Reblausinvasion

Reblausinvasion
Reblaus
Reblaus (Viteus vitifoliae)

Reblaus (Viteus vitifoliae)

Systematik
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Schnabelkerfe (Hemiptera)
Unterordnung: Pflanzenläuse (Sternorrhyncha)
Familie: Zwergläuse (Phylloxeridae)
Gattung: Viteus
Art: Reblaus
Wissenschaftlicher Name
Viteus vitifoliae
(Fitch, 1855)

Die Reblaus (Viteus vitifoliae) ist eine Pflanzenlaus aus der Familie der Zwergläuse (Phylloxeridae). Sie ist ein bedeutender Schädling im Weinbau.

Auf Grund unterschiedlicher Verhaltensweisen gegenüber den Weinreben vermutet man, dass es verschiedene Arten der Reblaus gibt. Der für seine Forschung an der Reblaus berühmte Wissenschaftler Carl Börner zum Beispiel unterschied zwischen einer weniger gefährlichen langrüssligen und einer schädlicheren kurzrüssligen Reblausart.

Inhaltsverzeichnis

Körperbau

Die Reblaus weist die anatomischen Merkmale aller Insekten auf. Der Reblaus fehlen im Gegensatz zu anderen Blattläusen Wachsdrüsen, mit denen sie sich gegen Angreifer verteidigen könnte. Außerdem sind die Flügel der Reblaus steil aufgestellt. Zwischen den verschiedenen Formen der Reblaus gibt es auch Unterschiede: Bei den Wurzelrebläusen (Radicicolae) sind lediglich weibliche Tiere mit einer Maximalgröße von 1,35 Millimeter vorhanden, welche eine gelbe oder bräunlichgrüne Färbung aufweisen. Die weiblichen, geflügelten Reblausfliegen (Sexuparae) sind ungefähr einen Millimeter groß und gelbgrün bis ockerfarbig. Männliche Geschlechtstiere (Sexuales) haben eine Lebenserwartung von bis zu acht Tagen, sind 0,28 Millimeter groß und weisen eine gelbliche Färbung auf. Die Weibchen dagegen sind mit 0,5 Millimeter etwas größer und die Färbung ist etwas heller als die der Männchen. Weder Männchen noch Weibchen haben einen Rüssel und können somit keine Nahrung aufnehmen. Die Maigallenläuse (Fundatrix) sind nach vier Häutungen erwachsen und weisen eine Größe zwischen einem und 1,25 Millimetern auf.

Lebenszyklus

Der Lebenszyklus der Reblaus ist sehr komplex, die Reblaus vollzieht einen holozyklischen Wirtswechsel zwischen Rebstock und Rebwurzel. Einige Wurzelläuse entwickeln sich im Spätherbst zu Nymphen mit Flügelansätzen. Die Nymphen verlassen den Boden und entwickeln sich zu geflügelten Rebläusen, den Reblausfliegen. Nun beginnt der oberirdische Entwicklungskreislauf. Die Reblausfliegen legen kleine männliche und große weibliche ♀-Eier an die Rinde des Rebstocks ab. Daraus schlüpfen dann die rüssellosen Geschlechtstiere (Sexuales), welche sich paaren. Die begatteten Weibchen legen je ein befruchtetes Winterei (0,27 × 0,13 mm) in eine Rindenritze des zwei- bis dreijährigen Holzes. Aus diesen Wintereiern schlüpfen im Frühling dann die Maigallenläuse (Fundatrix), die hauptsächlich an den Blättern von amerikanischen Reben Blattgallen ausbilden und dort bis zu 1200 Eier legen. Der krugförmige Gallenkörper befindet sich an der Blattunterseite, die Öffnung an der Blattoberseite. Es gibt nun wiederum zwei Arten von Larven, die nach acht bis zehn Tagen in den Gallen schlüpfen. Die einen bilden erneut Blattgallen, vor allem an jüngeren Blättern. Die anderen, die sich von den erstgenannten auch äußerlich unterscheiden, sind blattgeborene Wurzelläuse und suchen die Rebwurzeln im Boden auf. Dort ergänzen sie den unterirdischen Entwicklungszyklus oder beginnen ihn neu. Die Anzahl derer, die zum Nebenwirt wandern, nimmt mit jeder Larvengeneration zu, bis schließlich alle an der Wurzel im Boden sind. Sie machen sich jedoch nicht sofort über die Wurzeln her, sondern wandern erst in noch tiefere Bodenschichten, wo sie überwintern. Im folgenden Frühjahr suchen sie junge Rebwurzeln, um Nahrung aufzunehmen und ihre Entwicklung zu eierablegenden Weibchen abzuschließen. In den Wurzelbereichen ist die ständige eingeschlechtliche Fortpflanzung durch die auf dem Nebenwirt überwinternden Larven (Hiemales) möglich. Einige der Wurzelläuse entwickeln sich wieder zu Reblausfliegen, die wiederum aus der Erde kommen und den oberirdischen Kreislauf beginnen. Es entstehen nur im oberirdischen Kreislauf Nachkommen mit neuem Erbgut, da es lediglich dort Männchen und Weibchen gibt. Diese Nachkommen können ein anderes Verhalten als die Blatt- und Wurzelläuse, die eingeschlechtlich entstanden sind, aufweisen. Aufgrund der kühleren Temperaturen im mitteleuropäischen Raum (man muss vom Südwesten mit klimatisch günstigeren Bedingungen absehen), ist die Fortpflanzung hauptsächlich eingeschlechtlich (anholozyklisch).

