- Rohrdach
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Reet (auch: Reeth, Reth, Reith, Ried, Riet, Rohr und ähnliches) bezeichnet das an Ufern oder auf sumpfigem Gelände wachsende Schilfrohr, das vielerorts in getrocknetem Zustand zur Dacheindeckung verwendet wird. Der Name Reetdach findet vorrangig an der deutschen Nordseeküste Verwendung. In Mecklenburg-Vorpommern spricht man von Rohrdach.[1]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Reet bzw. Schilf ist eines der ersten Bedachungsmaterialien der sesshaft gewordenen Menschen gewesen; dies ist auf seine Eigenschaften als Wasserpflanze und seine lokale Verfügbarkeit zurückzuführen. Die ersten Reetdächer waren einfache Eindach-Häuser. Im Mittelalter wurde aufgrund der Brandgefahr in dicht bebauten Gebieten das Reetdach in den Städten durch Hartdächer ersetzt. Auf dem Lande behielt das Reet jedoch bis in die heutige Zeit eine gewisse Bedeutung. Die ersten nachgewiesenen Reetdächer (Pfahlbauten am Bodensee) gab es schon 4000 v.Chr. Es war leicht aufgebundenes Reet, das mit Haselnussstöcken als Schachtstange und eingeweichten Weidenstöcken auf den Dachstuhl gepresst wurde.
Verbreitung
In vielen Landschaften Europas, Asiens und Afrikas kennt man Reetdächer, doch vielfach werden diese besonders mit dem Nord- und Ostseeküstenraum in Verbindung gebracht, wo man zum Beispiel in Nordfriesland vollständig reetgedeckte Gebäude findet oder auch die Reeteindeckung ostfriesischer Gulfhöfe. Auch das für Nordfriesland typische Uthlandfriesische Haus ist traditionell mit einem Reetdach versehen. In einigen Orten, wie etwa Kampen auf Sylt gibt es Satzungen, die die ausschließliche Verwendung von Reet, also die so genannte „Weichbedachung“ vorschreiben. In den Nachbarorten Keitum und Wenningstedt gibt es Ortsteile oder Bereiche, in denen ebenfalls ausschließlich Reetdächer gebaut werden dürfen.
Auf der Halbinsel Eiderstedt werden die markanten großen Bauernhäuser, die Haubarge, traditionell mit Reet gedeckt.
In den Midlands von England und in Cornwall sind Reetdächer ebenfalls weit verbreitet. Tradition sind besonders kunstvoll verbaute Firstabdeckungen.
Die Reet- oder Rohrdachdeckerei ist ein eigener Geschäftszweig, so dass es im norddeutschen Raum spezielle Reetdachdecker gibt, die ausschließlich diese Dächer erstellen und reparieren.
Eine Variante ist das auf der dänischen Insel Læsø traditionelle Dach aus Seetang.
Aufbau
Ein Reetdach kann als traditionell Kaltdach (mit Hinterlüftung) ausgeführt werden, früher wurde das Reet- oder Strohdach ohne Hinterlüftung als Warmdach konstruiert. Dabei kam die hervorragende Isolationswirkung des Baustoffes Schilf zum tragen: Aufgrund der geringen Rohdichte von Schilf sorgt Reet für guten sommerlichen Wärmeschutz und gute Wärmedämmung im Winter. