taufe, um Vertreibung oder Tod zu entrinnen, jedoch wurde angenommen, bzw. unterstellt, dass die «conversos» (konvertierte Juden) oder «moriscos» (konvertierte Mauren) weiterhin heimlich ihren Glauben ausübten,[8] wodurch den Konvertiten faktisch die Möglichkeit genommen wurde, vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu werden. Das "Jüdische" oder das "Islamische", aber auch das "Christliche", wurde zum inneren Wesen, zur «Essenz» des Menschen erklärt und die Religionszugehörigkeit so zur unüberwindlichen Schranke. Die Vorstellung, die Taufe oder Konversion reiche nicht, um den Makel zu tilgen, essentialisiert oder naturalisiert die Religion und gilt vielen Historikern daher als Geburt des modernen Rassismus. Die Vorstellung, ein Jude oder Moslem behielte auch dann sein jüdisches oder muslimisches «Wesen», wenn er seine Religion geändert hat -, es liege ihm gewissermaßen im Blute - ist im Kern rassistisch. „Die alte europäische Überzeugung, dass Kinder dasselbe «Blut» haben, wie ihre Eltern, war eher eine Metapher und ein Mythos als ein empirischer wissenschaftlicher Befund, aber sie sanktionierte eine Art genealogischem Determinismus, der in Rassismus umschlägt, wenn er auf ganze ethnische Gruppen angewandt wird“ (Fredrickson, S. 15).[7] Die „Estatutos de limpieza de sangre“ (Statuten von der «Reinheit des Blutes»), erstmalig niedergelegt 1449 vom späteren Großinquisitor Torquemada, gelten einigen Autoren als Vorwegnahme der Nürnberger Rassegesetze.[9]Die spanische Doktrin von der Reinheit des Blutes war in dem Maße, wie sie tatsächlich durchgesetzt wurde, zweifellos eine rassistische Lehre. Sie führte zur Stigmatisierung einer ganzen ethnischen Gruppe aufgrund von Merkmalen, die - so die Behauptung - weder durch Bekehrung noch durch Assimilation zu beseitigen waren“ (Fredrickson, S. 38 f.).[7] Aus der christlichen Glaubensgemeinschaft, der eigentlich jeder angehört, der durch die Taufe zu einem Teil der Gemeinschaft geworden ist, war eine Abstammungsgemeinschaft, ein Rassenäquivalent, geworden – ein Vorgang, in dem sich fast 500 Jahre vor dem Nationalsozialismus das rassistische Ideologem vom «Volkskörper» mit den damit einhergehenden Vorstellungen, beispielsweise von der «Unreinheit des jüdischen Blutes», ankündigt.

Dieser mittelalterliche Rassismus blieb jedoch zunächst eingebunden in den Zusammenhang mythischer und religiöser Vorstellungen, es fehlte der Bezug auf eine naturwissenschaftlich begründete Biologie. Erst als religiöse Gewissheiten in Frage gestellt, und die Trennung zwischen Körper und Seele zugunsten eines materialistisch-naturwissenschaftlichen Weltbildes aufgehoben wurden, waren die geistesgeschichtlichen Voraussetzungen für einen Rassismus neuzeitlicher Prägung gegeben.[10]Der Rassismus konnte sich in dem Maße zu einer komplexen Bewusstseinsform entwickeln, wie sich rassistische Bewusstseinselemente aus den theologischen Bindungen des Mittelalters „emanzipieren“ konnten.[11] Pseudowissenschaftliche Rassentheorien sind gewissermaßen ein „Abfallprodukt der Aufklärung“,[12] deren scheinbar naturwissenschaftliche Argumentation auch und gerade von großen Aufklärern rezipiert wurde. „Mit ihrem leidenschaftlichen, manchmal an Fanatismus grenzenden Bestreben, die Welt »logisch« zu ordnen, mit ihrer Manie, alles zu klassifizieren, haben die Philosophen und Gelehrten der Aufklärung dazu beigetragen, jahrhundertealten rassistischen Vorstellungen eine ideologische Kohärenz zu geben, die sie für jeden anziehend machte, der zu abstraktem Denken neigte.[13]
So schrieb einst Voltaire: «Die Rasse der Neger ist eine von der unsrigen völlig verschiedene Menschenart, wie die der Spaniels sich von der der Windhunde unterscheidet [..] Man kann sagen, dass ihre Intelligenz nicht einfach anders geartet ist als die unsrige, sie ist ihr weit unterlegen.».[14][15]
Ursprünglich metaphysisch und religiös begründet, erhielt der Rassismus durch die Aufklärung ein weiteres, ein säkulares Fundament.
Teilte 1666 der Leydener Professor Georgius Hornius die Menschheit in Japhetiten (Weiße), Semiten (Gelbe) und Hamiten (Schwarze), weil er gemäß der biblischen Überlieferung glaubte, die gesamte Menschheit stamme von den drei Söhnen Noachs, Japhet, Sem und Ham ab, so stellte keine 20 Jahre später, 1684, der französische Gelehrte François Bernier eine Rassensystematik vor, in der er die Menschen anhand äußerer Merkmale, wie Hautfarbe, Statur und Gesichtsform in 4-5 ungleich entwickelte Rassen kategorisierte. Lastete auf den Schwarzen zuvor der Fluch des Ham[16] und auf den Juden die kollektive Schuld des Gottesmordes, so wurden nun »wissenschaftliche« Gründe angeführt die deren »rassische« Andersartigkeit oder Minderwertigkeit »beweisen« sollten.
Naturforscher wie Linné, Buffon, Blumenbach, Immanuel Kant und viele andere katalogisierten und klassifizierten Tier- und Pflanzenreich, aber auch die damals bekannte Menschheit und schufen so die Grundlagen der "Naturgeschichte des Menschen", der Anthropologie. Doch war deren Arbeit von Anfang an durch überlieferte Mythen und Vorurteile belastet. Besonders die von der mittelalterlichen Theologie überlieferte und in die säkulare neuzeitliche Wissenschaft übernommene Scala Naturae, die »Stufenleiter der Wesen«, spielte dabei eine gewichtige Rolle. Diese Vorstellung ordnete allem Leben einen festen Platz in einer Hierarchie »niederer« und »höherer« Wesen zu. Sie trug einerseits zur Bildung von Theorien über Evolution und Höherentwicklung bei, führte jedoch andererseits, übertragen auf den Menschen, zur Unterscheidung älterer und jüngerer »Rassenschichten«, die mit »primitiv« und »fortschrittlich« gleichgesetzt wurden. [17]Hätten sich die Anthropologen darauf beschränkt, die Menschengruppen nach ihren physischen Merkmalen zu gliedern und daraus keine weiteren Schlüsse zu ziehen, wäre ihre Arbeit so harmlos wie die des Botanikers oder Zoologen und lediglich deren Fortsetzung gewesen. Doch stellte sich schon gleich zu Beginn heraus, dass diejenigen, die die Klassifikationen vornahmen, sich das Recht anmaßten, über die Eigenschaften der Menschengruppen, die sie definierten, zu Gericht zu sitzen: indem sie von den physischen Merkmalen Extrapolationen auf geistige oder moralische vornahmen, stellten sie Hierarchien von Rassen auf.[18]
Was immer Linné, Blumenbach und andere Ethnologen des 18. Jahrhunderts beabsichtigt hatten - sie waren jedenfalls die Wegbereiter für einen säkulären beziehungsweise "wissenschaftlichen" Rassismus“ (Fredrickson, S. 59).[7]

Durch die Wertung phänotypischer Merkmale anhand ästhetischer Kriterien, sowie ihrer Verknüpfung mit geistigen, charakterlichen oder kulturellen Fähigkeiten bereiteten die im 18. Jahrhundert ausgearbeiteten Rassentypologien den Boden für den voll entfalteten biologischen Rassismus des 19. und 20. Jahrhunderts (vgl. Fredrickson, S. 61-63).[7] Joseph Arthur Comte de Gobineau, den Poliakov als den „großen Herold biologisch gefärbten Rassismus“ bezeichnet, gilt als Erfinder der arischen Herrenrasse und Begründer der modernen Rassenlehre, bzw. als theoretischer Vordenker des modernen Rassismus.[19] Den Niedergang seines Standes erklärte der französische Adlige als Folge der rassischen Degeneration. Zudem prophezeite er, dass die Vermischung des Blutes unterschiedlicher Rassen unweigerlich zum Aussterben der Menschheit führe.[20]

Im 20. Jahrhundert haben sich in vielen Ländern ausgeprägte Formen des Rassismus herausgebildet, die zum Teil zu offiziellen Ideologien der jeweiligen Staaten wurden – Beispiele sind:

Seit 1995, der UNESCO-Deklaration gegen den "Rasse"-Begriff [21], zur UNESCO-Konferenz »Gegen Rassismus, Gewalt und Diskriminierung« in Stadtschlaining, wird nicht nur jede biologische, sondern auch jede soziologische Ableitung rasseähnlicher Kategorien geächtet:

  • Kriterien, anhand derer Rassen definiert werden, seien beliebig wählbar.
  • Die genetischen Unterschiede zwischen Menschen innerhalb einer „Rasse“ seien im Durchschnitt quantitativ größer als die genetischen Unterschiede zwischen verschiedenen „Rassen“.
  • Von ausgeprägten Körpereigenschaften wie der Hautfarbe sei kein Schluss auf andere Eigenschaften und keine Bewertung derselben möglich.

Der 21. März ist der Internationaler Tag gegen Rassismus. Im Jahr 2006 steht dort die Bekämpfung der alltäglichen Diskriminierung, des sog. Alltagsrassismus im Vordergrund. UNO-Berichterstatter über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist Doudou Diène.

Begriff

Begriffsgeschichte

Rassismus als soziales und psychologisches Phänomen existiert unabhängig von Rassentheorien,[22] als rassistisch zu beschreibende Gruppenkonflikte lassen sich bis in die frühe Menschheitsgeschichte nachweisen.[5] Rassismus als systematisches Lehrgebäude dagegen entwickelte sich seit dem ausgehenden 18. Jh. im kontinentalen Europa und der angelsächsischen Welt.[23]

Der Begriff «Rassismus» tauchte jedoch erst zu einem Zeitpunkt auf, als am Rassenbegriff oder zumindest an einigen seiner Verwendungen Zweifel aufkamen. Er entstand im frühen 20. Jahrhundert, in der Auseinandersetzung mit völkischen Theorien; „und in der Endung «-ismus» schlug sich die Auffassung von Historikern und anderen Autoren nieder, dass es sich dabei um fragwürdige Ansichten und Überzeugungen handele, nicht um unbestreitbare Naturtatsachen“ (Fredrickson, S. 159).[7] Die Rassisten selbst hingegen, verstanden sich positiv als Vertreter einer «Rassenkunde» oder «Rassenlehre» und lehnten folgerichtig «Rassismus» zur Umschreibung ihrer Ansichten ab (Geiss, S. 17 u. 341).[5] Meyers Lexikon definierte 1942 Rassismus folgendermaßen:

Rassismus, urspr. Schlagwort des demokr.-jüd. Weltkampfes gegen die völkischen Erneuerungsbewegungen und deren Ideen u. Maßnahmen, ihre Völker durch Rassenpflege zu sichern und das rassisch wie völkisch und politisch-wirtschaftlich zerstörende Judentum sowie anderweitiges Eindringen fremden Blutes abzuwehren und auszuschlagen, als inhuman und ihre Träger als «Rassisten» zu verleumden.[24]

Pionierarbeit in vielerlei Hinsicht leistete Théophile Simar. Sein 1922 erschienenes Werk „Étude critique sur la formation de la doctrine des races au XVIIIe siècle et son expansion au XIXe siècle“ gilt als das erste, in dem die Begriffe «Rassismus» und «rassistisch» Anwendung fanden. Darin setzte er sich äußerst kritisch mit der These der germanischen bzw. teutonischen Überlegenheit über die anderen europäischen - besonders die romanischen - Völker auseinander und kam dabei zu dem Schluss, dass derartige Konzepte wissenschaftlich nicht stichhaltig seien und ausschließlich politischen Zwecken dienen (Fredrickson, S. 161 - 162).[7]

1935 kritisierten Julian Huxley und Alfred C. Haddon in ihrem Buch „We Europeans: A survey of Racial problems“, dass es für die Idee verschiedener, voneinander abgegrenzter Menschenrassen keinerlei wissenschaftliche Beweise gebe. Klassifikationen anhand phänotypischer oder somatischer Merkmale und darauf basierende Bewertungen sowie jede Form von «Rassenbiologie» lehnten sie als pseudowissenschaftlich ab. Sie forderten daher, das Wort Rasse aus dem wissenschaftlichen Vokabular zu streichen und durch die Bezeichnung "ethnische Gruppe" zu ersetzen. Die Rassentheorien der Nazis bezeichneten sie als „Glaubensbekenntnis eines leidenschaftlichen Rassismus“. „Der Rassismus ist ein Mythos und ein gefährlicher dazu. Er ist ein Deckmantel für selbstsüchtige ökonomische Ziele, die in ihrer unverhüllten Nacktheit hässlich genug aussehen würden.“ Die biologische Anordnung der europäischen Menschentypen sei ein subjektiver Vorgang und der Mythos des Rassismus ein Versuch, den Nationalismus zu rechtfertigen.[25]

Jacques Barzun klassifizierte in seinem richtungsweisenden Werk „Race: a Study in Superstition“ von 1937 den «Rassengedanken» (racialism)[26] als modernen Aberglauben und eine Form irregeleiteten Denkens.[27] Rasse, so erklärte er, „war in Deutschland ein Mittel, um dem deutschen Volk nach der nationalen Erniedrigung von Versailles und danach ein Gefühl der Selbstachtung zurückzugeben.“ Er beschreibt ferner, wie auch schon früher und an anderen Orten Rassismus dazu benutzt wurde, um dem «Nationalen» Aufschwung zu verleihen (vgl. Fredrickson, S. 167).[7] Bereits im ersten Kapitel wies er darauf hin, dass nicht nur die deutsche Einstellung gegenüber den Juden rassistisch sei, sondern ebenso die Annahme der «weißen Überlegenheit gegenüber den Schwarzen», die Furcht vor der asiatischen «Gelben Gefahr» oder die Überzeugung, Amerika müsse die angelsächsische Rasse davor beschützen durch südeuropäisches, jüdisches oder das «Blut der Neger» verunreinigt zu werden. Seine umfassende Analyse der rassistischen Ideenwelt seiner Zeit beinhaltete u.A.:

  • die rassische Umdeutung der Rivalität zwischen Deutschland und Frankreich zu einer Auseinandersetzung zwischen Ariern und Kelten;
  • die Zurückführung des Siegeszuges des Sozialismus auf eine jüdische Verschwörung;
  • die Behauptung, die germanischen Rassen seien im Aufstieg und die romanischen im Niedergang begriffen;
  • sowie die Überzeugung, die Weißen müssen sich gegen «die farbigen Horden von Schwarzen, Roten und Gelben» verbünden, um die «europäische Kultur» bzw. die Zivilisation überhaupt vor dem Untergang zu bewahren (Fredrickson, S. 167).[7]

Größeren Bekanntheitsgrad erlangte der Begriff «Rassismus» erst durch den Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld, dessen zwischen 1933 und 1934 verfasste Analyse und Widerlegung der nationalsozialistischen Rassendoktrin posthum, in englischer Übersetzung, unter dem Titel „Racism“ veröffentlicht wurde. In dem 1938 erschienenen Werk erklärte Hirschfeld den Aufstieg des deutschen Antisemitismus als Folge der Probleme, die aus der Niederlage im Ersten Weltkrieg erwuchsen. Rassismus diene als Sicherheitsventil gegen ein Katastrophengefühl und scheine für die Wiederherstellung der Selbstachtung zu sorgen, zumal er sich gegen einen leicht erreichbaren und wenig gefährlichen Feind im eigenen Land richte und nicht gegen einen achtenswerten Feind jenseits der nationalen Grenzen.[28] Dem Konzept der "Rasse" konnte auch er nichts abgewinnen, was von wissenschaftlichem Wert wäre; stattdessen empfahl er die Streichung des Ausdrucks, „soweit damit Unterteilungen der menschlichen Spezies gemeint sind“.[29] Doch bot auch Hirschfeld keine formale Definition des «Rassismus» und machte auch nicht deutlich, worin seiner Ansicht nach der Unterschied zum Begriff der «Xenophobie» besteht, den er ebenfalls verwandte.