Geschichte

Im 19. Jahrhundert führte der Rebschädling im europäischen Weinbau zu dramatischen Verwüstungen, der Reblauskatastrophe. Die aus Nordamerika stammende Blattlaus-Verwandte wurde in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts durch Rebstöcke von der Ostküste Amerikas über Großbritannien, genauer gesagt London, ins südliche Frankreich eingeschleppt (ab 1863 nachgewiesen) und breitete sich in der Reblausinvasion rasant von dort über sämtliche europäische Weinbaugebiete aus. Besonders schlimm traf es Frankreich. Zwischen 1865 und 1885 zerstörte die Reblaus große Teile der französischen Weinanbaugebiete, die erst 1850 nach der Mehltaukrise durch neue Reben aus Amerika ersetzt worden waren. Dies hatte katastrophale Folgen für die französische Landwirtschaft. So rief die französische Regierung 1870 eine Kommission zur Bekämpfung der Reblaus unter Vorsitz Louis Pasteurs ins Leben, die angeblich über 700 Vorschläge prüfte und trotzdem erfolglos blieb.

In Klosterneuburg im Weinbaugebiet Donauland trat die Reblaus erstmals 1867 auf, in deutschen Weinbaugebieten erstmals 1874 in der Nähe von Bonn in der Gartenanlage Annaberg, dann um 1885 in Loschwitz bei Dresden, 1907 im Mosel-Saar-Ruwer-Gebiet und schließlich 1913 im Weinbaugebiet Baden. Allein in Frankreich wurden 2,5 Millionen Hektar Rebfläche vernichtet.

Aufgrund von Klimaveränderungen, brachliegenden Weinbergen und steigender Anzahl von Hausreben (Zierreben) erlebt die Reblaus derzeit wieder eine Renaissance. [1]

Von der Reblaus befallene Rebwurzel


Schäden an der Rebe

Eigentlich ist die Reblaus ein Gelegenheitsschädling. Durch Monokulturen kann es zu Epidemien kommen. Die Blattreblaus ist das geringere Übel, sie wirkt sich nur bei extrem starken Befall auf das Wachstum aus. Den bedeutendsten Schaden richten die Wurzelrebläuse an, da durch Ihre Saugtätigkeit die Leitgewebe der Wurzeln geschädigt werden. Die Folge für die Pflanze ist Wasser- und Nährstoffmangel, der zum Absterben der Rebe führen kann. Der Befall der Blätter ist dagegen meist nicht lebensbedrohend für die Rebe. Eine weitere Gefahr geht von sekundären Infektionen durch Bakterien, Pilze und Viren aus.

Bekämpfung

Aufgrund des Erscheinens der Reblaus lebte eine Wissenschaft auf, die sich hauptsächlich mit deren Bekämpfung beschäftigte - die Ampelographie.

Zur Schädlingsbekämpfung wurden reblaustolerante Weinreben („Unterlagsreben“ aus Amerika Vitis riparia, Vitis berlandieri, Vitis rupestris, Vitis cinerea und aus Asien Vitis amurensis) mit einheimischen Edelreisern (Vitis vinifera) bepfropft, so konnte der komplizierte Fortpflanzungszyklus unterbrochen werden.

Im Ertragsweinbau gibt es weltweit nur wenige Lagen bzw. Gebiete wo wurzelechte Reben (ungepfropfte, nicht veredelte) gepflanzt werden können. Sandböden haben den Vorteil, dass die Reblaus sich hier nicht halten kann. Deshalb blieben während der Reblaus-Katastrophe solche Weingärten als einzige verschont, beispielsweise im Weinbau Ungarns.

Verschiedenes

Hans Moser setzte der Reblaus ein musikalisches Denkmal in Form eines Wienerliedes.

Einzelnachweise

  1. Forschung Weinbau Industrieverband Agrar

Literatur

  • Karl Bauer u. a.: Weinbau. 7. Auflage. Österreichischer Agrarverlag, Wien 2002, ISBN 3-7040-1765-5
  • Victor Fatio: Die Phylloxera (Reblaus). Kurzgefaßte Anweisungen zum Gebrauche für die kantonalen und eidgenössischen Experten in der Schweiz. Ins Deutsche übertragen von H. Krämer. 2. Auflage. Aarau 1879
  • Stauffacher, Heinrich: Die Phylloxera vastatrix Pl. im Kanton Thurgau 1896-1921, Frauenfeld 1922
  • Hermann Goethe: Die Reblaus. Eine volksthümliche Belehrung über die Eigenschaften und Lebensweise dieses gefährlichsten Rebfeindes mit Angabe der gegen denselben zu ergreifenden Maßregeln. Graz 1881 (Digitalisat)
  • Walter Hillebrand, Dieter Lorenz, Friedrich Louis: Rebschutz. 11. Auflage. Fachverlag Fraund, Mainz 1998, ISBN 3-921156-36-X
  • Werner Jacobs (Begr.), Maximilian Renner (Fortf.): Biologie und Ökologie der Insekten. 2. Auflage. Gustav Fischer, Jena 1989, ISBN 3-334-00334-5
  • Hanns-Heinz Kassemeyer, Günter Schruft: Krankheiten und Schädlinge der Weinrebe. Th. Mann, Gelsenkirchen 1999, ISBN 3-7862-0112-9.
  • Jos. A. Massard: Vor hundert Jahren: Die Reblaus ist da ! Ein ungebetener Gast aus Amerika bringt den Luxemburger Weinbau in Gefahr. Lëtzebuerger Journal 2007, Nr. 143 (27. Jul.): 19-21. [1] PDF

Weblinks


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