- Rodelinda
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Rodelinda, regina de' Longobardi (HWV 19) ist eine Oper in drei Akten von Georg Friedrich Händel und wurde 1725 in London uraufgeführt.
Abstract: Im Mailand des 7. Jahrhunderts versucht der Thronräuber Grimoaldo, die vermeintliche Witwe des vom Thron vertriebenen Bertarido für sich zu gewinnen. Unter Zwang will Rodelinda sich fügen, doch Bertarido kehrt zurück, wird von Grimoaldo entdeckt und eingekerkert. Nach gelungener Flucht verhindert er ein Attentat auf Grimoaldo und erhält infolge dessen Dankbarkeit Thron und Frau zurück.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Wie bei anderen Opern der 1720er Jahre stammt das Textbuch für Rodelinda von Nicola Francesco Haym, der regelmäßig für die Royal Academy of Music arbeitete – auch für die anderen Komponisten Bononcini und Ariosti. Er bediente sich bei dem gleichnamigen Libretto, das Antonio Salvi 1710 für Florenz geschrieben hatte und das von Giacomo Antonio Perti vertont worden war. Dieses wiederum war abgeleitet von Pierre Corneilles Schauspiel Pertharite, roi des Lombards von 1652, das 1653 veröffentlicht wurde. Den Stoff kann man historisch auf das 7. Jahrhundert in der Lombardei zurückführen.
Händel begann mit der Komposition wahrscheinlich Ende 1724, nachdem am 31. Oktober erstmals Tamerlano aufgeführt wurde. Am 20. Januar 1725 schloss er die Komposition der Rodelinda ab. Die Uraufführung fand am 13. Februar 1725 am King's Theatre am Londoner Haymarket statt. Das Werk kam in dieser Saison auf 14 Vorstellungen und gehört damit zu den erfolgreichsten der Opernakademie. Es wurde in der darauffolgenden Saison und 1731 wiederaufgenommen und gelangte 1735 und 1736 auf den Spielplan der Hamburger Gänsemarktoper – dort mit deutschsprachigen Rezitativen.
Im 20. Jahrhundert wurde Rodelinda erstmals 1920 bei den neu gegründeten Göttinger Händelfestspielen von Oskar Hagen wieder an die Öffentlichkeit gebracht. Sie war damit die erste Händeloper, die in diesem Rahmen erschien. In den Jahren darauf folgten Ottone (1921) und Giulio Cesare (1922).
Personen
Personen der Oper
Hinter den Rollen stehen die Sängerinnen und Sänger der Uraufführung.
- Rodelinda, Königin der Lombarden - Francesca Cuzzoni (Sopran)
- Bertarido, vertriebener König der Lombarden - Senesino (Altkastrat)
- Grimoaldo, Herzog von Benevent (Grimwald) - Francesco Borosini (Tenor)
- Eduige, Bertaridos Schwester (Hedwig) - Anna Vicenza Dotti (Alt)
- Unulfo, Grimoaldos Berater - Andrea Pacini (Altkastrat)
- Garibaldo, Grimoaldos Freund - Giuseppe Maria Boschi (Bass)
Quellenausschnitte
(Quelle: Geschichte der Langobarden von Paulus Diaconus) In der Quelle wird geschildert, wie ein Langobardenkönig namens Aripert starb, nachdem er neun Jahre geherrscht hatte. Wie Bertaridos Vater in der Oper hinterließ jener König das Langbobardenreich seinen beiden Söhnen. In der Quelle heißen diese Perctarit und Godepert. Godepert erhielt Pavia, Perctarit bekam Mailand. Die beiden Brüder gerieten in Streit und Godepert entsandte Garipald, den Herzog von Turin, zu Grimoald, der damals das Herzogtum Benevent regierte. Er forderte ihn auf, ihm zu Hilfe zu kommen gegen seinen Bruder Perctarit und versprach ihm dafür seine Schwester zur Frau. In der Quelle wird weiter geschildert, dass der Gesandte Garipald Verrat beging und stattdessen Grimoald aufforderte, das Königreich der Langobarden selber zu übernehmen. Grimoald gefiel diese Idee und er machte sich auf nach