Die erste Rassismus-Definition stammt von der Amerikanerin Ruth Benedict. In ihrem 1940 erschienenen Buch „Race - Science and Politics“ bezeichnet sie Rassismus als „das Dogma, dass eine ethnische Gruppe von Natur aus zu erblicher Minderwertigkeit und eine andere Gruppe zu erblicher Höherwertigkeit bestimmt ist. Das Dogma, dass die Hoffnung der Kulturwelt davon abhängt, manche Rassen zu vernichten und andere rein zu erhalten. Das Dogma, dass eine Rasse in der gesamten Menschheitsgeschichte Träger des Fortschritts war und als einzige auch künftig Fortschritt gewährleisten kann“.
Bereits diese frühe Definition verwendet «Rasse» und «ethnische Gruppe» synonym, der Terminus «Rasse» wird dabei als soziologische Kategorie aufgefasst und kommt ohne biologischen Bezug aus. Benedict unterschied zunächst scharf zwischen religiösen und rassischen Differenzkonzepten und versuchte so den Rassismusbegriff auf den biologischen Rassismus einzugrenzen. Im weiteren Verlauf ihrer Studien gab sie diese Trennung jedoch auf und leitete eine «funktionale Äquivalenz» zwischen religiösem Fanatismus und solchen Abneigungen her, die mit Merkmalen der physischen Erscheinung oder der Abstammung gerechtfertigt werden. Beide führen, so Benedict, zu Formen der Verfolgung, für die lediglich unterschiedliche Rechtfertigungen formuliert werden, die sich aber in ihrem Wesen nicht unterscheiden.„In den Augen der Geschichte jedenfalls bleibt der Rassismus lediglich ein anderes Beispiel für die Verfolgung von Minderheiten zum Vorteil derer, die an der Macht sind“ (Fredrickson, S. 168).[7] Populär wurde Benedicts Definition durch Martin Luther King, der sie mehr als 25 Jahre später in seinem Buch „Where do we go from here: Chaos or Community?“ verwandte.

1965 definiert die UNO im Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung den Begriff der „Rassendiskriminierung“ als: „jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.

Gegenstand und Definition

Begriffliche Differenzierung

In der Wissenschaft existieren heute verschiedene Definitionen des Begriffs Rassismus. Tragweite, Gültigkeit und Erklärungsmacht der jeweiligen Definitionen variieren je nach Deutungsebene und Schwerpunkt. Der Begriff ist stark ideologisiert, so dass die Akzeptanz oder Ablehnung verschiedener Definitionen auch von politischen oder ethischen Präferenzen abhängen kann. Die jeweils extremsten Deutungen weiten den Begriff entweder sehr aus, bis hin zum sog. „Speziesismus“, oder schränken ihn stark ein, so dass er lediglich den „klassischen“, also auf Rassentheorien basierenden Rassismus umfasst[30], oder verlangen zwingend ein über bloße Diskriminierung hinausgehendes eliminatorisches Element, oder stellen den Begriff sogar gänzlich in Frage, weil es sich dabei um eine „evolutionspsychologische Selbstverständlichkeit“ handele.[31] Definitionsgegenstände können historische Tatbestände sein, praktische Strukturen und Prozesse aber auch Theorien, Ideologien, Denkmethoden und abstrakte Konzepte oder der «Rassismus an sich».

Der marxistische Rassismusforscher Étienne Balibar stellte fest, „dass es nicht «einen» invarianten Rassismus, sondern «mehrere» Rassismen gibt, die ein ganzes situationsabhängiges Spektrum bilden [..] Eine bestimmte rassistische Konfiguration hat keine festen Grenzen, sie ist ein Moment einer Entwicklung, dass je nach seinen eigenen latenten Möglichkeiten, aber auch nach den historischen Umständen und den Kräfteverhältnissen in den Gesellschaftsformationen einen anderen Platz im Spektrum möglicher Rassismen einnehmen kann.[32]

Der Historiker Patrick Girard sah bereits 1976 die Notwendigkeit eines differenzierteren Rassismusbegriffes: „Zum Beispiel waren offensichtlich Juden, Indianer und Schwarze alle Opfer verschiedener Spielarten des Rassismus. Sie waren das aber auf Grund ganz unterschiedlicher Voraussetzungen in ganz verschiedenen Epochen und aus ganz verschiedenen Gründen. Daher ist es vorzuziehen, von «Rassismen» und nicht von «Rassismus» zu sprechen, wobei der Antisemitismus, wie wir sehen werden, eine Sonderstellung einnimmt“. [33]

Auch der Soziologe Stuart Hall u.a. unterscheiden aus praktischen und analytischen Erwägungen heraus zwischen dem «allgemeinen Rassismus» und seinen verschiedenen Ausformungen, den Rassismen:

Es gibt keinen Rassismus als allgemeines Merkmal menschlicher Gesellschaften, nur historisch-spezifische Rassismen. [34]

Empirisch hat es viele Rassismen gegeben, wobei jeder historisch spezifisch und in unterschiedlicher Weise mit den Gesellschaften verknüpft war, in denen er aufgetreten ist.[35]

Ich habe bislang über den allgemeinen Begriff des Rassismus gesprochen, über Rassismus im allgemeinen. Aber wo immer wir Rassismus vorfinden, entdecken wir, dass er historisch spezifisch ist, je nach der bestimmten Epoche, nach der bestimmten Kultur, nach der bestimmten Gesellschaftsform, in der er vorkommt. Diese jeweiligen spezifischen Unterschiede muss man analysieren. Wenn wir über konkrete gesellschaftliche Realität sprechen, sollten wir also nicht von Rassismus, sondern von Rassismen sprechen. [36]

In gleicher Weise argumentiert der Historiker George M. Fredrickson:

Diese Kontinuitäten [strukturelle Ähnlichkeiten von biologisch begründetem und «neuem kulturellem Rassismus»] weisen meiner Ansicht nach darauf hin, dass es eine allgemeine Geschichte des Rassismus und eine Geschichte partikulärer Rassismen gibt; doch um die verschiedenen Formen und Funktionen des allgemeinen Phänomens zu verstehen, mit denen wir uns befassen, ist es notwendig, den jeweils spezifischen Kontext zu kennen.[37]

Die Soziologen Loïc Wacquant und Albert Memmi empfehlen, „ein für alle mal auf die allzu dehnbare Reizvokabel Rassismus zu verzichten oder sie allenfalls zur Beschreibung empirisch analysierbarer Doktrinen und Überzeugungen von Rassen zu verwenden;[38] bzw. den Terminus «Rassismus», wenn überhaupt, dann ausschließlich zur Bezeichnung des Rassismus im biologischen Wortsinne zu gebrauchen (Memmi, S. 121).[39]
Memmi fasst den «Rassismus im weiteren Sinne» als einen «allgemeinen Mechanismus» auf, der jedoch in verschiedenen Spielarten auftritt, von denen der «Rassismus im engeren Sinne» nur eine ist. Weil ein Rassismus sich ohne ein Verständnis des anderen nur unzureichend begreifen lasse und der «Rassismus im weiteren Sinne» wesentlich stärker verbreitet sei, schien es ihm sinnvoll, „den biologischen Rassismus, historisch eine relativ junge Erscheinung, einer allgemeineren und viel älteren Verhaltensweise unterzuordnen“ (Memmi, S. 97).[39]Tatsächlich stützt sich die rassistische Anklage bald auf einen biologischen und bald auf einen kulturellen Unterschied. Einmal geht sie von der Biologie, dann wieder von der Kultur aus, um daran anschließend allgemeine Rückschlüsse auf die Gesamtheit der Persönlichkeit, des Lebens und der Gruppe des Beschuldigten zu ziehen. Manchmal ist das biologische Merkmal nur undeutlich ausgeprägt, oder es fehlt ganz. Kurz, wir stehen einem Mechanismus gegenüber, der unendlich mannigfaltiger, komplexer und unglücklicherweise auch stärker verbreitet ist, als der Begriff Rassismus im engen Wortsinne vermuten ließe. Es ist zu überlegen, ob man ihn nicht besser durch ein anderes Wort oder eine andere Wendung ersetzt, die sowohl die Vielfalt als auch die Verwandtschaft der einzelnen Formen des Rassismus zum ausdruck bringt“ (Memmi, S. 165 - 166).[39]Der Begriff Rassismus passt genau für die biologische Bedeutung“ und solle daher künftig ausschließlich für den Rassismus im biologischen Sinne gebraucht werden. Zur Bezeichnung der allgemeinen Erscheinung schlug Memmi ursprünglich Ethnophobie vor, entschied sich jedoch 1982 für den Begriff Heterophobie, denn „damit ließen sich jene phobischen und aggressiven Konstellationen begrifflich fassen, die gegen andere gerichtet sind und mit unterschiedlichen - psychologischen, kulturellen, sozialen oder metaphysischen - Argumenten gerechtfertigt werden, und von denen der Rassismus im engeren Sinne lediglich eine Variante wäre“ (Memmi, S. 121 - 122).[39]Mit «Rassismus» soll ausschließlich die Ablehnung des anderen unter Berufung auf rein biologische Unterschiede, mit «Heterophobie» soll die Ablehnung des anderen unter Berufung auf Unterschiede jedweder Art gemeint sein. Damit wird der Rassismus zu einem Sonderfall der Heterophobie“ (Memmi, Seite 124).[39] Mit dem Begriff «Heterophobie» ließen sich nach Ansicht Memmis auch weitere terminologische Probleme lösen, weil er einerseits alle Spielarten einer „aggressiven Ablehnung des anderen“ erfasse und sich umgekehrt auch leicht in seine verschiedenen Formen ummünzen lasse. „Statt von Antisemitismus[40] zu sprechen, einem offensichtlich ungenauen Terminus[41], könnte man den Begriff «Judenphobie» gebrauchen, der eindeutig die Angst vor dem Jüdischen und dessen Ablehnung bezeichnet; dasselbe gilt für die Begriffe «Negrophobie», «Arabophobie» usw.“ (Memmi, S. 123).[39]

Rassismusdefinition nach Albert Memmi

Für den französischen Soziologen Albert Memmi besteht Rassismus in einer „Hervorhebung von Unterschieden, in einer Wertung dieser Unterschiede und schließlich im Gebrauch dieser Wertung im Interesse und zugunsten des Anklägers.“ Jedoch mache keine dieser Vorgehensweisen für sich allein schon den Rassismus aus, dieser entstehe erst durch die Verknüpfung (Memmi, S. 44).[39]
Folgende Definition Memmis aus dem Jahre 1964 fand Eingang in die Encyclopædia Universalis,[42][43] wodurch sie möglicherweise die gebräuchlichste Rassismusdefinition überhaupt wurde:

Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen“ (Memmi, S. 103 u. 164).[39]

Diese Definition beinhaltet vier[44] Elemente, die Memmi für wesentlich erachtet und denen auch in der aktuellen Rassismusforschung zentrale Bedeutung zukommt:

Differenz

Die Grundlage des Rassismus besteht in der nachdrücklichen (Über)Betonung oder Konstruktion tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zwischen Rassist und Opfer. „Der Unterschied ist der Angelpunkt rassistischer Denk und Handlungsweise“ (Memmi, S. 48).[39] Memmi weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich dabei um einen «allgemeinen Mechanismus» handelt, er „[Der Rassismus] beschränkt sich weder auf die Biologie noch auf die Ökonomie, die Psychologie oder die Metaphysik; er ist eine vielseitig verwendbare Beschuldigung, die von allem Gebrauch macht, was sich anbietet, selbst von dem, was gar nicht greifbar ist, weil sie es je nach Bedarf erfindet“ (Memmi, S. 83).[39]Die Rassisten verabscheuen die Araber jetzt nicht mehr wegen ihrer sonnenverbrannten Haut oder ihrer levantinischen Gesichtszüge, sondern weil sie - «machen wir uns doch nichts vor» - einer lächerlichen Religion anhängen, ihre Frauen schlecht behandeln, grausam oder einfach rückständig sind“ (Memmi, S. 101).[39] Die Benutzung des Unterschiedes sei zwar für die rassistische Argumentation unentbehrlich, „aber es ist nicht der Unterschied, der stets den Rassismus nach sich zieht, es ist vielmehr der Rassismus, der sich den Unterschied zunutze macht“. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Unterschied real sei oder reine Fiktion, für sich allein wichtig oder unbedeutend. „Wenn es keinen Unterschied gibt, dann wird er vom Rassisten erfunden; gibt es ihn hingegen, dann wird er von ihm zu seinem Vorteil interpretiert“ (Memmi, S. 167).[39]

Wertung

Das bloße Aufzeigen einer Verschiedenheit zwischen zwei Individuen oder Gruppen stellt, so Memmi, für sich allein genommen noch keinen Rassismus dar. „Der Rassismus liegt nicht in der Feststellung eines Unterschieds, sondern in dessen Verwendung gegen einen anderen“ (Memmi, S. 214).[39]Der Rassismus ist die Wertung [..]“, er beginnt dort, wo der Unterschied eine Interpretation[45] erfährt und ihm eine (zusätzliche) Bedeutung beigemessen wird, in der Art, dass sie (ab)wertend wirkt und Nachteile für den Bewerteten nach sich zieht.[46]Erst im Kontext des Rassismus nimmt diese Betonung des Unterschieds eine besondere Bedeutung an [..]“ (Memmi, S. 166).[39] Die Hervorhebung von tatsächlichen oder eingebildeten Unterschieden ist für Memmi lediglich ein „bequemes Werkzeug für etwas ganz anderes, nämlich die Infragestellung des Opfers“. Woraus sich als Konsequenz ergibt, dass die Merkmale des anderen stets negative sind, sie bezeichnen etwas Schlechtes, während die Merkmale des Rassisten gut sind. „Der Rassist ist liebenswert, weil sein Opfer verabscheuungswürdig ist. Die Welt des Rassisten ist die des Guten, die Welt seines Opfers die des Bösen“ (Memmi, S. 98 - 99).[39]

Verallgemeinerung

Verallgemeinerung wird von Memmi in zweifacher Hinsicht aufgefasst, sie drückt sich zum einen als «Entindividualisierung» oder «Entpersönlichung» die gleichsam mit einer «Entmenschlichung» einhergeht, zum anderen als «Verabsolutierung» oder «Verewiglichung» aus; er spricht in diesem Sinne von einer „doppelten Verallgemeinerung“. „Die Beschuldigung richtet sich fast immer zumindest implizit gegen fast alle Mitglieder der Gruppe, so dass jedes andere Mitglied derselben Beschuldigung ausgesetzt ist, und sie ist zeitlich unbegrenzt, so dass kein denkbares Ereignis in der Zukunft dem Prozess jemals ein Ende machen kann“ (Memmi, S. 114).[39] Das Individuum wird nicht mehr für sich betrachtet, sondern als Mitglied einer Gruppe, deren Eigenschaften es zwangsläufig, a priori besitzt, es wird entindividualisiert. „Zugleich verdient die gesamte Fremdgruppe, der das Stigma des Schädlichen und Aggressiven anhaftet, dass man sie angreift; umgekehrt verdient jeder Angehörige der Fremdgruppe a priori die Sanktion [..]“ (Memmi, S. 116).[39] Mit dem Verlust der Individualität geht der Verlust der persönlichen und menschlichen Rechte und Würde einher. Der Mensch wird nicht in differenzierender Weise beschrieben; „er hat nur das Recht darauf, in einem anonymen Kollektiv zu ertrinken“ (vgl. Memmi, S. 183 - 186).[39] Jeder wirkliche oder erfundene Mangel des Einzelnen wird auf die ganze pseudoverwandtschaftliche Gruppe ausgedehnt und gleichzeitig wird der Einzelne aufgrund eines kollektiven Makels verurteilt. „Individuelles und kollektives Merkmal stehen in einer Art dialektischem Verhältnis zueinander“ (vgl. Memmi, S. 170 f.).[39]
Die andere Form der Verallgemeinerung ist die zeitliche Unbegrenztheit der Beschuldigungen. „Der Rassist möchte in dem Stempel, den er dem Gesicht seines Opfers aufdrückt, dessen endgültige Züge sehen. Nicht nur, dass das Opfer einer Gruppe angehört deren Mitglieder alle diese Makel tragen, sie tun es außerdem für immer. Damit hat alles seine Ordnung für die Ewigkeit. Ein für allemal sind die Bösen böse und die Guten gut [..]“ (Memmi, S. 117 f.).[39]

Funktion

Für Memmi dient Rassismus primär der Herrschaftssicherung, Sinn und Zweck des Rassismus liegt in der Vorherrschaft (Memmi, S. 60).[39] Sekundär kompensiert er psychologische Defizite, „man festigt die eigene Position gegen den Anderen. Psychoanalytisch gesprochen ermöglicht der Rassismus eine individuelle und kollektive Stärkung des Ichs“ (Memmi, S. 160).[39]Um groß zu sein, genügt es dem Rassisten, auf die Schultern eines anderen zu steigen“ (Memmi, S. 202).[39]

Rassismusdefinition nach Fredrickson

Während bei Memmi die Wertung ein zentrales Element darstellt, verzichtet George M. Fredrickson vollständig auf dieses Kriterium, wodurch seine Definition auch bestimmte ethnozentrische, vor allem aber ethnopluralistische Konzepte einschließt (vgl. Fredrickson, S. 18 f.).[7] Fredricksons Theorie oder Konzeption des Rassismus aus dem Jahr 2002 basiert lediglich auf zwei Komponenten: «Differenz» und «Macht».

Rassismus entspringt einer Denkweise, wodurch «sie» sich von «uns» dauerhaft unterscheiden, ohne dass es die Möglichkeit gäbe, die Unterschiede zu überbrücken. Dieses Gefühl der Differenz liefert ein Motiv beziehungsweise eine Rechtfertigung dafür, dass «wir» unseren Machtvorteil einsetzen, um den ethnorassisch Anderen auf eine Weise zu behandeln, die wir als grausam oder ungerecht ansehen würden, wenn Mitglieder unserer eigenen Gruppe davon betroffen wären“ (Fredrickson, S. 16).[7]
Wollten wir eine knappe Formulierung wagen, so könnten wir sagen, dass Rassismus vorliegt, wenn eine ethnische Gruppe oder ein historisches Kollektiv auf der Grundlage von Differenzen, die sie für erblich und unveränderlich hält, eine andere Gruppe beherrscht, ausschließt oder zu eliminieren versucht“ (Fredsrickson, S. 173).[7]

Nicht die «Differenz», sondern bereits das „Gefühl der Differenz“ dient - nach Fredrickson - Rassisten als Motiv zur Machtausübung, bzw. als Rechtfertigung um „ethnorassisch Andere“ grausam oder ungerecht zu behandeln. Zur Konstruktion von «wir» und «sie» bedarf es keines realen Unterschiedes, es reicht bereits ein «gefühlter Unterschied». Weder konkretisiert er die Art der Machtausübung, diese kann von „einer inoffiziellen, aber durchgängig praktizierten sozialen Diskriminierung bis zum Völkermord“ reichen (Fredrickson, S. 16 f.);[7] noch legt er fest, ob die Differenz biologischer, kultureller, religiöser oder sonstiger Natur ist. „Gewöhnlich greift die Wahrnehmung des Anderen als «Rasse» jedoch Differenzen auf, die in irgend einem Sinne «ethnisch» sind. Nach der Definition des Politikwissenschaftlers Donald L. Horowitz gründet Ethnizität «auf einem Mythos gemeinsamer Abstammung, die zumeist mit vermeintlich angeborenen Merkmalen einhergeht. Eine gewisse Vorstellung von Merkmalszuschreibung und einer daraus resultierenden Affinität sind vom Konzept der Ethnizität untrennbar.» Die Kennzeichen und Identifizierungsmerkmale, an die man dabei gewöhnlich denkt, sind Sprache, Religion, Bräuche sowie (angeborene oder erworbene) physische Eigenschaften. Eines oder mehrere davon (manchmal alle), können als Quellen ethnischer Verschiedenheit dienen; jedes von ihnen kann Verachtung, Diskriminierung oder Gewalt seitens der anderen Gruppe hervorrufen, die das Merkmal oder die Merkmale, die zum Kriterium des ethnisch Anderen geworden sind nicht teilt. Man kann, wie ich es in einem früheren Essay einmal getan habe, das Wesen des Rassismus als hierarchisch geordnete Ethnizität beschreiben; mit anderen Worten, Differenz wird unter Einsatz von Macht zu etwas, das Haß erregt und Nachteile mit sich bringt“ (Fredrickson, S. 142).[7]

Während Memmi den Fokus auf die Hierarchisierung, also die Wertung der Differenzen legt, betont Fredrickson besonders deren Verabsolutierung; die «Differenz», die „ethnorassische“ Andersartigkeit muss dauerhaft sein und ohne die Möglichkeit die Unterschiede zu überbrücken. Die Gruppenkonstruktion wird dadurch biologisiert oder auch essentialisiert, dass die ethnischen, kulturellen oder sonstigen Differenzen zu unüberbrückbaren, quasi-biologischen Unterschieden erklärt werden; die Gruppenkonstruktion wird zum Rassenäquivalent. „Zwar mögen Shoah und Entkolonialisierung auf Dauer Regimes in Mißkredit gebracht haben, die ich als «offen rassistisch» bezeichnet habe; doch sollte diese gute Nachricht nicht zu der Überzeugung aufgebauscht werden, der Rassismus als solcher sei tot oder liege im Sterben [...] Was als «neuer Rassismus» in den USA, Großbritannien und Frankreich bezeichnet wurde, ist eine Denkweise, die kulturelle Differenzen anstelle von genetischer Ausstattung verdinglicht und zu Wesensunterschieden erstarren lässt, die also mit anderen Worten Kultur zum funktionalen Äquivalent von Rasse macht“ (Fredrickson, S. 144).[7]Von der Existenz einer rassistischen Einstellung kann man sprechen, wenn Differenzen, die sonst als ethnokulturelle betrachtet werden, für angeboren, unauslöschlich und unveränderbar erklärt werden“ (Fredrickson, S. 13).[7]

Rassismus, so Fredrickson, „leugnet die Möglichkeit, dass die Rassisten und ihre Opfer in derselben Gesellschaft zusammenleben können, es sei denn auf der Grundlage von Herrschaft und Unterordnung“, in Anlehnung an Pierre-André Taguieff spricht er von Rassismen der Inklusion und solchen der Exklusion.[47] Ebenfalls gilt als ausgeschlossen, dass die ethnorassische Differenz aufgehoben werden kann, wenn Menschen ihre Identität ändern (Fredrickson, S. 17).[7] Dauerhaftigkeit und Unüberbrückbarkeit der Differenz sind für Fredrickson das entscheidende Merkmal, um Rassismen von anderen Formen der Intoleranz und Diskriminierung abzugrenzen. „Es könnte sinnvoll sein, einen anderen Begriff, etwa «Kulturalismus», zu verwenden, um die Unfähigkeit oder die mangelnde Bereitschaft zur Duldung kultureller Differenzen zu beschreiben; doch wenn eine echte Assimilation angeboten wird, würde ich auf die Verwendung des Rassismusbegriffs verzichten“ (Fredrickson, S. 14 - 15).[7]

Jedoch gelte es zwischen verschiedenen Konzeptionen von Kultur zu unterscheiden. „Geht man davon aus, dass Kultur historisch konstruiert ist und etwas Fließendes, zeitlich und räumlich Variables darstellt, das sich an äußere Umstände anpassen kann, dann ist der Begriff Kultur dem der Rasse diametral entgegengesetzt. Aber Kultur kann in einem solchen Maße verdinglicht und essentialisiert werden, dass sie zum funktionalen Äquivalent des Rassenbegriffs wird“ (Fredrickson, S. 15).[7]Ein deterministischer kultureller Partikularismus kann das gleiche bewirken wie ein biologisch begründeter Rassismus [...]“ (Fredrickson, S. 16)[7] Die Grenzlinie zwischen «Kulturalismus» und Rassismus ist, nach Fredrickson, rasch überschritten, „Kultur und sogar Religion können so sehr zu Wesensmerkmalen erstarren, dass sie als funktionales Äquivalent für biologischen Rassismus dienen können. Das gilt seit einiger Zeit in gewissem Umfang für die Wahrnehmung der Schwarzen in den USA und Großbritannien sowie für die der Muslime in einigen vorwiegend christlichen Nationen“ (Fredrickson, S. 148).[7]

Individualität und Menschenrechte

Für Christoph Butterwegge ist Rassismus ein „Denken, das nach körperlichen bzw. nach kulturellen Merkmalen gebildeten Großgruppen unterschiedliche Fähigkeiten, Fertigkeiten, und/oder Charaktereigenschaften zuschreibt, wodurch selbst dann, wenn keine gesellschaftliche Rangordnung (Hierarchie) zwischen ihnen entsteht, die Ungleichverteilung sozialer Ressourcen und politischer Rechte erklärt, also die Existenz von Privilegien bzw. der Anspruch darauf legitimiert, die Gültigkeit universeller Menschenrechte hingegen negiert wird.[48]

Nach Manfred Kappeler benachteiligt Rassismus größere Gruppen von Menschen aufgrund ihrer biologisch oder kulturell begründeten Fremdheit und bestreitet ihren Anspruch auf Menschen- bzw. Bürgerrechte sowie Menschenwürde. Sein „zutiefst inhumaner Kern“ bestehe darin, dass er Menschen nicht als Persönlichkeiten mit eigenen Anlagen und Begabungen, sondern nur als Mitglieder ihrer »Rasse« oder ihres «Kulturkreises» ansehe und ihnen damit jede individuelle, über vermeintliche Kollektiveigenschaften hinausgehenden Entwicklungsmöglichkeiten abspreche. [49]

Menschenrechte und -würde stehen auch für den Historiker Georg Kreis im Mittelpunkt, ebenfalls betont er die Verallgemeinerung der Differenz:

Die Grenzen zwischen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind nicht scharf zu ziehen. Aus der Opfersicht ist es nicht besonders wichtig, welcher analytischen Kategorie man eine Tat zuschreibt. Verschiedene Diskriminierungsformen gehen in einander über. Im Kern geht es um Menschenrechte, um Respekt vor Menschenwürde. Vielleicht möchte man doch eine Definition haben, darum der Vorschlag, den Rassismus als eine Position zu verstehen, aus der heraus gegenüber einer Gruppe aufgrund unpersönlicher Merkmale eine abschätzige Haltung eingenommen und der Einzelne wegen des negativen Gruppenbildes wie auch die gesamte Gruppe wegen negativer Einzelerfahrungen negativ beurteilt wird.[50]

Rassismusdefinition nach Philomena Essed

Für Philomena Essed ist Rassismus „eine Ideologie, eine Struktur und ein Prozess, mittels derer bestimmte Gruppierungen auf der Grundlage tatsächlicher oder zugeschriebener biologischer oder kultureller Eigenschaften als wesensmäßig andersgeartete und minderwertige «Rassen» oder ethnische Gruppen angesehen werden. In der Folge dienen diese Unterschiede als Erklärung dafür, dass Mitglieder dieser Gruppierungen vom Zugang zu materiellen und nicht-materiellen Ressourcen ausgeschlossen werden. Rassismus schließt immer den Gruppenkonflikt hinsichtlich kultureller und materieller Ressourcen ein.“ „[...] Rassismus ist ein strukturelles Phänomen. das bedeutet, dass ethnisch spezifizierte Ungleichheit in ökonomischen und politischen Institutionen, im Bereich von Bildung und Erziehung und in den Medien wurzelt und durch diese Strukturen reproduziert wird.[51]
Damit erweitert sie den Begriff «Rassismus» dahingehend, dass sie damit nicht nur eine Ideologie oder konkrete historische Erscheinungsformen verbindet, sondern auch reale Strukturen und Prozesse, wodurch ihre Definition auch Phänomene, beispielsweise Alltagsrassismus oder institutionellen Rassismus, beinhaltet.

Rassismusdefinition nach Robert Miles

Robert Miles hingegen versteht unter Rassismus einen „Prozess der Konstruktion von Bedeutungen“, durch den „bestimmten phänotypischen und/oder genetischen Eigenschaften von Menschen Bedeutungen der Gestalt zugeschrieben werden, dass daraus ein System von Kategorisierungen entsteht“, in dem den Betroffenen „zusätzliche (negativ bewertete) Eigenschaften zugeordnet werden“.[52]. Diese Definition betont wiederum den ideologischen Aspekt des Rassismus. Gleichzeitig verknüpft sie ihn aber eng mit dem „Prozess der Rassenkonstruktion“ und beschränkt ihn so auf seine klassische Variante.

