Ratzenhofer

Ratzenhofer

Gustav Ratzenhofer (* 4. Juli 1842 in Wien; † 8. Oktober 1904 auf dem Atlantik) war ein österreichischer Offizier, Philosoph und wurde vor allem als Soziologe bekannt. Er schrieb auch unter dem Pseudonym Gustav Renehr.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ratzenhofer war gelernter Uhrmacher und trat 1859 nach der Uhrmachermeisterprüfung in die österreichische Armee ein, in der er eine steile Karriere machte: Leutnant (1864), Mitglied des Generalstabs (1872), Direktor des Armee-Archivs (1878), schließlich als Feldmarschall-Leutnant Präsident des Militär-Obergerichtes (1898). 1901 trat Ratzenhofer aus der Armee aus und widmete sich ganz seinem Selbststudium von Philosophie und Soziologie, wobei er durch rege Kontakte zu Ludwig Gumplowicz von diesem stark beeinflusst war.

Er starb 1904 auf der Heimreise von einem Studienaufenthalt in den USA.

Werk

Ratzenhofer verstand Soziologie in Anlehnung an Herbert Spencer, Charles Darwin und Auguste Comte als Teil einer umfassenden Philosophie, die er als "postiviven Monismus" bezeichnete. Er vertrat ein evolutionäres Modell der Gesellschaftentwicklung.

Antrieb allen sozialen Handelns ist nach Ratzenhofer die "Urkraft" (angeborene Interessen). "Brotneid" und "Blutliebe" dominieren seit Urzeiten das soziale Geschehen. Dabei unterliegt die Urgesellschaft dem "Gesetz der absoluten Feindseligkeit". Konflikte und Unterwerfungen verändern dann den "Erobererstaat" zum "Kulturstaat" und enden in der Zivilisation, in der friedlicher Interessenausgleich ein kreatives und freies Leben ermöglicht.

Ratzenhofer versuchte, alle Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Zusammenlebens mit naturwissenschaftlichen Methoden zu erklären, und betonte die Einheit der Weltgesetzlichkeit. Sein Werk gilt als bedeutender Beitrag zur soziologischen Interessen- und Evolutionstheorie. Besonders in den USA wurde er als einer der Gründerväter der Politiksoziologie rezipiert.

Schriften (Auswahl)

  • Wesen und Zweck der Politik 3 Bde. (1893)
  • Die sociologische Erkenntnis, Positive Philosophie des sozialen Lebens (1898)
  • Der positive Monismus und das einheitliche Princip aller Erscheinungen (1899).
  • Positive Ethik. Die Verwirklichung des Sittlich-Seinsollenden (1901)
  • Die Kritik des Intellekts. Positive Erkenntnistheorie (1902)
  • Soziologie. Positive Lehre von den menschlichen Wechselbeziehungen (1907 - herausgegeben von seinem Sohn)

Sekundärliteratur

  • A. Grausgruber: Ratzenhofer, Gustav, in: Wilhelm Bernsdorf/Horst Knospe (Hgg.): Internationales Soziologenlexikon, Bd. 1, Enke, Stuttgart ² 1988, S. 347.
  • Florian Oberhuber: Das „doppelursprüngliche Wesen der Staatsautorität“. Moderner Staat, soziologische Autorität und der politische Pluralismus Gustav Ratzenhofers (1842-1904), in: Sociologia Internationalis 40/1 (2002), S. 85–115.
  • Florian Oberhuber: Das Problem des Politischen in der Habsburgermonarchie. Ideengeschichtliche Studien zu Gustav Ratzenhofer, 1842-1904. Diss. Wien 2002.
  • Florian Oberhuber: Von der allgemeinen Kulturgeschichte zur soziologisch fundierten Politologie: Gustav Ratzenhofer (1842–1904). In: Karl Acham (Hg.): „Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften“, Bd. 6.2, „Philosophie und Religion: Gott, Sein und Sollen“. Wien: Passagen Verlag 2006.

Weblinks



Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Ratzenhofer — Ratzenhofer, Gustav, Soziolog und Militärschriftsteller, geb. 4. Juli 1842 in Wien, gest. 10. Okt. 1904 auf der Heimreise von Nordamerika, erlernte die Uhrmacherei, trat aber bald in den Kriegsdienst und machte den Feldzug von 1859 und als… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Ratzenhofer — Ratzenhofer, Gustav, Philosoph und Soziolog, geb. 4. Juli 1842 in Wien, österr. Offizier, zuletzt (1898 1901) als Feldmarschalleutnant Präsident des Militärobergerichts, gest. Anfang Okt. 1904 an Bord eines Dampfers; Hauptwerk: »Wesen und Zweck… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Ratzenhofer, Gustav — born July 4, 1842, Vienna died Oct. 8, 1904, at sea Austrian general, philosopher, and sociologist. After a successful military career in which he attained the rank of field marshal, he developed an interest in the social sciences, particularly… …   Universalium

  • Ratzenhofer, Gustav — (4 jul. 1842, Viena–8 oct. 1904, en el mar). General, filósofo y sociólogo austríaco. Tras una exitosa carrera militar en la que alcanzó el rango de mariscal de campo, se interesó en las ciencias sociales, especialmente el darwinismo social. En… …   Enciclopedia Universal

  • Ratzenhofer, Gustav — (1842 1904) See military and militarism …   Dictionary of sociology

  • Gustav Ratzenhofer — (* 4. Juli 1842 in Wien; † 8. Oktober 1904 auf dem Atlantik) war ein österreichischer Offizier, Philosoph und wurde vor allem als Soziologe bekannt. Er schrieb auch unter dem Pseudonym Gustav Renehr. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werk …   Deutsch Wikipedia

  • Ратценгофер Густав — (Ratzenhofer) австрийский генерал и ученый (1842 1904). Много писал, сперва по военным вопросам: Die taktischen Lehren des Krieges 1870 71 (Вена, 1872); Moltke und Gambetta (Вена, 1882). В книге: Im Donaureich (Прага, 1877 78) он искал основы для …   Энциклопедический словарь Ф.А. Брокгауза и И.А. Ефрона

  • Österreichische Eiskunstlaufmeisterschaften — Die Österreichischen Eiskunstlaufmeisterschaften finden jährlich mit dem Ziel statt, die besten österreichischen Eiskunstläufer in den vier Teildisziplinen Herren, Damen, Paare und Eistanzen zu bestimmen. Bis zum Jahr 1895 nahmen österreichische… …   Deutsch Wikipedia

  • Gustav Renehr — Gustav Ratzenhofer (* 4. Juli 1842 in Wien; † 8. Oktober 1904 auf dem Atlantik) war ein österreichischer Offizier, Philosoph und wurde vor allem als Soziologe bekannt. Er schrieb auch unter dem Pseudonym Gustav Renehr. Inhaltsverzeichnis 1 Leben… …   Deutsch Wikipedia

  • Otto Kaiser (figure skater) — For the Bible scholar, see Otto Kaiser (scholar). Olympic medal record Figure skating Competitor for  Austria Silver 1928 St. Moritz …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”