Pavia. Garipald eilte voraus, um Godepert Grimoalds Kommen zu melden und redete Godepert ein, dass Grimoald nur kommen würde, um ihn zu töten. Zugleich redete er Grimoald ein, dass Godepert ihn töten wolle. Bei der am folgenden Tag stattfindenden Unterredung erstach Grimoald Godepert mit seinem Schwert und brachte in der Folge die Herrschaft über Pavia in seine Gewalt. Perctarit, Godeperts Bruder, welcher in Mailand residierte, floh, als er die Nachricht vom Tod seines Bruders hörte. Seine Frau Rodelinda und seinen kleinen Sohn Cunincpert ließ er zurück. Grimoald schickte beide nach Benevent ins Exil. (Vgl. Buch 4.51)
In der Quelle schildert Paulus Diaconus weiter, dass sich Grimoald mit Godeperts Schwester, die nie mit Namen benannt wird, vermählte. (Vgl. Buch 5.1) Perictarit kehrte, nachdem Grimoald ihm versichert hatte, dass ihm nichts geschehen würde, nach Italien zurück mit seinem guten Freund Hunulf. (Vgl. Buch 5.2) Kaum ist Perctarit jedoch in Pavia, versucht Grimoald ihn umzubringen. Hunulf gelingt es jedoch rechtzeitig, ihm zur Flucht zu verhelfen. (Vgl. Buch 5.2) Nachdem er eine gewisse Zeit geherrscht hatte, starb Grimoald. Als Perctarit dies erfuhr, kehrte er auf dem schnellsten Weg nach Italien zurück und nahm seinen Platz auf dem Thron von Pavia wieder ein. Unverzügich rief er auch seine Gattin Rodelinda und seinen Sohn Cunincpert wieder aus dem Exil in Benevent zurück zu sich in die Heimat. (Vgl. Buch 5.33)
Personen der Quelle
- Rodelinda: Unbedeutende Rolle als Frau von Perctarit
- Perctarit (Bertarido): König von Mailand, Mann von Rodelinda
- Cunincpert (Flavio): Als unmündiger Sohn des Königs ähnlich unbedeutende Rolle wie die Rodelindas
- Grimoald: Herzog von Benevent, Verlobter von Perctarits Schwester
- Perctarits Schwester (Eduige)
- Hunulf (Unulfo): Freund von Perctarit
- Garipald (Garibaldo): Verschwörer, Drahtzieher des Königsmordes an Godepert.
- Godepert: Perctarits Bruder
Fazit: Alle Personen der Oper wurden aus der Quelle teils namentlich, teils in abgewandelter Form übernommen.
Handlung
Schauplätze und zeitliche Situierung der Handlung
Das Libretto nennt folgende Szenen:
- Rodelindes Gemach im königlichen Palast
- Friedhof mit Grabmälern der Langobardenkönige, darunter das von Bertarido
- Erneut Rodelindes Gemach
- Eine kurze Galerie im Palast
- Ein kurzer, sehr finsterer Kerker (in den Bertarido eingesperrt wird)
- Garten am königlichen Palast
Die meisten Szenen spielen im Palast, zwei Szenen auf dem Friedhof und die Schlussszene finden unter freiem Himmel statt. Deswegen ist jedoch noch nicht von einer Öffentlichkeit auszugehen, zumindest nicht beim Palastgarten. Auch auf dem Friedhof erscheint keine zusätzliche Figur, die Personen der Opernhandlung scheinen buchstäblich alleine auf der Welt, was unter anderem dem Genre zu verdanken ist. (Gäbe es einen Chor, sähe die Sache jedoch anders aus.) Als genereller Schauplatz wird Mailand und als Zeit das 6. Jh. genannt. In der Quelle (vgl. A.2) wird Mailand als Herrschaftsbereich Perctarits genannt, Grimoalds Anschlag auf Perctarit erfolgte jedoch in Pavia, wo Grimoald residierte. Erklären lässt sich das folgendermaßen: In der Quelle wurden Rodelinda und ihr Sohn nach Benevent ins Exil geschickt, in der Oper bleiben sie jedoch im Palast und demzufolge in Mailand. Was die Zeit der Handlung anbelangt, so wird der Tod Ariperts und damit die Thronbesteigungen seiner Söhne Godepert und Perctarit auf 662 gelegt, die Oper „irrt“ sich also um etwa ein Jahrhundert.