Kritik

Fredrickson bemerkt, dass der Begriff «Rassismus» häufig unpräzise und unreflektiert verwendet würde, um die feindseligen oder negativen Gefühle eines «Volkes» oder einer ethnischen Gruppe gegenüber einer anderen und die aus dieser Einstellung resultierenden Handlungsweisen zu beschreiben (Fredrickson, S. 9).[7]
Kurt Horstmann schlug vor, nicht jegliche Diskriminierung irgendwelcher Gruppen als Rassismus zu bezeichnen und hält es für angebracht, u.a. in der Flüchtlingsforschung auf den Ausdruck «Rassismus» zu verzichten und stattdessen auf die Begriffe «Fremdenfeindlichkeit», «Xenophobie», «Ausländerfeindlichkeit» und dergleichen auszuweichen.[53]

Geschichtliche Erscheinungen

Altertum

Antikes Griechenland und Rom

Die Frage, ob es im alten Griechenland und im alten Rom Rassismus gegeben habe, wird unterschiedlich beantwortet. Sie ist im Zusammenhang damit zu sehen, wie die antiken Griechen seit Homer uund Herodot die „Barbaren“ sahen.

David Theo Goldberg, der das «Konzept der Ausschließung» als zentral für die Untersuchung und Unterscheidung rassistischer Diskriminierungen betrachtet [54] verneint Rassismus, weil die Griechen die „Barbaren“ gerade nicht kategorisch verabscheuten (siehe Homer, Herodot, Aischylos, Xenophon und andere).

Auch Yves Albert Dauge bestreitet, dass es in der römischen Welt Rassismus gegeben habe.[55] Obschon in der Antike Überlegenheitsgefühle eines Stammes oder Volkes über andere Gruppen und ethnische, religiöse oder kulturelle Stereotype verbreitet waren, existiert für die Begriffe «Rasse» oder «Rassismus» kein exaktes Äquivalent in der griechischen oder lateinischen Sprache. Aus dem gleichen Grunde sieht auch Christopher Tuplin keine Veranlassung, von Rassismus in der griechischen Welt zu sprechen; die Diskussion des Rassismus müsse seiner Meinung nach eine Definition von Rasse einschließen.[56]

Autoren wie Christian Delacampagne oder Benjamin Isaac, Professor für Alte Geschichte an der Universität Tel Aviv, sind anderer Auffassung und betonen, dass einerseits dem Rassenbegriff analoge ideologische Konstruktionen existiert hätten und andererseits Rassismus ohnehin im Kern kulturell argumentiere.[57][58] Beide verweisen ausführlich auf Aristoteles’ Konstruktion des Barbaren und eine mit ihr betriebene Legitimation der Sklaverei. Barbaren sei ein minderes Menschsein zugeschrieben worden, weil sie nur bedingt über Vernunft verfügten.[59]

Proto-Rassismus

Benjamin Isaac[60] benutzt für die Antike, neben «frühem Rassismus» oder «antikem Rassismus» hauptsächlich den Begriff «Proto-Rassismus», der in den 1970ern von dem französischen Ägyptologen Jean Yoyotte geprägt wurde. Er will damit zweierlei zum Ausdruck bringen: Zwar habe es in der Antike eine Art von Rassismus gegeben, aber dieser habe sich vom klassischen Rassismus unterschieden, wie er sich im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt hat. Doch ist der antike Rassismus insofern Proto-Rassismus, also Vorläufer des Rassismus, als er – nach Isaac – späteres rassistisches Denken beeinflusst hat. Für Isaac zeichnet sich Rassismus dadurch aus, dass hierbei Individuen oder ganze Gruppen von Menschen mit unveränderlichen körperlichen oder geistigen Eigenschaften in Verbindung gebracht werden. Diese kollektiven Eigenschaften sind für den Rassisten vorgegeben, sie können nicht verändert werden, da sie entweder vererbt oder aber durch klimatische und sonstige geografische Bedingungen erzwungen wurden. Einige Stereotype seien bereits in der Antike zur Legitimierung imperialistischer Aggressionen gegenüber «minderwertigen» Völkern benutzt worden.

Antike Elemente des Proto-Rassismus seien ferner zu grundlegenden Bausteinen des modernen Rassismus geworden. Sie seien über Autoren des 18. Jahrhunderts den Begründern der modernen rassistischen Ideologie übermittelt worden. Die griechisch-römische Antike kenne zwar keine Theorie eines biologischen Determinismus, dennoch finde sich schon früh spätestens ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. die Vorstellung, dass Menschen je nach ihrer geografischen Herkunft entsprechende Eigenschaften besitzen.[61] Nach dieser Theorie seien die Menschen im heißen Süden intelligenter, wenn auch ängstlicher und zaghafter als die Menschen im kalten Norden, die auf Grund der unwirtlichen Landschaft erfinderisch, impulsiv, wenn auch leichtsinnig seien.[62] Athen und später dann Rom hätten sich als ideale Mitte zwischen Extremen gesehen, wobei das angenehme Klima Griechenlands und Italiens als Argument gedient habe. Proto-Rassismus gibt es nach Isaac zum einen also in diesen anthropogeografischen Vorstellungen - zum anderen hat vor allem Aristoteles (und nach ihm andere) die Ansicht vertreten, dass gewisse Menschen zum Sklavendasein geboren wurden. Es gibt gemäß dieser Ansicht Menschen höherer Ordnung und solche einer niedrigeren Ordnung. Auch diese Unterscheidung zeugt, nach Isaac, von Proto-Rassismus: The question to be considered is what are the explanations given in ancient literature for the presumed superiority or inferiority of specific groups. If these consist of theories regarding heredity or unalterable exterior influences, it is possible to speak of proto-racism.

Zur Klima-Theorie

Antiker (Proto-)Rassismus zeigte sich nach Isaac insbesondere in Form der so genannten „Klimatheorie“, die unterschiedlichen nichtgriechischen Völkern gewisse Eigenschaften zuschreibt. Sie spiegelt sich erstmals in der pseudo-hippokratischen Schrift „Über die Umwelt“ (lateinisch „De aeribus aquis locis“, Abk.: „aer.“). Wahrscheinlich gab es eine ursprüngliche Klimatheorie, die von dieser und anderen Schriften rezipiert wurde. Im Hinblick auf das mythische Volk der „Makrokephalen“, welches der Verfasser der aer. als historisches Volk beschrieb, wird klimatheoretischer Proto-Rassismus mit der Vorstellung der Vererbbarkeit der entsprechenden Merkmale vermengt. Diese Ausführung der Theorie bleibt jedoch uneindeutig - sicher nicht zuletzt wegen des beschränkten Wissens damaliger Zeit hinsichtlich der Erbbiologie. Der Klimatheorie ist in aer. immer die Theorie der Inferiorität von Fremdvölkern aufgrund ihrer politischen Verfassung (Despotie) beigeordnet. Ob nun die Politik und Ordnung (Nomos) oder die Natur des Menschen (Physis) ausschlaggebend für das Bild des Fremden sein sollte, ist nicht genau zu beantworten. Durch die sophistisch geprägte Rhetorik, die möglichst Vertreter unterschiedlicher Theorien für sich gewinnen möchte, war das Ausmaß und die Art und Weise der Anwendung der Klimatheorie vielgestaltig.[63]

Haut- und Haarfarben-Rassismus

Vincent Rosivach schrieb[64], dass das (meist) rote und blonde Haar der Thraker und anderer Völker im Norden Griechenlands oft als Kennzeichen der minderwertigen Menschen galt. Thraker bildeten die erste ethnisch geschlossene Gruppe von Sklaven im Athen archaischer Zeit. Sie sind unter Solon angekauft worden und traten Menschen mit diesem Phänotyp in Athen fast ausschließlich als Sklaven auf. Entsprechende Assoziationen seitens der restlichen Bevölkerung waren die Folge. In Komödien wurden die Charaktere von Skalven ausschließlich mit rotem Haar dargstellt. „Rot-“ bzw. „Blondschopf“ waren typische Sklavennamen.

Ein bekannteres Beispiel für solche ethnisch einheitliche „cattle slavery“ ist aus klassischer Zeit die Institution der skythischen Staatssklaven (Polizeiaufgaben).[65]

Gegen die Annahme der Existenz eines Hautfarbenrassismus in der Antike wendet sich seit den 1980er-Jahren Frank M. Snowden, Jr..

Gender-Aspekte, Dichotome und graduelle Abwertung

Tendenziell galten in Athen jene, die nicht männliche Bürger oder Periöken waren, als minderwertig. Diese dichotome Sichtweise wertete also Frauen und Fremden en bloc ab.[66] So ist fraglich, ob versklavte Griechinnen (bspw. die Melierinnen nach 427 v.Chr.) überhaupt noch als Griechinnen angesehen wurden, wenn die Griechen - nach Platon - überhaupt nicht unfrei sein konnten.[67] Wenn die Frauen des griechischen Stadtstaates also doch unfrei wurden, konnten sie womöglich nicht mehr als Griechinnen gelten.

Bei Platon gab es neben dieser dichotomen Sichtweise, die alles Unathenische als weibisch (bzw. weiblich), fremd, feige, verlogen, standpunktlos, primitiv oder dekadent abtat, einige „Argumentationshilfen“, die eine unterschiedliche Bewertung der verschiedenen Fremdvölker aus griechischer Sicht als damalige attische oder griechische communis opinio als Basis nahelegt. So setzt er in seiner „Politeia“ die drei Seelenteile in Beziehung zu den einzelnen Fremdvölkern zugewiesenen Charaktereigenschaften; ihm gelten Thraker und Skythen als kriegerisch, Phönizier und Ägypter als erwerbsstrebig.[68]Sein Schüler Aristoteles nennt die gleichen Beispiele kriegerischer Völker.[69] Thraker und Skythen, die beiden Fremdvölker im Norden, werden also von beiden als kriegerisch benannt, als zum Herrschen bzw. zur besten Herrschaft geeignet, nennen beide ausschließlich das eigene Volk.

Eine einfachere Differenzierung als Platon nimmt Aristoteles vor, wenn er ein Europa-Asien-Gefälle unter den nichtgriechischen Völkern postuliert, die kleinasistischen seien „sklavischer“.[70] Nach Aristoteles seien diejenigen, die von Natur aus sklavisch sein, nicht eindeutig von der Natur durch körperliche Erscheinung und charakteristische Merkmale gekennzeichnet.[71] Die servile Eigenart wird den Barbaren insbesondere deswegen von Aristoteles zugesprochen, da es ihnen an den politischen Strukturen mangele, die eine Gemeinschaft der Freien und Gleichen ermöglichen.[72]

Altertümliches Indien, China und Japan

In Asien gibt es ebenfalls weit zurückreichende Formen rassistischer Diskriminierung, die klassenbezogene und kulturbezogene Grundlagen hatten und ohne Rassenbegriff funktionierten. Die Chinesen entwickelten schon Jahrhunderte vor den Griechen kulturalistische Vorstellungen von Barbaren. Nachdem sie ursprünglich davon ausgingen, dass diese durch den Kontakt mit der chinesischen Kultur zivilisiert werden könnten, wurden sie schließlich mit Tieren verglichen, die kulturell grundsätzlich defizitär seien. Frank Dikötter hat darauf hingewiesen, dass es im Kaiserreich China eine lang währende eigene rassistische Tradition gab, ehe man dort mit dem europäischen Rassengedanken in Kontakt kam.

Das gilt auch für Indien, wo Kastenschema und Unberührbarkeit mit Hilfe von organischen Metaphern (Purusha) und Vermischungsverboten legitimiert wurden. Diese Biologisierung sozialer Unterschiede war durchaus nicht einzigartig. Sie wurde im Zuge der durch den europäischen Imperialismus importierten Rassentypologie und mit Hilfe des auf sie gestützten arischen Mythos einer völkischen Interpretation unterzogen, die behauptete, das Kastenschema wäre das Produkt hellhäutiger arischer Einwanderer, die die dunkelhäutige Urbevölkerung unterworfen hätten. Gail Omvedt schreibt dazu: “Punjabi Brahmans and Punjabi Untouchables were ethnically the same, and Tamil Brahmans and Tamil Untouchables were not racially different.” (etwa: „Die Brahmanen des Pundschab und die Unberührbaren des Pundschab waren ethnisch identisch, und die tamilischen Brahmanen unterschieden sich in der Rasse nicht von den tamilischen Unberührbaren.“)

Sozial begründete Kastendifferenzen gab es auch in Japan. Die rassistische Diskriminierung der Buraku, einer mit niederen und als unrein geltenden Tätigkeiten beschäftigten Kaste, reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Neben diesem nach innen gerichteten Rassismus gab es auch die nach außen gerichtete rassistische Diskriminierung der Ainu. Sowohl auf die Buraku als auch auf die Ainu wurde später der von den Europäern entlehnte Rassenbegriff angewandt und so, wie Richard Siddle, Michael Weiner und andere gezeigt haben, deren auf Kastendenken und Kulturchauvinismus gestützte Diskriminierung rassisiert. In allen Fällen wird deutlich, dass Rassismus ohne Rassen funktioniert und im Kern kulturalistisch bestimmt ist.

Mittelalter

Der Rassismus des europäischen Mittelalters lässt sich an verschiedenen Indikatoren aufzeigen. Einmal ist es die Zeit eines umkämpften Bildes vom Afrikaner, zu dem Peter Martin Material zusammengetragen hat, das auf widersprüchliche Konzeptionen verweist, die zwischen Wolfram von Eschenbachs schöner schwarzer Königin Belakane und den schwarzen moslemischen Teufeln des Rolandsliedes schwanken. Später treten mit den judenfeindlichen Pogromen während des ersten Kreuzzuges und der großen Pest Ideologien und Praktiken der Ausgrenzung und Vernichtung zutage, die für Léon Poliakov und andere zur Geschichte des Antisemitismus und Rassismus gehören. Entgegenhalten ließe sich dem allerdings, dass die Ablehnung der Juden sich vornehmlich religiös artikulierte. (s. Antijudaismus)

Reconquista und Conquista

Das Jahr 1492 steht mit dem Fall von Granada, der Vertreibung der Mauren und Juden aus Spanien und der europäischen Entdeckung Amerikas für eine Vermengung und Überlagerung unterschiedlicher praktischer und ideologischer Formen rassistischer Diskriminierung.

Norman Roth und andere haben gezeigt, wie der Antisemitismus in der Politik der Blutsreinheit (limpieza de sangre) gegenüber den Juden seine moderne Form anzunehmen begann. Zielgruppe dieser Politik waren zum Christentum konvertierte Juden oder deren Nachkommen (Marranos), deren religiösem Bekenntnis weiterhin misstraut wurde. Ihnen gegenüber wurde mit der Frage nach der Blutsreinheit ihre Herkunft geltend gemacht und nach bis zu einem Sechzehntelanteil angeblich jüdischen Blutes gefahndet. Es galt sogar als gefährlich, christliche Kinder von Ammen aus konvertierten Familien stillen zu lassen, weil sich deren Milch angeblich schädlich auswirken könne.

