- Rhetorische Frage
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Die rhetorische Frage gilt als Stilmittel der Rhetorik. Rhetorische Fragen dienen nicht dem Informationsgewinn, sondern sind sprachliche Mittel der Beeinflussung. Semantisch stehen rhetorische Fragen den Behauptungen nahe.
Auf eine rhetorische Frage erwartet der Fragende keine (informative) Antwort, sondern es geht ihm dabei um die verstärkende Wirkung seiner Aussage. Der Sprecher drückt durch die rhetorische Frage seine eigene Meinung aus. Durch den Kontext und die Betonung wird die rhetorische Frage kenntlich. Die Antwort auf eine rhetorische Frage ist demnach Zustimmung oder Ablehnung, nicht aber Informationsvermittlung.
Inhaltsverzeichnis
Anwendung
Rhetorische Fragen werden oft in Vorträgen angewendet, um bei langen Ausführungen die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu stärken oder sie in einem gewissen Maße zu provozieren. In Diskussionen und Dialogen wird die rhetorische Frage häufig eingesetzt, um Argumente zu verstärken. In sachlich geführten Diskussionen können rhetorische Fragen Totschlagargumente verstärken (z. B. „Wollt ihr das nicht begreifen?“).
Beispiele
Klassisches Beispiel einer rhetorischen Frage ist der Beginn der ersten Rede gegen Catilina von Cicero: Quousque tandem abutere, Catilina, patientia nostra? („Wie lange noch, Catilina, wirst du unsere Geduld missbrauchen?“)
Weitere Beispiele:
- „Habe ich es dir nicht gesagt?“ (Betonung auf „Habe“)
- „Wer ist schon perfekt?“
- „Wollen Sie die einmalige Chance verstreichen lassen?“
- „Machen wir nicht alle Fehler?“
- „Seid ihr denn bescheuert?“
- „Bist du noch bei Sinnen?“
- „Wie viele Menschen müssen noch sterben?“
Eine weitere rhetorische Figur in Form einer Frage ist der Dialogismus.
Rhetorische Fragen in der linguistischen Forschung
Linguistisches Interesse an diesem Phänomen besteht erst seit den frühen 1980er Jahren. Dieser Umstand lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass die klassische Linguistik bis ins 20. Jahrhundert als reine Wortlinguistik angelegt war, die auf der Ebene Wort-Satz-Text angesiedelt ist. Rhetorische Fragen als Entitäten, die sich über ein Konzept sprachlichen Handelns erklären lassen, sind somit erst seit Begründung der linguistischen Pragmatik überhaupt für die Linguistik interessant geworden. In einer umfassende linguistischen Darstellung aus dem Jahr 1986 stellt Jörg Meibauer die rhetorische Frage in den Fokus des sprachlichen Handelns. Bis heute sind dies die umfangreichsten und umfassendsten Ausführungen zu rhetorischen Fragen.[1] In einer neueren Arbeit aus dem Jahr 2007 zeigt Sascha Bechmann, dass sich rhetorische Fragen als indirekte assertive Sprechakte eindeutig beschreiben und mittels des übergreifenden Konzeptes der Sprechakttheorie erklären und einordnen lassen.[2] Rhetorische Fragen können in vielfacher Hinsicht als indirekte Behauptungen entlarvt werden. So spielt die Polaritätsumkehr eine entscheidende Rolle, indem sich die Propositionen der rhetorischen Fragen immer exakt umgekehrt polar zu den intendierten Behauptungen verhalten.
Rhetorische Fragen als indirekte Behauptungen
Die terminologische Bezeichnung rhetorische Frage impliziert und suggeriert fälschlicherweise, dass es sich um einen eigenen, eng umgrenzten und klar definierten Fragesatztyp handelt, so dass rhetorische Fragen entsprechend falsch eingeschätzt werden: Die rhetorische Frage bildet gerade keinen eigenen Fragesatztyp aus, sie unterscheidet sich grundlegend von solchen Interrogativsatztypen, bei denen Funktion und Anwendungsbereich klar umrissen sind. Rhetorische Fragen haben bis auf die grammatische Form nichts mit echten Fragen gemeinsam. Aus pragmalinguistischer Sicht ist die rhetorische Frage eindeutig als indirekte Behauptung einzustufen, eine semantische oder pragmatische Nähe zu Fragen ist nicht gegeben. Keines der Parameter, die für eine Handlung als Frage gegeben sein müssen, erfüllt eine rhetorische Frage. Fragesätze haben keinesfalls immer auch etwas mit Fragehandlungen zu tun. Eine Unterscheidung zwischen Satzart und Sprechhandlungstyp ist bei rhetorischen Fragen zwingend vorzunehmen. Rhetorische Fragen sind nicht an eine bestimmte grammatische Frageform gebunden, kommen somit in Form aller erdenklichen Fragesatztypen vor und konstituieren daneben auch keinen eigenen rhetorischen Witz.
Die kommunikative Funktion Rhetorischer Fragen
Rhetorische Fragen erfüllen eine wesentliche kommunikative Funktion, indem sie über den Weg der Indirektheit dazu dienen, eine Meinung auszudrücken, diese dem Gesprächspartner gewissermaßen aufzudrängen und damit bei ihm einen „persuasiven Effekt“ auszulösen. Dieser besteht darin, die durch die rhetorische Frage ausgedrückte Meinung im Hörer gleichsam zu evozieren. Somit sind rhetorische Fragen nicht neutral, wie etwa Tatsachenbehauptungen, sondern sie weisen evaluative Züge auf, die als evaluative Parameter beschrieben werden.[2]
Siehe auch
Literatur
- Sascha Bechmann: Rhetorische Fragen. Magisterarbeit, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2007 (Online auf den Seiten der Universität Düsseldorf, abgerufen am 10. Mai 2010).
Weblinks
Wiktionary: rhetorische Frage – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenEinzelnachweise
- ↑ Jörg Meibauer: Rhetorische Fragen. Niemeyer Max Verlag GmbH, 1986, ISBN 3-484-30167-8.
- ↑ a b Sascha Bechmann: Rhetorische Fragen. AVM Verlag, München 2010, ISBN 978-3-89975-798-9.
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