Die Zeit stimmt mit derjenigen der Quelle nur sehr grob überein, was aber keine weitere Bedeutung hat, denn ob diese Zeit dem Publikum übermittelt wird, hängt von der Inszenierung ab. Die Gegend (Mailand) stimmt teilweise mit der Quelle überein. Über die einzelnen Szenen (Gemach, Friedhof, Kerker...) schweigen die Quellen. Palast / Burg und Kerker sind typische „Mittelalterräume“, wogegen Friedhof und Garten eher ungewöhnlich sind. Letzterer ist dafür bei Opernschlussszenen sehr beliebt. Der Zeitablauf der Oper ist chronologisch, etwas wie Rückblenden kommt selbst in der Rede (im Sinne von „Ich tat dieses und es geschah jenes...“) kaum vor: Es gibt lediglich einzelne Anspielungen, durch die das Publikum weiß, dass es bei Grimoaldos Thronbesteigung nicht mit rechten Dingen zuging. Die Zeitspanne beträgt einen Tag, wobei die Schlussszene kurz nach Sonnenaufgang stattfindet. Sprünge zwischen einzelnen Szenen sind nicht zu definieren, es ist jedoch klar, dass es solche geben muss: Die Handlungssequenzen summiert ergibt weniger als drei Stunden, da ja bei Arien die Zeit stets angehalten wird.
Zusammenfassung der Handlung (Libretto)
Vorgeschichte
Auf seinen Tod hin hat der König der Langobarden sein Königreich zwischen seinen zwei Söhnen aufgeteilt. Die Brüder beginnen einen Krieg um ihr Erbe. Gundeberto (König von Pavia) erhält dabei Unterstützung von seiner Schwester Eduige und Grimoaldo, dem Eduige als Belohnung für seine Hilfe versprochen ist. Gundeberto wird unter Umständen getötet, die Verrat vermuten lassen und Grimoaldo reißt beide Throne an sich. Bertarido (vormaliger König von Mailand) flieht nach Ungarn, seine Frau Rodelina und seinen Sohn Flavio zurücklassend und überredet den König von Ungarn seinen Tod in einem Brief an Grimoaldo zu bestätigen. Der Thronräuber hat sich unterdessen in Bertaridos "Witwe" verliebt.
Akt 1
(Zimmer im Palast) (1) Rodelinda betrauert den Verlust ihres geliebten Ehemannes. Grimoaldo bietet ihr an, sie als seine Frau auf den Thron zurückzubringen. Sie lehnt sein Angebot empört ab. (2) Der Herzog Garibaldo, Grimoaldos Verbündeter, bietet seinem Herren an, sich um Rodelindas Unnachgiebigkeit zu kümmern. Eduige kommt hinzu und beschuldigt Grimoaldo, dass er stolz und distanziert sei seit seiner Thronbesteigung. Grimoaldo sagt ihr, dass er sie nicht mehr heiraten will, da sie zuvor, als er noch keine Macht hatte, ihn beständig ablehnte. (3) Eduige beschuldigt Garibaldo, welcher behauptet sie zu lieben, an Grimoaldos Zurückweisung verantwortlich zu sein. (4) Allein gelassen enthüllt Garibaldo, dass er Eduige nur wegen ihrer Krone will, denn während Flavio immer noch minderjährig ist, ist sie die rechtmäßige Regentin von Mailand und von Pavia.
(Friedhof) (5) Der verkleidete Bertarido bejammert vor seinem eigenen Ehrengrabmal sein Schicksal, insbesondere die Trennung von seiner geliebten Frau. (6) Sein früherer Kanzler, Unulfo, erneuert sein Gelöbnis der Treue und Freundschaft gegenüber Bertarido. Bertarido ist entsetzt, dass Rodelinda und sein Sohn ihn für tot glauben und will sofort zu ihnen eilen, als beide den Friedhof betreten. Unulfo kann ihn nur mit Mühe davon abhalten. (7) Die zwei Männer verstecken sich und lauschen während Rodelinda am Grabmal trauert. (8) Garibaldo findet Rodelinda und sagt ihr, sie solle lieber Grimoaldo heiraten und sich den Thron zurückholen, als hier am Grab dumme, überflüssige Tränen zu vergießen. Als Rodelinda erneut ablehnt, droht Garibaldo Flavio zu töten, sollte sie sich nicht fügen. Rodelinda muss ihr Einverständnis geben, kündigt jedoch als ihren ersten königlichen Befehl Garibaldos Hinrichtung an. (9) Garibaldo informiert Grimaldo über Rodelindas Einverständnis, was diesen sehr freut. Auch von der Todesdrohung berichtet er seinem Herrn. Grimoaldo versichert ihm diesbezüglich seinen Schutz. (10) Bertarido hält seine Frau für schwach und verfällt wieder in Selbstmitleid. Unulfo geht, um irgendeinen Beweis für Rodelindas Treue zu finden. (11) Bertarido beschließt, verkleidet zu bleiben um seine Frau zu testen.