Die Eroberung Amerikas hatte mit dem Genozid an den Indianern und der anschließenden Verschleppung afrikanischer Sklaven gleich zwei rassistische Dimensionen. In der Auseinandersetzung zwischen Bartolomé de Las Casas und Juan Gines de Sepulveda über die Frage, ob die indigene Bevölkerung des späteren Amerika Menschen seien und wie sie behandelt werden müssten, wurde einerseits nach wie vor auf den von Aristoteles geprägten Begriff des Barbaren zurückgegriffen. Andererseits begann sich aufgrund der Herausbildung einer vielfältig gemischten Gesellschaft ein an Hautfarben orientiertes Kastensystem zu entwickeln, das zahlreiche Blutskombinationen und Abschattierungen kannte. Imanuel Geiss hat eine der gängigen Unterteilungen dokumentiert:

„Aus Spanier und Indianerin entsteht Mestize. Aus Spanier und Mestizin entsteht Kastize. Aus Kastize und Spanierin entsteht Spanier. Aus Spanier und Negerin entsteht Mulatte. Aus Spanier und Mulattin entsteht Morisco. Aus Spanier und Morisca entsteht Albino. Aus Spanier und Albina entsteht Torna Atras. Aus Indianer und Negerin entsteht Lobo. Aus Indianer und Mestizin entsteht Coyote. Aus Lobo und Indianerin entsteht Chino. Aus Chino und Negerin entsteht Cambuxo. Aus Cambuxo und Indianerin entsteht Tente en el aire. Aus Tente en el aire und Mulattin entsteht Albarasado. Aus Albarasado und Indianerin entsteht Varsino. Aus Varsino und Cambuxa entsteht Campamulatte.“

Neuzeit

Amerika

Hetzplakat bei der Gouverneurswahl Pennsylvania, 1866

Im Zuge der Eroberung Amerikas durch die Europäer kamen weitere rassistische Aspekte zum Ausdruck: als Eroberung mit genozidalen Folgen für die Indianer, als transatlantische Sklaverei und als Machtkampf um die Teilhabe an einer postulierten weißen Vorherrschaft. Acting white hingegen beschreibt einen Mechanismus innerhalb von bestimmten Minderheiten, der aufstrebenden Mitgliedern den Aufstieg mit dem Vorwurf des (pseudo)Weißwerdens erschwert. Die schottischen Indianer zeigen eine gelungene Assimilation über nach rassistischen Kriterien unüberwindbare Barrieren hinweg.

Das amerikanische Beispiel macht deutlich, dass der so genannte Rassismus ohne Rassen kein neues, sondern ein altes, dem am Rassenbegriff orientierten Rassismus vorausgehendes Konzept ist. Die präkolumbianischen Kulturen Amerikas betrieben bereits Sklaverei, opferten Kriegsgefangene als Menschenopfer und unterjochten andere Völker und Stämme und wiesen ihnen einen minderen Status zu. Sklaverei war auch bei den Indianern Nordamerikas eine häufige Erscheinung. So sind Auseinandersetzungen über Status und Bürgerrecht etwa der früheren (schwarzen) Sklaven der Cherokee bis heute virulent.

Die sklavenhaltenden wie -handelnden Azteken, Indianer und Araber wie auch die europäischen Eroberer in Amerika bedienten sich zunächst nicht des Rassenbegriffs, der erst im späten 18. und 19. Jahrhundert virulent wurde. Zunächst nutzten sie zur Legitimation ihres Vorgehens überkommener Vorstellungen von den in Kriegen unterlegenen anderen Indianern wie den angetroffenen, durch Krankheiten dezimierten Ureinwohnern als minderwertiger Menschen.

Genozidale Folgen

Colin Tatz, der Direktor des Centre for Comparative Genocide Studies in Sydney, hat „Genozid als die ultimative Form von Rassismus“ bezeichnet.

Der europäisch-amerikanische Kontakt hatte für die indigenen Amerikaner auch Folgen von genozidalen Ausmaßen. Der Großteil der indigenen Bevölkerung beider amerikanischer Kontinente wurde allerdings durch die von den Eroberern nicht vorhersehbar gewesene Auswirkungen eurasischer Seuchen vernichtet[73]. Ein Genozid war weder beabsichtigt noch im Interesse der Europäer. Das tatsächliche Ziel der spanischen Konquistadoren war ja nicht die (sinnlose) Auslöschung der Indianer, sondern ihre Unterwerfung und Besteuerung gewesen, das enorme Sterben bestärkte aber die Vorstellung der Indianer als minderwertig und schwach. Ähnlich argumentiert der englische Historiker Hugh Thomas, der in seinem Buch Die Eroberung Mexikos anführt, dass trotz großer Opfer durch die gewalttätige Eroberung des Aztekenreiches erst die parallel aufgetretenen Krankheiten die eigentliche Katastrophe initiiert hätten. (s. Spanische Eroberung Mexikos)

Allerdings begannen die Spanier bald, auf dem nordamerikanischen Kontinent von indigenen und englischen Sklavenhändlern erworbene indianische wie über die Araber afrikanische Sklaven u.a. zur Plantagenarbeit nach Mittelamerika und Kuba zu verschleppen und setzten damit einen lang anhaltenden Menschenhandel in Gang.

Sklaverei

Die transatlantische Sklaverei war nicht nur ökonomisch ein Dreiecksverhältnis, in dem Billigwaren, Schnaps und Waffen aus Europa zumeist unter Einbezug arabischer [74] Sklavenhändler gegen Sklaven aus Afrika und diese gegen amerikanische Kolonialwaren eingetauscht wurden. Sie war auch ein von der Geschichtsschreibung häufig vernachlässigtes soziokulturelles Verhältnis, in dem die Afrikaner nicht nur Opfer waren.(s. Atlantischer Sklavenhandel) Dieser Sachverhalt wird in jüngster Zeit unter dem durch Paul Gilroy populär gemachten Stichwort Black Atlantic verstärkt diskutiert.

Trotzdem war die transatlantische Sklaverei ein System, das, wie Orlando Patterson formuliert hat, neben ihrem ökonomischen Kalkül den „sozialen Tod“ der Sklaven bezweckte. Seine Analyse macht deutlich, dass der Kern rassistischer Diskriminierung in der Zerstörung der sozialen und kulturellen Identität derer liegt, die ihr unterworfen werden. Schätzungen über die Anzahl der Betroffenen schwanken zwischen 11 Mio. und 15 Mio. Die neben den Arabern wichtigsten europäisch geprägten Betreiber dieser Gewinn und Entmenschlichung verbindenden Politik waren im 18. Jahrhundert nach von Albert Wirz wiedergegebenen Zahlen: „1. England mit einem Anteil von 41,3%, 2. Portugal (29,3%), 3. Frankreich (19,2%), 4. Holland (5,7%), 5. Brit. Nordamerika/USA (3,2%), 6. Dänemark (1,2%), 7. Schweden und Brandenburg (0,1%).“

Weiße Vorherrschaft

Siehe auch: White Supremacy

Das System der White Supremacy nahm in Amerika unterschiedliche Formen an, die jeweils Weißsein[75] als zentrale Norm der Teilhabe an politischen Rechten und sozialen Entfaltungsmöglichkeiten setzten. In Brasilien schlug sie sich unter anderem in der Politik des branqueamento nieder, mit der die „weißen“ Brasilianer die „brasilianische Rasse“ verbessern und durch Zumischung von mit Hilfe von europäischen Einwanderern importierten „weißen Blutes“ das „schwarze Element“ in der brasilianischen Bevölkerung bis zum Jahre 2012 zum Verschwinden bringen wollten. Brasilien gilt auch als extremes Beispiel für die „soziale Konstruktion“ von Rasse, wo eine direkte Zuweisung von Hautfarbe und sozialem Erfolg (bis heute) der Fall ist und sich bei einer Person der soziale Aufstieg auch in der Einordnung in eine "weissere" Farbklasse widerspiegelt[76].

In den USA kam die White Supremacy nicht nur in der Politik der Rassentrennung zum Ausdruck, sondern äußerte sich auch als Verdacht ungenügender „Weißheit“ gegenüber verschiedenen europäischen Einwanderergruppen. Karen Brodkin hat für die Juden und Noel Ignatiev für die Iren beschrieben, wie diese in langwierigen und schmerzhaften Prozessen „weiß werden“ beziehungsweise Anteil an der lokalen Führungsschicht erlangen konnten. So wurde den irischstämmigen Amerikanern unterstellt, sie hätten ihre „Weiße“ in einem rassistischen Qualifikationsprozess, das heißt durch teilweise gewalttätige wie gehässige Absetzbewegungen von anderen Minderheiten überhaupt erst errungen.

Allein in Philadelphia wiederholte sich das Muster der Auseinandersetzungen zwischen aufstrebenden Minderheiten und etablierter Herrschaft mehrmals, so beim Wahlaufstand von 1742, zwischen den Quäkern und aufstrebenden Deutschamerikanern, dem Lombardstraßenaufstand von 1842, einer dreitägigen Straßenschlacht zwischen Vertretern der schwarzen und der irischen Gemeinde und den ähnlich gelagerten Philadelphia Nativist Riots 1844, die antikatholisch und antirisch ausgerichtet waren. Eine bis heute andauernde allgemeine Weigerung der schwarzen Community, mit den irischstämmig dominierten Sicherheitsbehörden zu kooperieren[77] gilt mit als lokaler Hintergrund des erbittert ausgetragenen und international Aufsehen erregenden Streits um Schuld oder Unschuld von Mumia Abu-Jamal der wegen Mordes an dem irischstämmigen Polizisten Daniel Faulkner zum Tode verurteilt worden war.

"Acting white"

Der nigerianisch-amerikanische Anthropologe John Ogbu hat die so bekannte wie umstrittene These vom "acting white" (weiß agieren oder auch schauspielern) aufgestellt. Demnach weise die schwarze Minderheit (ehemaliger Sklaven) in den USA, Ogbu zufolge einen als kastenartig beschriebenen internen Zusammenhalt auf. Dieser verwehre aufstrebenden Mitgliedern den Aufstieg und bezeichne leistungsorientiertes Verhalten als acting white und drohe damit "Pseudoweiße" aus der schwarzen Community auszuschließen. Ogbu stellte geschlossene, unfreiwillig angesiedelten Minderheiten in Gegensatz zu "offenen" Minderheiten wie den Boat People aus Vietnam und Kambodia, die wirtschaftlich wie bildungsmäßig erfolgreicher sind und empfahl die Förderung rein schwarzer Eliteschulen, wo das Phänomen deutlich weniger auftrete.

Die These wurde in Zusammenhang mit dem designierten amerikanischen Präsidenten Barack Obama, dessen Vorfahren keine Sklaven gewesen waren, erneut öffentlich thematisiert. Diskutiert wurde das zu viel oder zu wenig vorhandene "Schwarzsein" Obamas. Aufgrund der Distanzierung von seinem früheren Vertrauten und Gemeindepfarrer Jeremiah Wright [78] wurde ihm acting white unterstellt, so von Al Sharpton und Jesse Jackson, Ralph Nader warf ihm weiße Rede ("talking white") vor. Im Vorwahlkampf mit Hillary Clinton hingegen ging es um die Wählbarkeit bei weißen Unterschichtsmännern, denen Obama angeblich zu schwarz war. Insgesamt wird ihm inzwischen eine postrassistische Identität zugewiesen.

Abgrenzung und erfolgreiche Assimilation bei den schottischen Indianern

Ein spezifisches Phänomen von Abgrenzung und erfolgreicher Assimilation hingegen beschreibt James Hunter anhand schottischer Einwanderer in Nordamerika. Indem vor allem männliche Trapper und Fallensteller in indianische Dynastien einheirateten, wurden sie schnell und problemlos zu Indianern. Dies führte dazu, dass etwa bei den NezPerces schottische Nachnamen verbreitet sind und die Träger mit großem Stolz ihre Vorfahren in männlicher Linie teilweise bis in das Jahr 1000 in Schottland zurückführen können. Diese "schottischen Indianer" suchten und fanden bei einzelnen indianischen Stämmen auch Strukturen vor, welche denen ihres Herkunftslandes ähnelten und überwanden so für Engländer und andere Europäer als unüberwindbar angesehene Barrieren[79]. Dies stieß seitens der Engländer in der Neuen Welt auf erhebliche, auch rassistische Vorbehalte, in dem Sinne wurden ursprünglich kolonial geprägte Konflikte und Strukturen aus dem britischen Binnenverhältnis in die USA übertragen.

Imperialismus

Im Zeitalter des Imperialismus betrachteten und verhielten sich die Europäer nach Victor Kiernans gleichnamigen Buch [80] oft als „the lords of human kind“. An der Aufteilung der Welt beteiligten sich alle Stände, vom freigelassenen Sträfling bis zum bäuerlichen Siedler, vom bürgerlichen Wissenschaftler bis zum Missionar, vom adligen Offizier bis zum König. Eines der brutalsten Regime ließ Leopold von Belgien im Kongo errichten. In Australien führte der Rassismus der Arbeiterbewegung zur exklusiven „weißen“ Staatsgründung. In Ostasien fiel das europäische Vorbild auf fruchtbaren Boden und ließ sich Japan als Hoffnung der nicht-weißen Rassen präsentieren, in den USA wurde die Ideologie des „manifest destiny“ auf imperiale Politik übertragen und als Zivilisationsmission ausgegeben.

Theoretisch begleitet wurde diese Politik von der Theorie der Lebensunfähigkeit der primitiven Rassen. Nach der sozialdarwinistischen Doktrin waren sie dem Kampf ums Dasein nicht gewachsen und zum Untergang verurteilt. Viele Europäer waren überzeugt, dass die Welt binnen kurzem nur noch von ihnen bevölkert sein würde.

