Reccopolis

Reccopolis
Die Iberische Halbinsel im späten 6. Jahrhundert

Reccopolis (spanisch: Recópolis) war eine spätantik-frühmittelalterliche Stadt des Westgotenreichs in Spanien. Sie befand sich auf dem Cerro de la Oliva („Ölbaumhügel“) in der Nähe des heutigen Dörfchens Zorita de los Canes in der Provinz Guadalajara in Zentralspanien, östlich von Madrid. Der Name der Region war damals „Celtiberia“.

Reccopolis wurde vom Westgotenkönig Leovigild (569-586) im Jahre 578 gegründet. Dieser Schritt gehört in den Zusammenhang von Leovigilds „Imperialisierung“ des westgotischen Königtums durch demonstrative Ausübung traditioneller Vorrechte der römischen bzw. oströmischen Kaiser. Die Gründung von Städten war in den germanischen Reichen des Frühmittelalters nicht üblich und bei den Westgoten vor Leovigild nicht vorgekommen.

Der zeitgenössische Chronist Johannes von Biclaro berichtet, dass Leovigild die Stadt nach seinem jüngeren Sohn und späteren Nachfolger Rekkared I. benannte.[1] Rekkared war seit 573 ebenso wie sein älterer Bruder Hermenegild nominell Mitherrscher Leovigilds. Die Benennung der Stadt nach ihm, während dem älteren Bruder anscheinend keine vergleichbare Ehrung zuteil wurde, ist ein Zeichen einer auffälligen Bevorzugung Rekkareds schon im Jahr 578. Erst 579 kam es zum Bruch zwischen Hermenegild und Leovigild, als Hermenegild einen Aufstand gegen seinen Vater begann, wodurch er die Position eines Thronfolgers einbüßte. Diese kam fortan ausschließlich Rekkared zu.

Neuerdings wird eine andere Etymologie des Stadtnamens erwogen, nämlich nicht „Stadt Rekkareds“, sondern Ableitung von rex (König), also „Königsstadt“. Die Begründung dafür ist, dass bei einer Benennung nach Rekkared der Name „Reccaredopolis“ lauten müsste; für die Kürzung von Reccaredo- zu Recco- gibt es keinen Präzedenzfall.[2] Allerdings ist die Ableitung von rex sprachlich mindestens ebenso problematisch wie die andere Lösung, und sie widerspricht der ausdrücklichen Feststellung des Zeitgenossen Johannes von Biclaro.

Vermutungen, dass Reccopolis als neue Reichshauptstadt konzipiert war, sind spekulativ. Es befand sich dort eine Münzstätte, die noch unter König Witiza (702-710) aktiv war, doch bestand in Reccopolis nie ein Bischofssitz, und in den erhaltenen westgotischen Dokumenten wird die Stadt nirgends erwähnt. Abgesehen von der Erwähnung bei Johannes Biclarensis ist die Existenz der Stadt nur durch Münzen mit ihrem Namen und durch den archäologischen Befund bezeugt. Dieser zeigt eine weiträumige Anlage (ca. 33 ha) mit einer großen, reich geschmückten Kirche und einem monumentalen Gebäude, das als Palast der Königsfamilie gedeutet werden kann. Möglicherweise handelte es sich um eine zu temporärer Nutzung bestimmte Residenz. Die Siedlung war noch in islamischer Zeit bewohnt, verfiel jedoch im 8. und 9. Jahrhundert.

Die Stätte war schon am Ende des 19. Jahrhunderts bekannt, doch die Ausgrabungen begannen erst 1944/45. Bisher ist nur ein geringer Teil abschließend erforscht; von künftigen Ausgrabungen sind weitere Aufschlüsse zu erwarten. Das Gelände trägt heute die Bezeichnung Parque Arqueológico de Recópolis.

Literatur

Gisela Ripoll: Reccopolis, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Bd. 24, 2003, S. 204–208

Weblinks

Anmerkungen

  1. Iohannis Biclarensis chronicon 50, hrsg. Carmen Cardelle de Hartmann, in: Corpus Christianorum, Series Latina Bd. 173A, Turnhout 2001, S. 70.
  2. Roger Collins: Visigothic Spain 409-711, Malden (MA) 2004, S. 55f.
40.320555555556-2.8936111111111

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