Akt 2
(Zimmer im Palast) (12) Garibaldo unterbreitet Eduige erneut sein Heiratsangebot, welches sie schließlich annimmt. Rodelinda erzählt ihrer Schwägerin, dass sie ihr Einverständnis gegeben hat, Grimoaldo zu heiraten. Eduige schwört sich an ihm zu rächen. (13) Unulfo und Garibaldo sind anwesend während Rodelindas und Grimoaldos Begegnung, bei der sie Grimoaldos Heiratsangebot akzeptiert. Sie bittet ihn, ihr einen Wunsch zu gewähren. Er kommt ihr zuvor, indem er sich einverstanden erklärt ihr jeden Wunsch zu erfüllen außer den von Garibaldos Hinrichtung. Sie erwidert, dass er in dem Falle ihren Sohn nehmen und töten solle. Denn sie könne nicht gleichzeitig Mutter des rechtmäßigen Erben und Frau seines ärgsten Feindes sein. (14) Grimoaldo gesteht Unulfo und Garibaldo, dass er Rodelinda wegen ihrer unerbittlichen Treue noch mehr liebt und verlässt anschließend den Raum. (15) Zu Unulfos Schrecken ist Garibaldo der Meinung, sein Herr solle Rodelindas Bluff wörtlich nehmen und das Kind töten, denn früher oder später werde sie schon nachgeben. Garibaldo erklärt, dass ein geraubtes Königreich nur mit Terror und Grausamkeit behalten werden kann, nicht mit Mitleid und Barmherzigkeit. Allein gelassen, muntert Unulfo sich damit auf, dass er Bertarido Trost spenden kann.
(Hausfront) (16) Bertarido beklagt sein Schicksal, Eduige erkennt seine Stimme. Bertarido erklärt ihr, dass er sich tot stelle, um Frau und Kind zu schützen. Unulfo kommt hinzu und ist entsetzt, dass Bertaridos Identität gelüftet wurde. Doch Unulfo hat gute Nachrichten und erzählt Bertarido von Rodelindas Treue und rät ihm, sich seiner geliebten Frau zu zeigen.
(Vor einer Scheune) (17) Unulfo findet Rodelinda und enthüllt ihr, dass Bertarido noch lebt. Rodelinda und Bertarido werden wiedervereinigt und er bittet sie um ihre Vergebung dafür, dass er ihr solchen Kummer bereitet hat. Grimoaldo wird Zeuge ihres Treffens und zieht voreilig den Schluss, dass Rodelinda eine Affäre hat. Er ist wütend und beschuldigt sie der Unzüchtigkeit. Um Rodelindas Ehre zu verteidigen enthüllt Bertarido seine wahre Identität, was Rodelinda abstreitet um sein Leben zu schützen. Grimoaldo lässt ihn festnehmen, denn ein Rivale ist er auf jeden Fall. Bevor Bertarido weggeführt wird, nehmen er und Rodelinda Abschied voneinander.
Akt 3
(Zimmer im Palast) (18) Unulfo will Bertaridos Leben retten. Eduige überreicht Unulfo den Schlüssel zu einem Geheimgang, welcher den Kerker mit dem Garten verbindet. (19) Grimoaldo kann sich nicht dafür entscheiden Rodelindas Geliebten zu töten und will nicht glauben, dass es sich um Bertarido handelt. Garibaldo entgegnet, dass er niemals Frieden finden wird, außer wenn er genau dies tut.
(Kerker) (20) Bertarido schmachtet im Gefängnis. Aus der Dunkelheit wirft ihm eine ungesehene Hand eine Waffe zu. Er schöpft Mut. Er hört jemanden eintreten. Diese Person attackiert er und verletzt so aus Versehen Unulfo, welcher gekommen ist, um den Fluchtplan in die Tat umzusetzen. Trotz seiner Verletzung will Unulfo in erster Linie Bertarido in Sicherheit bringen. Sie hören Leute ankommen und fliehen in Eile. (21) Unglücklicherweise sind die Neuankömmlinge Eduige, Rodelinda und Flavio. Sie entdecken Bertaridos blutverschmierte Kleider und befürchten das Schlimmste.