Belgische Kolonialherrschaft im Kongo

Die belgischen Verbrechen im Kongo („Kongogräuel“) spielten sich unter den Augen der gesamten so genannten Zivilisation ab. Sie dienten der Ausplünderung eines riesigen Gebietes und der privaten Aneignung der mit Kautschuk, Elfenbein und Palmöl erzielten Gewinne. Die einheimische Bevölkerung wurde mit Terror zur Zwangsarbeit gepresst. Unmenschliche Arbeitsbedingungen und gewalttätige Willkür forderten eine immense Zahl an Opfern. Die Politik der Entmenschlichung wurde mit der Behauptung legitimiert, dass die Afrikaner, wenn nicht halbe Tiere, so doch völlig kulturlose Wesen wären, die mit Gewalt zur Arbeit gezwungen werden müssten. Der britische Journalist und Abenteurer Henry Morton Stanley lobte in diesem Zusammenhang das Maschinengewehr als Werkzeug der Zivilisation. In Joseph Conrads Erzählung Herz der Finsternis fordert Kurtz als Protagonist imperialistischer Politik: „Exterminate all the brutes.“

„White Australia“

Bis zur Bildung eines einheitlichen australischen Staates am 1. Januar 1901 unterstanden die einzelnen Kolonien direkt dem britischen Kolonialministerium. Große Teile der kolonialen Eliten hatten sich in dieser Situation eingerichtet und wollten sie nicht ändern. Entscheidende Unterstützung erhielten die Föderalisten von der australischen Arbeiterbewegung. Mit der Forderung „Australia for the white man“ plädierte sie für ein geeintes Australien, das stark genug sein würde, sich gegen fremde Einflüsse zu verteidigen und vor allem in der Lage sein sollte, nichtweiße Arbeiter des Landes zu verweisen. Da die Aborigines schon seit längerem als aussterbende Rasse galten, richtete sich diese Politik vor allem gegen die „Kulis“ und „Kanaken“ genannte Kontraktarbeiter aus China und dem pazifischen Raum. Ihre Bereitschaft, für geringen Lohn zu arbeiten, wurde auf ihre rassische Minderwertigkeit zurückgeführt, und sie wurden beschuldigt, Australien mit Krankheiten und Lastern zu überziehen. „The total exclusion of undesirable alien races“ stand als Ziel im Wahlprogramm der Labor Party. Der radikalreformerische Journalist und Agitator William Lane schrieb unter der Schlagzeile „Australia for the Australians“: „It is a true racial struggle that is going on today in Australia and Australia itself is the prize.“

Yamato-Rasse in Japan

Die Modernisierung der Meiji-Zeit führte in Japan auch zur Entwicklung imperialistischer Ambitionen, die unter anderem im chinesisch-japanischen Krieg und im russisch-japanischen Krieg umgesetzt wurden. Unter der Parole „Asien den Asiaten!“ bediente man sich dabei einerseits einer ideologischen Umkehrung des europäisch-amerikanischen Stereotyps von der „Gelben Gefahr“ und warnte die asiatische Staatengemeinschaft vor der „weißen Gefahr“. Andererseits wurde die eigene aggressive und expansionistische Kolonialpolitik mit rassistischem Paternalismus legitimiert. Danach sollte sich die asiatische Bevölkerung aus den „fünf Rassen“ der Japaner, Chinesen, Koreaner, Mandschu und Mongolen zusammensetzen, von denen die japanische „Yamato-Rasse“ am weitesten entwickelt und am fortschrittlichsten und deswegen berufen wäre, die anderen zu erleuchten, kulturell und moralisch zu vervollkommnen und vor allem zu führen. Bis heute werden - so Jared Diamond - in Japan Untersuchungen, nach denen mit gewisser Wahrscheinlichkeit die Japaner selber hauptsächlich von koreanischen Einwanderern abstammen, nicht ohne Widerstände zur Kenntnis genommen.

Als die westlichen Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg den von Japan bei den Friedensverhandlungen von Versailles eingebrachten Vorschlag einer Erklärung zur Gleichberechtigung der Rassen zurückwiesen, verstärkte dieses seine imperialistischen Anstrengungen im pazifischen Raum. Die sich zuspitzenden Widersprüche zwischen den japanischen und den Ambitionen Englands und der USA führte schließlich zu der als „Rassenkrieg“ geführten militärischen Auseinandersetzung, die John Dower, Gerald Horne und andere beschrieben haben.

Historisch gesehen gab es in Japan stets eine Diskriminierung der Buraku. Noch heute werden viele Menschen der Minderheit der Buraku in Japan diskriminiert. Obwohl sie sich weder in Religion, Sitten, noch im Aussehen wirklich von anderen Japanern unterscheiden galten sie als eigene Rasse. Sie wurden teilweise sogar als Hinin (非人, „Nicht-Menschen“) bezeichnet. Sie mussten in bestimmten Ortschaften leben, ihre Kinder durften keine normalen Schulen besuchen und sie durften nur als unrein betrachtete Berufe, wie Totengräber, ausüben. 1871 wurden die Buraku den anderen Japanern rechtlich gleichgestellt. Noch heute haben die Buraku mit Diskriminierung zu kämpfen. Da auch der Familienname Auskunft über die Herkunft geben kann, ist es den Nachfahren der Burakumin seit einigen Jahren erlaubt, ihren Namen zu ändern.

Osmanisches Reich

Von 1915 bis 1917 wurden die seit Jahrtausenden in Ost-Anatolien siedelnden Armenier im Osmanischen Reich Opfer eines Genozids.

Deutschland

Weimarer Republik

In der Weimarer Republik war neben der antisemitischen Propaganda auch die Agitation gegen die Besetzung des Rheinlandes nicht nur in den Kampfblättern der extrem rechten Parteien bzw. politischen Gruppierungen von „rassistischer Begleitmusik“ durchzogen. Anlass boten hier besonders die teilweise aus Afrika stammenden französischen Besatzungstruppen. Die in dieser Zeitspanne geborenen Kinder einiger schwarzer Soldaten und deutscher Frauen wurden zum Teil als „Gefahr für die deutsche Rassenreinheit“ instrumentalisiert. Die betroffenen Kinder wurden als so genannte „Rheinlandbastarde“ später von den NS-Behörden erfasst und vielfach zwangssterilisiert.

Nationalsozialismus

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Antijüdisches Verbotsschild aus Karlsruhe, um 1940

Rassismus war ein Teil der Ideologie des Nationalsozialismus. Man ging davon aus, dass es höherwertige und minderwertige Menschenrassen gebe. Danach ließe sich die gesamte Menschheit in drei Rassengruppen einteilen:

  • kulturstiftende Rassen (die nordisch-arische Rasse),
  • kulturtragende Rassen (beispielsweise asiatische und afrikanische Rassen),
  • kulturzersetzende Rassen (semitische Rasse).

Juden, aber auch Sinti und Roma, wurden der semitischen Rasse zugerechnet (vgl. hierzu Nürnberger Rassengesetze). Hochwertige Menschen konnten dabei nur aus der ersten Gruppe stammen. Die Mitglieder jeder Rasse hätten die Aufgabe, diese Rasse „rein zu halten“, weshalb sexueller Kontakt zwischen Angehörigen der „hohen“ und der „minderwertigen“ Rasse verhindert werden sollte. Bestimmten, von den Nationalsozialisten als „Rasse“ definierten Gruppen wie Juden oder Zigeunern (Gruppe 3) unterstellten sie, dass diese „die Herrenrasse (Gruppe 1) zersetzen“ wollten und daher zum Schutze der „Volksgemeinschaft“ vernichtet werden müssten.

Die theoretischen pseudo-wissenschaftlichen Grundlagen lieferten neben Adolf Hitler selbst (Mein Kampf) primär die NS-Ideologen Alfred Rosenberg und Hans F. K. Günther in zahlreichen Publikationen. Allerdings ist dabei zu bemerken, dass ihre Gedanken auf älteren rassistischen Theorien aufbauten, und der Rassismus bis 1933 in ganz Europa relativ stark verbreitet war. Unter den zahlreichen Rassetheoretikern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts hatten der Franzose Arthur de Gobineau (1816–1882) und der Brite Houston Stewart Chamberlain (1855–1927) den stärksten Einfluss auf die nationalsozialistische Rassenideologie. Hitler, der Chamberlain 1923 traf, galt als großer Bewunderer seines Werks.

Die Opfer des NS-Rassismus wurden in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, zwangssterilisiert, deportiert und ermordet. Die gesamte Gesundheitsvorsorge, Sozialpolitik sowie die Bevölkerungspolitik wurden unter „rassischen“ Gesichtspunkten gleichgeschaltet, die auch die Zulässigkeit von Eheschließungen bestimmten. Zu diesem Programm gehörten auch Ahnenpässe. Der aufgrund dieser Ahnenpässe zu führende Ariernachweis bzw. der „Große Ariernachweis“ war Bedingung für eine Karriere bei der SS. Ohne die Zusammenarbeit von NS-Stellen und Kirchengemeinden, deren Eintragungen zu Geburten in Kirchenbüchern herangezogen wurden, wäre diese Arbeit nicht zu bewältigen gewesen.

Der NS-Rassismus beschränkte sich nicht auf Menschen, sondern richtete sich auch gegen Kulturgüter. Beispielsweise wurde Jazz als „Negermusik“ diffamiert und verworfen, und Werke missliebiger Künstler galten als entartete Kunst.

Bundesrepublik Deutschland

In den 1990-er Jahren kam es in der Bundesrepublik Deutschland, vermehrt in den Neuen Bundesländern, zu rassistisch motivierten Pogromen und Anschlägen. Die aufsehenerregendsten waren der Brandanschlag von Mölln, der Mordanschlag von Solingen, die Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen, die Hetzjagd in Guben, die Mordanschläge auf Amadeu Antonio Kiowa und Samuel Yeboah, die Magdeburger Himmelfahrtskrawalle, und das Pogrom von Hoyerswerda. Viele dieser Ausschreitungen und Morde wurden von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen verübt, die der sogenannten Naziskin- oder Neonaziszene zuzurechnen sind. Auch Sachbeschädigungen, die sich zum Beispiel gegen jüdische Friedhöfe richten oder als rassistische Graffiti sichtbar werden, waren keine Ausnahme. [81] Laut einem Bericht der Bundeszentrale für Politische Bildung über rassistische Vorurteile, geschrieben von Werner Bergmann, gab es von 1990 bis 2003 mehr als 100 Todesopfer rechter Gewalt in Deutschland. Im Bericht wird erwähnt, dass in der Vergangenheit der Europarat und die Vereinten Nationen mehrmals Kritik am Vorgehen der deutschen Polizei an Ausländern geübt hätten. Einem Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) von 2003 zufolge sind „Schwarze“ als eine „äußerlich erkennbare Minderheit“ in Deutschland besonders von Rassismus betroffen.[82] Das Bundesamt für Verfassungsschutz zählt in seinem Bericht über das Jahr 2005 insgesamt 355 Straftaten mit Fremdenfeindlichen und 49 Straftaten mit Antisemitischen Motiven auf[83].

Allgemeine gegenwärtige Erscheinungen

In den deutschsprachigen Ländern wird oftmals bis zum heutigen Zeitpunkt angenommen, dass Rassismus in erster Linie in Form von Xenophobie (v. griech.: xenos fremd, Gast / phóbos Furcht) vorhanden ist. Zwischen Rassismus und Xenophobie besteht eine Verwandtschaft, insbesondere die Gemeinsamkeit in mangelnder interkultureller Kompetenz, allerdings sind Rassismus und Xenophobie nicht einfach gleichzusetzen. Im rassistischen deutschen Nationalsozialismus wurden einheimische „Nichtarier“ (Juden) viel schlechter behandelt als ausländische „Arier“ (beispielsweise Skandinavier und andere Nord- und Westeuropäer). Von der Xenophobie nimmt man dagegen an, dass sie keine Rassenbegriffe kennt, sondern eher einen Ethnopluralismus befördert. Man nimmt auch an, dass rassistisch denkenden Menschen häufig nicht bewusst ist, dass sie rassistisch denken, was gleichzeitig impliziert, dass sie ihre Wahrnehmungen nicht mit dem Begriff „Rasse“ verbinden. Der Begriff der Xenophobie (Furcht vor dem Fremden) wird daher oftmals auch benutzt, um das eigentliche Problem Rassismus nicht offen ansprechen zu müssen.

Diese generelle Annahme wird unterstützt durch Untersuchungen in der Schweiz, wo aufgrund einer Studie der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus [84] anzunehmen ist, dass Rassismus im engeren Sinne in der Schweiz sehr viel weiter verbreitet ist, als ursprünglich angenommen. So sind Schwarze trotz Assimilierung, Integration und Einbürgerung auch nach Jahrzehnten gesellschaftlich marginalisiert und werden, teilweise sogar unter eindeutiger Nennung der Hautfarbe als abwertendem Faktor, bei Bewerbungen zurückgewiesen.

So wird in der Rassismusforschung vermehrt darauf hingewiesen, dass Rassismus kein individuelles Problem ist, sondern dass rassistisches Wissen von gesellschaftlichen Diskursen bestimmt wird. Nach Arndt ist Rassismus „an gesellschaftliche Gegebenheiten geknüpft, die sehr widerstandsfähig und resistent, vielleicht sogar irreparabel sind.“ Das bedeutet, dass Rassismus „(k)ein individuelles Problem“ ist und deshalb „auch nicht individuell bewältigbar“ ist. Dazu gehöre es auch, „sich bewusst zu machen, dass durch die Omnipräsenz des Rassismus in Vergangenheit und Gegenwart sozialpolitische Identitäten gewachsen sind – dass das Herzstück des Rassismus die Konstruktion und Hierarchisierung von Schwarzen und Weißen ist.“ Arndt beschreibt die gesellschaftlichen Aspekte dieser Konstruktionen „In der vom Rassismus geprägten Sozialisation wurden diese Konstrukte vermittelt und globalen Macht- und Herrschaftsverhältnissen zugrunde gelegt. Eine Realität soziopolitischer Identitäten wurde geschaffen. Wir werden nicht als Schwarze oder Weiße geboren, sondern zu diesen gemacht. Dies macht es erforderlich, Schwarze und Weiße Erfahrungen und Perspektiven wahrzunehmen und zu repräsentieren. Wo dies ignoriert wird, kann Rassismus nicht überwunden werden.“ [85]

Seit den 1990er-Jahren findet auch ein Perspektivwechsel in der Wissenschaft statt. So sind - wie in der Kritischen Weißseinsforschung - nicht vorrangig die Objekte des Rassismus der Gegenstand der Forschung, sondern die Strukturen, die Rassismus ermöglichen. [86]

Ursachen rassistischen Denkens

Über die Ursachen rassistischen Denkens gibt es schon immer verschiedene Vorstellungen. Nach rationalistisch orientierten Theorien bildete sich der klassische Rassismus im 18. Jahrhundert heraus. Führende Theoretiker der westlichen Welt (wie Immanuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel) versuchten damals, die rassischen Unterschiede wissenschaftlich zu erklären. Sie nahmen an, dass die menschlichen Rassen nicht nur biologische (vorwiegend körperliche) Unterschiede aufweisen, sondern auch feststehende und unveränderbare Merkmale hinsichtlich ihrer Mentalität und ihres Charakters. Später schien die moderne Biologie und Genetik im Gefolge von Charles Darwin dazu Anhaltspunkte zu liefern. Andere Vertreter der Aufklärung, wie Johann Gottfried Herder, distanzierten sich dagegen klar von der Einteilung der Menschen in Rassen, [87] in dem er schrieb:

Ich sehe keine Ursache dieser Benennung. Rasse leitet auf eine Verschiedenheit der Abstammung, die hier entweder gar nicht stattfindet, oder in jedem dieser Weltstriche unter jeder dieser Farben die verschiedensten Rassen begreift. [...] Kurz, weder vier oder fünf Rassen, noch ausschließende Varietäten gibt es auf der Erde. [88]

Nach 1945 trat offener Rassismus in der Wissenschaft zurück.

Psychologisch orientierte Theorien sehen die Ursachen rassistischen Denkens vor allem in psychisch begründeten Abgrenzungstendenzen zwischen der eigenen Gruppe und Fremdgruppen, die der Stärkung des Identitäts- und Selbstwertgefühls dienen und meist mit stereotypen Vorurteilen und Klischees gegenüber den „Anderen“ und „Fremden“ einhergehen.

Dabei kommt der Projektion (Psychologie) eigener psychischer Komponenten auf die fremde Gruppe als Mittel zur Bewältigung eigener innerer Konflikte besondere Bedeutung zu (siehe Abwehrmechanismus). So sieht die Psychoanalytikerin Julia Kristeva die Abwehr des Fremden als Abwehr projizierter unbewusster, angstauslösender Aspekte des Eigenen, bei der all jene Komponenten des Fremden Angst auslösen, die nicht in den eigenen "symbolischen Haushalt" zu integrieren seien.

"Der Fremde, Figur des Hasses und des anderen, ist weder das romantische Opfer unserer heimischen Bequemlichkeit noch der Eindringling, der für alle Übel des Gemeinwesens die Verantwortung trägt. [...] Auf befremdliche Weise ist der Fremde in uns selbst." [89]

Sie befürwortet das Eingeständnis und das Akzeptieren der Nichtintegrierbarkeit des Fremden, und befürwortet einem Auskommen mit ihm jenseits traditioneller Strategien wie Nivellierung, Ausgrenzung, Auslöschung, Überhöhung oder Erniedrigung. [90]

Eher gruppenpsychologisch orientierte Ansätze wie die Theorie der Sozialen Identität nach Henri Tajfel verweisen auf die Relevanz der Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen für das Selbstbild eines Individuums. Nach ihm konstituiere sich eine Gruppe in Abgrenzung zu anderen Gruppen, wobei bestimmte Unterscheidungsmerkmale stereotypisierend und zum Teil abwertend hervorgehoben würden.

Soziologisch orientierten Theorien (siehe unter Begriffliche Dimensionen) gilt Rassismus als Ideologie, die der Aufwertung der eigenen Gruppe und der Stabilisierung des eigenen Selbstgefühls dient und in diesem Sinn eine Abwertung und Ausgrenzung anderer Menschen vornimmt.

Der Rassismus ist von Formen kultureller oder religiöser Intoleranz abzugrenzen, die auf der Basis der gleichen psychologischen Mechanismen ebenfalls zu Ablehnung und Unterdrückung anderer Menschengruppen führen. Anders als beim Rassismus wird die Differenz zur eigenen Gruppe in diesen Fällen aber nicht als erblich und unveränderbar angesehen. Durch die religiöse Konversion oder die Annahme einer anderen kulturellen Identität ist eine Integration unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen grundsätzlich möglich.

Siehe auch

Literatur

Monographien

  • Étienne Balibar: Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten. Argument-Verlag, Hamburg 1998, ISBN 3-88619-386-1 (zusammen mit Immanuel Wallerstein).
  • Martin Barker: The New Racism. Junction Books, London 1981, ISBN 0-86245-038-1.
  • Frank Böckelmann: Die Gelben, die Schwarzen, die Weißen. Eichhorn, Frankfurt/M. 1999, ISBN 3-8218-4475-2.
  • Luca Cavalli-Sforza, Francesco Cavalli-Sforza: Verschieden und doch gleich. Ein Genetiker entzieht dem Rassismus die Grundlage. Droemer Knaur, München 1996, ISBN 3-426-77242-6.
  • Alex Demirovic (Hrsg.): Konjunkturen des Rassismus. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2002, ISBN 3-89691-516-9.
  • Frantz Fanon: Schwarze Haut, weiße Masken. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1986, ISBN 3-518-37686-1.
  • Wulf D. Hund: Rassismus. Die soziale Konstruktion natürlicher Ungleichheit. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 1999, ISBN 3-89691-453-7.
  • Wulf D. Hund: Negative Vergesellschaftung. Dimensionen der Rassismusanalyse, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2006, ISBN 3-89691-634-3
  • Wulf D. Hund, Rassismus, Transcript-Verlag, Bielefeld 2007, ISBN 3-89942-310-0
  • Siegfried Jäger, Jürgen Link (Hrsg.): Die vierte Gewalt. Rassismus und die Medien. DISS-Verlag, Duisburg 1993, ISBN 3-927388-36-X.
  • Albert Memmi: Rassismus. Athenäum, Frankfurt/M. 1987, ISBN 3-445-04872-X.
  • Robert Miles: Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs. Argument-Verlag, Hamburg 1992, ISBN 3-88619-389-6.
  • Paul Jobst: Das „Tier“-Konstrukt und die Geburt des Rassismus. Zur kulturellen Gegenwart eines vernichtenden Arguments. Unrast-Verlag, Münster 2004, ISBN 3-89771-731-X.
  • Bernd Winter: Gefährlich fremd. Deutschland und seine Einwanderung. Lambertus-Verlag, Freiburg 2004, ISBN 3-7841-1543-8.
  • Wolfgang Wippermann: Rassenwahn und Teufelsglaube. Frank & Timme, Berlin 2005, ISBN 3-86596-007-3.
  • Nora Räthzel: Theorien über Rassismus, Argument-Verlag, Hamburg 2000, ISBN 3-88619-258-X

Zur Geschichte des Rassismus

  • Christian Delacampagne: Die Geschichte des Rassismus. Artemis & Winkler, Düsseldorf 2005, ISBN 3-538-07206-X.
  • Léon Poliakov, Christian Delacampagne, Patrick Girard: Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Luchterhand-Literaturverlag, Hamburg 1992, ISBN 3-630-71061-1.
  • Oliver Demny: Rassismus in den USA. Historie und Analyse einer Rassenkonstruktion. Unrast-Verlag, Münster 2001, ISBN 3-89771-007-2.
  • George M. Fredrickson: Rassismus. Ein historischer Abriß. Hamburger Edition, Hamburg 2004, ISBN 3-930908-98-0.
  • Imanuel Geiss: Geschichte des Rassismus. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1993, ISBN 3-518-11530-8.
  • Peter Martin: Schwarze Teufel, edle Mohren. Afrikaner in Bewußtsein und Geschichte der Deutschen. Junius, Hamburg 2001, ISBN 3-930908-64-6.
  • George L. Mosse: Die Geschichte des Rassismus in Europa. Fischer, Frankfurt/M. 2006, ISBN 3-596-16770-1.
  • Rosa A. Plumelle-Uribe: Weisse Barbarei. Vom Kolonialrassismus zur Rassenpolitik der Nazis. Rotpunktverlag, Zürich 2004, ISBN 3-85869-273-5.
  • Karin Priester: Rassismus. Eine Sozialgeschichte. Reclam, Leipzig 2003, ISBN 3-379-20076-X.
  • Léon Poliakov: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus, Junius Verlag, Hamburg 1993, ISBN 3-88506-220-8
  • Léon Poliakov: Geschichte des Antisemitismus in 8 Bänden, Heintz Verlag, Worms:
  1. Von der Antike bis zu den Kreuzzügen. - 1977, ISBN 3-921333-99-7
  2. Das Zeitalter der Verteufelung und des Ghettos. - 1978, ISBN 3-921333-96-2
  3. Religiöse und soziale Toleranz unter dem Islam. - 1979, ISBN 3-921333-93-8
  4. Die Marranen im Schatten der Inquisition. - 1981, ISBN 3-921333-98-9
  5. Die Aufklärung und ihre judenfeindliche Tendenz. - 1983, ISBN 3-921333-88-1
  6. Emanzipation und Rassenwahn. - 1987, ISBN 3-921333-86-5
  7. Zwischen Assimilation und "jüdischer Weltverschwörung". - 1988, ISBN 3-610-00417-7
  8. Am Vorabend des Holocaust. - 1988, ISBN 3-610-00418-5
  • Hering Torres, Max Sebastián: Rassismus in der Vormoderne. Die "Reinheit des Blutes" im Spanien der Frühen Neuzeit, Campus Verlag, Frankfurt/Main 2006, ISBN 3-593-38204-0

Aufsätze

  • Walter Demel: Wie die Chinesen gelb wurden. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Rassentheorien. In: Historische Zeitschrift, 255 1992.
  • Pierre-André Taguieff: Le néo-racisme différentialiste. In: Langage et Société. 34 (1985)
  • Gábor Paál: Rassismus oder die Angst vor dem Fremden. In: Clas, Detlef & Paal, G.: Fremde Heimat - Migration weltweit. Filderstadt 2007, ISBN 3-935129-35-1.