(Garten) (22) Im Garten angekommen verlässt Unulfo Bertarido um Eduige, Rodelinda und Flavio zu suchen. Bertarido versteckt sich. (23) Grimoaldo kommt in den Garten, heimgesucht von Eifersucht, Wut, Liebe und Reue und unfähig Frieden zu finden, schließlich gelingt es ihm einzuschlafen. (24) Garibaldo nähert sich dem schlafenden König und stiehlt sein Schwert. Als Grimoaldo erwacht, versucht Garibaldo ihn zu töten. Doch Bertarido ist schneller, attackiert Garibaldo und rettet so Grimoaldo das Leben. Rodelinda und Flavio kommen herbeigeeilt, ebenso auch Soldaten. Bertarido gibt Grimoaldo seine Waffe zurück. Nachdem Grimoaldo von Unulfos und Eduiges Beteiligung an Bertaridos Flucht gehört hat, vergibt Grimoaldo ihnen allen, denn schließlich gehören sie zum „Gefolge“ seines Retters und es wäre mehr als undankbar, sie zu töten. Grimoaldo nimmt in der Folge Eduige zu seiner Frau und mit ihr den Thron von Pavia, während er den von Mailand seinem rechtmäßigen Herrscher Bertarido zurück gibt. So sind am Ende Rodelinda, Bertarido und Flavio wieder vereint.
Handlungsaufbau
Die Oper Rodelinda ist als klassischer Dreiakter aufgebaut und teilt sich so in Exposition, Verwicklung und Lösung. In der erzählten Zeit erstreckt sich die Handlung über eine relativ kurze Zeit (ein oder nur wenige Tage) mit Lücken zwischen den Akten, die nicht mehr als wenige Stunden dauern. Die Handlung ist linear aufgebaut und es finden keine Rückblenden statt. So fern die Zeit vor Beginn der Handlung einen Einfluss auf die Geschehnisse hat, werden sie im Laufe des Stückes erwähnt. In der Folge soll nun auf die wichtigsten Konflikte innerhalb der Handlung eingegangen werden. Es soll dabei auf eine Einteilung nach Akten verzichtet werden und die Konflikte stattdessen aus der Handlung herausgelöst betrachtet werden.
Rodelinda, Grimoaldo und Bertarido: Der Konflikt, welcher die Handlung vorantreibt. Grimoaldo wirbt um Rodelinda und bietet ihr die Krone, während Rodelinda ihrem vermeintlich verstorbenen Ehemann nach wie vor treu ist. Der Konflikt wird komplexer, als Rodelinda erkennt, dass Bertarido nicht tot ist und sie sich zwischen ihrem eigenen Glück (d.h. einer Beziehung mit Bertarido) oder der Sicherheit ihres Gatten entscheiden muss. Der Konflikt löst sich erst am Ende des Stücks, als sich beide Bedingungen erfüllen: Bertarido erhält den Thron zurück und ist deshalb in Sicherheit, weswegen Rodelinda und Bertarido wieder zueinander zurückkehren können.
Bertaridos Geheimnis: Dieser Konflikt spielt sich ganz im Innern Bertaridos ab. Es ist der Kampf zwischen seiner eigenen Sicherheit und dem Wunsch seiner Frau zu sagen, dass er nicht tot ist und sie deshalb nicht Grimoaldo heiraten muss. Unulfo spielt in diesem Konflikt ebenfalls eine Rolle, da er versucht Bertarido davon abzuhalten sein Geheimnis mit Rodelinda zu teilen. Dieser Konflikt wird im zweiten Akt gelöst, als Bertarido sich Rodelinda zu erkennen gibt.
Garibaldo: Garibaldo als Verräter provoziert eine ganze Reihe von Konflikten. Er ist es, der Grimoaldo rät Bertarido zu töten, um Ruhe zu finden und versucht im dritten Akt selbst erfolglos seinen König zu ermorden. Er ist der "wahre Böse" des Stücks und schafft Konflikte wo er auch auftaucht. Die Konflikte werden mit seinem Tod (dem einzigen Tod im ganzen Stück) beendet, woraufhin sich die ganze Handlung auflöst und zum Guten wendet.