Weblinks

Deutschland

Österreich

Schweiz

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Prof. Dr. Ulrich Kattmann: Rassismus, Biologie und Rassenlehre
  2. UNESCO, Erklärung über Rassen und Rassenvorurteile vom 27. November 1978
  3. Die Zeit: Lexikon in 20 Bänden, Zeitverlag, Hamburg 2005, ISBN 3-411-17560-5 (Gesamtwerk), Band 12, S. 89; Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 27 Februar 2007
  4. Lexikon der Politik, Hrsg. Dieter Nohlen, München 1995, ISBN 3-406-36904-9: Band 1. Politische Theorien, S. 497
  5. a b c d Imanuel Geiss, Geschichte des Rassismus Frankfurt am Main, Suhrkamp 1993, ISBN 3-518-11530-8
  6. vgl. z.B. Albrecht Dihle: Die Griechen und die Fremden, C.H.Beck 1994, ISBN 3-406-38168-5
  7. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w George M. Fredrickson: Rassismus - Ein historischer Abriss, Hamburger Edition, 2004, ISBN 3-930908-98-0
  8. Dass die ersten Bekehrungen nicht aufrichtig gemeint waren, stand außer Zweifel und erweckte den Argwohn der «Altchristen», [..]“; Léon Poliakov /Christian Delacampagne /Patrick Girard, Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Luchterhand-Literaturverlag, Hamburg 1992, ISBN 3-630-71061-1, S. 59
  9. Christina von Braun: Blut als Metapher in Religion und Kunst, Ab Seite 5
  10. Lexikon der Politik, Hrsg. Dieter Nohlen, München 1995, ISBN 3-406-36904-9: Band 1. Politische Theorien, Seite 498
  11. Manfred Kappeler, Rassismus: über die Genese einer europäischen Bewusstseinsform, Verlag für Interkulturelle Kommunikation, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-88939-118-4, Seite 36
  12. Christian J. Jäggi, Rassismus – Ein globales Problem, Zürich: Orell Füssli 1992, ISBN 3-280-02121-9, S. 32
  13. Christian Delacampagne: Die Geschichte des Rassismus. Artemis & Winkler, Düsseldorf 2005, ISBN 3-538-07206-X, S. 141
  14. Voltaire: "La race des Nègres est une espèce d’hommes différente de la nôtre comme la race des épagneuls l’est des lévriers [..]. On peut dire que si leur intelligence n’est pas d’une autre espèce que notre entendement, elle est très inférieure.", aus Essai sur les mœurs et l'esprit des Nations (1755) La Négrophobie de Voltaire
  15. Auch zu finden in: Léon Poliakov /Christian Delacampagne /Patrick Girard, Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Luchterhand-Literaturverlag, Hamburg 1992, ISBN 3-630-71061-1, Seite 77
  16. Noah aber fing an, und ward ein Ackermann, und pflanzte Weinberge. Und da er von dem Wein trank, ward er trunken, und lag in der Hütte aufgedeckt. Da nun Ham, Kanaans Vater, sah seines Vaters Blöße, sagte er’s seinen Brüdern draußen. Da nahmen Sem und Japheth ein Kleid, und legten es auf ihrer beider Schultern, und gingen rücklings hinzu, und deckten ihres Vaters Blöße zu; und ihr Antlitz war abgewandt, dass sie ihres Vaters Blöße nicht sahen. Als nun Noah erwachte von seinem Wein, und erfuhr, was ihm sein jüngster Sohn getan hatte, sprach er: Verflucht sei Kanaan, und sei ein Knecht aller Knechte unter seinen Brüdern! Und sprach weiter: Gelobt sei der Herr, der Gott Sems, und Kanaan sei sein Knecht. Gott breite Japheth aus, und lasse ihn wohnen in den Hütten des Sem; und Kanaan sei sein Knecht. (Mose 9, 20–27.)
  17. Lexikon der Biologie, Band 9, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002, ISBN 3-8274-0334-0, S. 176 (Artikel: Menschenrassen)
  18. Léon Poliakov /Christian Delacampagne /Patrick Girard, Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Luchterhand-Literaturverlag, Hamburg 1992, ISBN 3-630-71061-1, Seite 20, 21
  19. Léon Poliakov, Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus, Hamburg 1992, Ab Seite 269; Imanuel Geiss, Geschichte des Rassismus Frankfurt am Main, Suhrkamp 1993, S. 168 - 169); George L. Mosse, Die Geschichte des Rassismus in Europa, Frankfurt am Main 1990, Ab Seite 76; Léon Poliakov u.a., Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Hamburg 1992, Ab Seite 98
  20. Unkommentierte Textauswahl aus Der Untergang der Besten. Gobineaus versuch einer Rassentheorie, in Detlev Claussen, Was heißt Rassismus?, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994, ISBN 3-534-12033-7, Ab S. 27
  21. Prof. Dr. Horst Seidler und internationale Fachleute: UNESCO-Erklärung 
gegen den "Rasse"-Begriff. In: inidia. UNESCO.: „"Rassismus ist der Glaube, daß menschliche Populationen sich in genetisch bedingten Merkmalen von sozialem Wert unterscheiden, so daß bestimmte Gruppen gegenüber anderen höherwertig oder minderwertig sind. Es gibt keinen überzeugenden wissenschaftlichen Beleg, mit dem dieser Glaube gestützt werden könnte."“. Abgerufen am 24. Dezember 2008.
  22. Lexikon der Politik, Hrsg. Dieter Nohlen, München 1995, ISBN 3-406-36904-9: Band 1. Politische Theorien, Seite 502
  23. Lexikon der Politik, Hrsg. Dieter Nohlen, München 1995, ISBN 3-406-36904-9: Band 1. Politische Theorien, S. 497
  24. Meyers Lexikon, Band 9, Leipzig 1942, S. 76
  25. Robert Miles, Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs. Argument-Verlag, Hamburg 1992, ISBN 3-88619-389-6, Seite 60
  26. Im Deutschen lässt sich die Differenz zwischen racialism und racism nur schwer wiedergeben. Im angloamerikanischen Sprachgebrauch werden beide Ausdrücke mitunter koextensiv gebraucht. Frank Hamilton Hankins verwendet den Ausdruck racialists zuerst 1926 in seinem Buch: The Racial Basis of Civilization: A Critique of the Nordic Doctrine. Darin befasst er sich mit der Idee der "nordischen Überlegenheit" [nordicism], bzw. deren Vertretern [nordicists]. Er differenziert in der Umwelt-Anlage-Diskussion egalitarians (wie Franz Boas) von den racialists, die von einem Primat der Rasse und der Rassenungleichheit ausgehen und Verfechter der Rassentrennung sind, zu denen er unter anderem Gobineau, Stoddard und auch den Ku-Klux-Klan zählt. Der Begriff racism wurde später geprägt und bezeichnet «Rassismus». Vgl. dazu z.B. George M. Fredrickson: Rassismus - Ein historischer Abriss, Hamburger Edition, 2004, ISBN 3-930908-98-0, S. 156 - 164
  27. Robert Miles, Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs. Argument-Verlag, Hamburg 1992, ISBN 3-88619-389-6, Seite 61
  28. Hirschfeld 1938, S. 260; zitiert nach George M. Fredrickson: Rassismus - Ein historischer Abriss, Hamburger Edition, 2004, ISBN 3-930908-98-0, Seite 164
  29. Hirschfeld 1938, S. 57; zitiert nach George M. Fredrickson: Rassismus - Ein historischer Abriss, Hamburger Edition, 2004, ISBN 3-930908-98-0, Seite 164
  30. Ivan Hannaford, Race - The History of an Idea in the West, ISBN 978-0-8018-5223-7
  31. Dr. Marcus Gossler Rasse und Rassismus auf Konservativ.de
  32. Etienne Balibar: Rassismus und Nationalismus. In: Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten Argument Verlag 1998, ISBN 3-88619-386-1, Seite 52
  33. Léon Poliakov /Christian Delacampagne /Patrick Girard, Rassismus Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Luchterhand-Literaturverlag, Hamburg 1992, ISBN 3-630-71061-1, S. 43
  34. Stuart Hall: „Rasse“, Artikulation und Gesellschaften mit struktureller Dominante, in Rassismus und kulturelle Identität, Ausgewählte Schriften Band 2, Argument-Verlag, Hamburg 1994, ISBN 3-88619-226-1, S. 127
  35. Stuart Hall (1978) nach Robert Miles, in: Bedeutungskonstitution und der Begriff des Rassismus, aus dem Englischen von Nora Räthzel (Hg.); Theorien über Rassismus, Argument-Verlag, Hamburg 2000, ISBN 3-88619-258-X, S. 26
  36. Stuart Hall: Rassismus als ideologischer Diskurs, in Theorien über Rassismus / Nora Räthzel (Hg.), Argument-Verlag, Hamburg 2000, ISBN 3-88619-258-X, Seite 11
  37. Ein deterministischer kultureller Partikularismus kann das gleiche bewirken wie ein biologisch begründeter Rassismus, wie wir später bei den Erörterungen über den völkischen* Nationalismus in Deutschland und Südafrika noch feststellen werden. Zeitgenössische britische Soziologen haben ein Phänomen ausgemacht und analysiert, das sie den "neuen kulturellen Rassismus" nennen. John Solomos und Les Back vertreten beispielsweise die Auffassung, dass Rasse heute "als Kultur kodiert" wird und dass "das zentrale Merkmal dieser Prozesse darin besteht, dass die Eigenschaften von sozialen Gruppen fixiert, naturalisiert und in einen pseudobiologisch definierten Kulturalismus eingebettet werden". Rassismus ist daher eine Ideologie, "die ihre Wirksamkeit der Fähigkeit verdankt, Ideen und Werte aus anderen soziohistorischen Zusammenhängen aufzupicken und zu verwenden" ("scavenger ideology"). Aber es gibt auch "starke Kontinuitäten in der Konstruktion von Bildern des "Anderen" sowie in den Bildern, die rassistische Bewegungen verwenden, um die Grenzen von "Rasse" und "Nation" zu definieren". Diese Kontinuitäten weisen meiner Ansicht nach darauf hin, dass es eine allgemeine Geschichte des Rassismus und eine Geschichte partikularer Rassismen gibt; doch um die verschiedenen Formen und Funktionen des allgemeinen Phänomens zu verstehen, mit dem wir uns befassen, ist es notwendig, den jeweils spezifischen Kontext zu kennen.; Aus: George M. Fredrickson: Rassismus - Ein historischer Abriss, Hamburger Edition, 2004, ISBN 3-930908-98-0, S. 16
  38. Loic J. D. Wacquant: For an Analytic of Racial Domination; in: Diane E. Davis: Political Power and Social Theory, Band 11, JAI Press, 1997, ISBN 0-7623-0242-9, Seite 222
  39. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w Albert Memmi, Rassismus, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1992, ISBN 3-434-46096-9
  40. „[Antisemitismus] ist ein durch sein Objekt näher definierter Rassismus; der Antisemitismus ist ein Rassismus, der sich gegen die Juden richtet. Als solcher weist er besondere Merkmale auf, die mit seinem besonderen Opfer und den eigentümlichen Beziehungen zwischen diesem und seinem Angreifer zusammenhängen.“; Albert Memmi, Rassismus, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1992, ISBN 3-434-46096-9, S. 72
  41. vgl. auch Manfred Böcker: Antisemitismus ohne Juden, Die Zweite Republik, die antirepublikanische Rechte und die Juden. Spanien 1931 bis 1936, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt a.M. 2000, ISBN 3-631-36152-1, Seite 13: Der Begriff "Antisemitismus" erfüllt in keiner Weise die für einen wissenschaftlichen Terminus erforderlichen Kriterien. Er ist nicht das Ergebnis historischer oder politischer Analysen, sondern stellt sowohl aus etymologischer als auch aus politischer Perspektive ein Unwort dar. Der Terminus "Antisemitismus" entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als ein durch eine bestimmte Strömung von Judenhassern in Deutschland geprägter Neologismus. Er suggeriert auch heute noch die Existenz einer mit den "Juden" identischen "semitischen" Rasse. Aufgrund der normativen Kraft des faktischen Sprachgebrauchs sowie in Ermangelung einer begrifflichen Alternative wird die Forschung aber dennoch nicht auf ihn verzichten können.
  42. Albert Memmi: Le racisme est la valorisation, généralisée et définitive, de différences biologiques, réelles ou imaginaires, au profit de l´accusateur et au détriment de sa victime, afin de justifier un aggression; in Essai de définition du racisme, La Nef 19–20 (1964), 41–47.
  43. Es macht Schwierigkeiten, eine Definition des Rassismus zu finden, die allgemein akzeptiert wäre. Das ist zumindest erstaunlich bei einem Gegenstand, der so häufig und auf so unterschiedliche Weise aufgegriffen worden ist. Die Gründe für diese Schwierigkeiten werden verständlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass das Fundament des Rassismus, d. h. der auf den Menschen angewendete Begriff der reinen Rasse, unzureichend definiert ist und dass es praktisch unmöglich ist, ihm einen exakt abgegrenzten Gegenstandsbereich zuzuordnen. Andererseits ist der Rassismus keine wissenschaftliche Theorie, sondern ein Komplex von obendrein zumeist widersprüchlichen Meinungen, die sich keineswegs aus objektiven Feststellungen ableiten und dem, der sie von sich gibt äußerlich sind, zur Rechtfertigung von Handlungen, die ihrerseits der Angst vor dem Anderen entspringen sowie dem Wunsch, diesen Anderen anzugreifen, um die Angst zu bannen und sich selbst zum Schaden des Anderen zu behaupten. Und schließlich erscheint der Rassismus als der Sonderfall eines allgemeineren Verhaltens: Die Verwendung tatsächlicher oder fiktiver biologischer Unterschiede, die aber auch psychologischer oder kultureller Art sein können. Der Rassismus erfüllt demnach eine bestimmte Funktion. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Rassismus die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver biologischer Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers ist, mit der eine Aggression gerechtfertigt werden soll.“; Artikel «Racisme» der Encyclopædia Universalis; Paris 1972, S. 915 f.
  44. Noch weiter zusammengefasst besteht der Rassismus aus drei wesentlichen Elementen: 1. dem Bestehen auf einem Unterschied, 2. dessen Benutzung als Mythos und 3. der Bequemlichkeit dieser Benutzung.“; Albert Memmi, Rassismus, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1992, ISBN 3-434-46096-9, S. 224
  45. Der Rassismus beginnt erst mit der Interpretation der Unterschiede; Albert Memmi, Rassismus, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1992, ISBN 3-434-46096-9, S. 37
  46. Man wird schließlich erst dann zum Rassist, wenn man auch den dritten Schritt tut: die Verwendung des Unterschieds gegen den anderen, mit dem Ziel aus dieser Stigmatisierung einen Vorteil zu ziehen.“; Albert Memmi, Rassismus, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1992, ISBN 3-434-46096-9, S. 46
  47. [Taguieff] hat zwischen zwei Varianten oder «Logiken» des Rassismus unterschieden - dem «Herrschaftsrassismus» und dem «Vernichtungsrassismus»; vgl. Pierre-André Taguieff: Die Macht des Vorurteils. Der Rassismus und sein Double, S. 157; zitiert aus: George M. Fredrickson: Rassismus - Ein historischer Abriss, Hamburger Edition, 2004, ISBN 3-930908-98-0, S. 17
  48. Christoph Butterwegge, Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996, ISBN 3-89678-015-8, S. 123
  49. Manfred Kappeler, Rassismus: über die Genese einer europäischen Bewusstseinsform, Verlag für Interkulturelle Kommunikation, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-88939-118-4, ab S. 30
  50. Georg Kreis, Rassismus in der Schweiz, Ansprache im Rahmen der Preisverleihung des Schweizer Geschichtswettbewerbs HISTORIA, Basel, 16. April 2005
  51. Philomena Essed, Rassismus und Migration in Europa, in ARGUMENT-Sonderband AS 201, Argument Verlag, Hamburg 1992, ISBN 3-88619-195-8, S. 375
  52. Robert Miles: Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs. Hamburg, 1999, Argument Verlag, Hamburg 1999, ISBN 3-88619-389-6, S. 9
  53. Kurt Horstmann, Sozialwissenschaftliche Standardterminologie für die Erforschung des Flüchtlingsproblems, In: AWR-Bulletin 1- 2, 1986
  54. David Theo Goldberg, Racist Culture. Philosophy and the Politics of Meaning, Blackwell Books, Oxford 2002, ISBN 0-631-18078-8, S. 103
  55. Yves Albert Dauge, Le barbare. Recherches sur la conception romaine de la barbarie et de la civilisation, Brüssel 1981, ISBN 2-87031-116-8
  56. Christopher Tuplin, Greek racism? Observations on the character and limits of Greek ethnic prejudice In: Gocha Tsetskhladze (Hrsg.): Ancient Greeks West and East. Brill, Leiden 1999, S. 47, ISBN 90-04-11190-5
  57. Benjamin Isaac, The invention of racism in classical antiquity, Princeton Univ. Press 2004, ISBN 0-691-11691-1
  58. Christian Delacampagne, Die Geschichte des Rassismus, Artemis und Winkler 2005, ISBN 3-538-07206-X
  59. Aristot. Pol. 1254 b 13
  60. Benjamin Isaac, The invention of racism in classical antiquity, Princeton Univ. Press 2004, S. 37, ISBN 0-691-11691-1
  61. Nach Dihle, Albrecht: Die Griechen und die Fremden, München 1994, S. 15.
  62. Nach Dihle, Albrecht: Die Wahrnehmung des Fremden im Alten Griechenland (Berichte aus den Sitzungen der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften 2), Göttingen 2003, S. 8.
  63. Ein anderes Beispiel dieser Form sophistischen Argumentierens: Paula A. Debnar: Diodotus’ Paradox and the Mytilene Debate, in: RhM 143 (2000) S. 161–178 [RhM = Rheinisches Museum (Zeitschrift)]
  64. Rosivach, Vincent J., Enslaving Barbaroi and the Athenian Ideology of Slavery, in: Historia 48(1999), 129-157.
  65. vgl. Das Bild der Skythen bei Aristophanes - zum Beispiel in den „Thesmophoriazusen“ und in der „Lysistrata“, in der skythische Staatssklaven mehr an Weinschänken als an Polizeiaufgaben interessiert sind
  66. Dies verstärkte sich durch den panhellenischen Gedanke, der besonders seit der Philosophie des frühen 4. Jahrhundert und nach dem Desaster des Peloponnesischen Kriegs an Gewichtung gewann.
  67. Plat. pol. 469b-471c
  68. Plat. pol. 435e–436a: „Müssen wir nun nicht, begann ich, ganz notwendig zugeben, dass die nämlichen Arten und Sitten in jedem von uns sind wie im Staate? Denn anderswoher sind sie doch nicht dahin gekommen. Denn es wäre lächerlich, wenn jemand glauben würde, das Zornmütige rühre in den Staaten nicht von den Einzelnen her, denen man das ja nachsagt, wie z. B. denen in Thrakien und Skythien und so ziemlich denen in den nördlichen Gegenden, oder das Wissbegierige, was man ja am ehesten unseren Gegenden nachsagen könnte, oder das Geldbegierige, was man nicht zum mindesten an den Phöniziern und den Ägyptern entdecken könnte.“
  69. Aristot. pol. 1324b 10–20
  70. Aristot. pol. 1285a 15–25
  71. Nippel, Wilfried: Griechen, Barbaren und „Wilde“. Alte Geschichte und Sozialanthropologie, Frankfurt am Main 1990, S. 37.
  72. Nippel 1990, S. 37.
  73. Jared Diamond: Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften, (erweiterte Neuauflage) Frankfurt 2006, S. 233 u. S. 251-256/
  74. Gudrun Krämer: Geschichte des Islam, C.H. Beck Verlag, München 2005, hier: Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2005, S. 190
  75. vgl. Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche, Susan Arndt (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland; Münster 2005 Rezension bei H-Soz-u-Kult
  76. was aufzeigt dass Rasse keine feste Körpereigenschaft, sondern eine zugeschriebene soziale Qualität darstellt
  77. [1] 14. September 2007 nydailynews.com, Black men urged to help Philadelphia police to reduce crime, Aufruf an die schwarzen Männer, Verbrechen in Philiadelphia zu verringern
  78. [2] Is Obama Black Enough? Von Ta-Nehisi Paul Coates, TIME Magazine, 1. Februar 2007
  79. [3] A Dance Called America: Scottish Highlands, the United States and Canada, von James Hunter
  80. Victor Kiernan: The lords of human kind - European attitudes to other cultures in the Imperial Age, Serif, London, 1995, ISBN 1-897959-23-0
  81.  ;„Wehrhafte Demokratie oder ‚Gesinnungsterror‘ ?“ auf der Seite der brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung
  82. Rassistische Vorurteile Bundeszentrale für politische Bildung
  83. bundesregierung.de Verfassungschutzbericht 2005
  84. vgl. Carmel Fröhlicher-Stines/Kelechi Monika Mennel: Schwarze Menschen in der Schweiz. Ein Leben zwischen Integration und Diskriminierung; Bern 2004
  85. Arndt: Rassismus in Gesellschaft und Sprache. In: Susan Arndt (Hrsg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland. Unrast Verlag, Münster 2001, ISBN 3-89771-407-8, S. 23
  86. vgl. Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche, Susan Arndt (Hg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Münster 2005.
  87. Karin Priester: Rassismus - Eine Sozialgeschichte, Reclam, Leipzig, 2003, ISBN 3-379-20076-X, Seite 85
  88. Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Deutscher Klassiker Verlag, 1989, ISBN 3-618-60760-1, Ideen II 7,1, Seite 255 und 256
  89. Julia Kristeva: Fremde sind wir uns selbst, 1991, Seite 11, zitiert nach: Wolfgang Müller-Funk: Das Eigene und das Fremde / Der, die das Fremde - Zur Begriffsklärung nach Hegel, Levinas, Kristeva, Waldenfels, auf www.kakanien.ac.at
  90. Julia Kristeva: Fremde sind wir uns selbst, 1991, Seite 12, zitiert nach: Wolfgang Müller-Funk: Das Eigene und das Fremde / Der, die das Fremde - Zur Begriffsklärung nach Hegel, Levinas, Kristeva, Waldenfels, auf www.kakanien.ac.at

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