Gesellschaftsordnung, Macht- und Herrschaftsverhältnisse
Alle Akteure gehören der langobardischen Oberschicht oder zumindest dem langobardischen Königshof an. Die Machtverhältnisse unter ihnen leiten sich daher nicht in erster Linie aus ihrer gesellschaftlichen Position, sondern aus ihrem persönlichen Handeln ab. Bertarido, welcher als legitimer König von Mailand an oberster Stelle stehen würde, ist ins Exil geflohen und nimmt eine gänzlich passive Rolle ein, bis er letztlich den Thronräuber vor einer Ermordung rettet und gemeinsam mit seiner Frau Rodelinda wieder seinen Platz an der Spitze der Gesellschaft einnimmt. Grimoaldo, welcher als Usurpator beide Throne an sich gerissen hat, steht daher zumindest von außen her gesehen neu an oberster Stelle in der Gesellschaftsordnung, ist jedoch in seinen Entscheidungen von Garibaldo beeinflusst, womit eine gewisse Abhängigkeit besteht, was wiederum Garibaldo Macht gibt. Auch Rodelinda hat Macht über Grimoaldo, indem sie den verliebten Thronräuber abweisen und dazu bringen kann, nach ihren Regeln zu "spielen". Eduige kommt zwar als Prinzessin eine hohe Stellung am Hof zu, jedoch hat sie kaum Einfluss und kann ihre Ziele nur mit Hilfe anderer umsetzen. Unulfo und Flavio spielen in den herrschenden Machtverhältnissen kaum eine Rolle. Zusammengefasst kann man sagen, dass sich in der Zeit der Abwesenheit von Bertarido die Macht zwischen Grimoaldo, Garibaldo und Rodelinda aufteilt und diese in einer Art "Dreiecksbeziehung" zueinander stehen; dies obwohl Garibaldo sich in der Gesellschaftsordnung eigentlich unter Grimoaldo befindet und Rodelinda zwar die legitime Königin, zugleich aber auch eine Frau und ohne Mann von der Macht ausgeschlossen ist.
Vergleich Opernhandlung – Quelle
Der größte Unterschied zwischen Oper und Quelle besteht wohl in der Auswahl der Hauptperson. In der Quelle wird Rodelinda mit Cunicpert ins Exil geschickt, in der Oper bleibt sie in Mailand und wird zur zentralen Figur. Die Handlungen um sie herum müssen deshalb alle als fiktiv betrachtet werden. Im Bezug auf Bertarido erwähnt die Quelle nichts von einer falschen Todesnachricht, jedoch berichtet sie von einem Mordversuch Grimwald auf Perctarit, was in der Oper wohl aufgenommen wurde in Grimoaldos Überlegungen, ob er nun Bertarido töten soll oder nicht. Perctarit kann mit Hunolfs Hilfe aus Mailand fliehen, Bertarido entkommt dank Unulfo dem Kerker. Perctarit kann nach Grimwalds Tod auf den Thron zurückkehren, während Bertarido Grimoaldos Leben rettet und so dessen guter Kern zum Vorschein kommt: Er tritt zur Seite und lässt Bertarido zurückkehren.
Was Grimoaldo betrifft, so ist sein Wunsch, Rodelinda zu heiraten, fiktiv, seine Ehe mit Eduige entspricht der Aussage in der Quelle, Grimwald habe Perctarits Schwester geheiratet. Garibaldo ist wie Garipald die treibende Kraft hinter Grimoaldos / Grimwalds Usurpation. Seine Motive bleiben sowohl in der Oper wie in der Quelle im Dunkeln. Fiktiv ist sein Tod durch Bertaridos Schwert. Unulfo hat sich mit dem neuen König arrangiert, ist aber in seinem Herzen dem wahren und rechtmäßigen Herrn Bertarido treu. Über Hunulf berichtet die Quelle, dass er Perctarits Freund gewesen sei und ihm bei der Flucht geholfen habe, was ihm das Leben rettete. Diese Hilfe leistet, wenn auch in leicht abgewandelter Situation, auch Unulfo.
Über die Details von Grimoaldos Machtergreifung wird das Opernpublikum im Dunkeln gelassen. Am Ende des zweiten Akts deutet Eduige jedoch an, dass sie darin verwickelt gewesen sei („das Verbrechen, das ich aus Machtgier beging“). In der Quelle wird davon jedoch nichts erwähnt. Genau wie Flavio ist Cunicpert kein Handlungsträger, erscheint bloß als Begleitung seiner Mutter und eher abstrakter Thronerbe.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Grundkonflikt der Oper fiktiv ist, viele kleinere Handlungen jedoch nahe an der Quelle sind.
Umsetzung und Inszenierung – „Mittelalterstimmung“?
Ausstattung und Bühnenbild
Um die Oper zeitlich im Mittelalter festzumachen werden hauptsächlich das Bühnenbild und Requisiten hinzugezogen. Besonders der dritte Akt soll wohl mit seinem dunklen Kerker und dem Schwert an das dunkle, gefährliche und gewaltsame Mittelalter erinnern. Schlussendlich kann deshalb die Mittelalterstimmung aber je nach Inszenierung anderes gestaltet werden, wobei die mittelalterlichen Elemente einerseits verstärkt oder (siehe Inszenierung Burton 1998) ganz weggelassen werden. Das Libretto zur Oper enthält keine Anachronismen, was aber wohl hauptsächlich daran liegt, dass schon gar nichts spezifisch mittelalterliches erwähnt wird. Eine Ausnahme bildet dort wohl das in Akt 3 erwähnte Schwert. Da Schwerter während beinahe der gesamten Menschheitsgeschichte weit verbreitet waren, hängt es aber wiederum von der Inszenierung ab, ob ein Anachronismus vorliegt oder nicht. Es scheint aus diesem Grund falsch überhaupt von einer erzeugten Mittelalterstimmung zu sprechen, denn diese ergibt sich hauptsächlich daraus, dass man weiß, dass die Handlung im Mittelalter spielt.
Text und Gesang
Die Sprech- und Ausdrucksweise der agierenden Personen in der Oper „Rodelinda“ erinnert nicht an das Mittelalter. Mittelalterliches Sprechen wird im Allgemeinen eher als derb dargestellt. Auch werden in der Regel „alte Sprachen“ wie Latein, Alt-Französisch, Alt-Nordisch, etc. eingebaut oder Gebete, Liturgien, Floskeln oder bestimmte mittelalterlich klingende Wortfolgen verwendet. Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr folgen die in italienisch verfassten Texte und Ausdrucksweisen der Arien den klassischen Regeln der Oper. Was sowohl der Oper als auch dem als mittelalterlich wahrgenommenen Sprechen gemeinsam ist, ist höchstens die etwas umständliche Ausdrucksweise sowie die Ansprache der Personen als Königin, Gemahl, Herzog, etc. Jedoch kann diesbezüglich kein Unterschied in der Sprechweise der im Mittelalter spielenden Oper "Rodelinda" zu Nicht-Mittelalter-Opern festgestellt werden.
Da die Musik in der Oper Trägerin aller Emotionen und Stimmungen ist, kann sie nicht ausschließlich zur Erschaffung von Mittelalterstimmung eingesetzt werden. Die Musik entspricht deshalb auch dem zeitgenössischen Geschmack und nicht an etwas, was als mittelalterlich empfunden worden wäre. Auffällig ist jedoch, dass durch die unterschiedlichen Stimmlagen der Sänger klar zwischen "gut" und "böse" unterschieden wird. So sind die Singstimmen von Grimoaldo (Tenor), Garibaldo (Bass) und Eduige (Alt) tief, was eher bedrohlich wirkt. Die Stimmen von Bertarido (Alt), Unulfo (Alt) und Rodelinda (Sopran) sind dagegen eher hoch.
Weblinks
- Partitur Rodelinda (Ausgabe von Friedrich Chrysander, Leipzig 1876)
Literatur
- Paulus Diaconus: Historia Langobardorum, Montecassino 750-790. (Verwendete Ausgabe der Quelle: Schwarz, Wolfgang (Hrsg.): Paulus Diaconus. Geschichte der Langobarden, Darmstadt 2009.)
- Silke Leopold: Händel die Opern. Bärenreiter 2009, ISBN 978-3-7618-1991-3.
- Wilfried Menghin: Die Langobarden. Geschichte und Archäologie. Stuttgart 2003.
- Albert Scheibler: Sämtliche 53 Bühnenwerke des Georg Friedrich Händel.
- R. Kuhnhardt, O. Hagen (Hrsg.): Rodelinde von G. Fr. Händel. Göttingen 1920.
- Glyndebourne Festival Opera: Rodelinda. G. F. Handel, Glynedebourne 1998 (DVD).
Siehe auch:
Kategorien:- Oper nach Titel
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- Oper aus dem 18. Jahrhundert
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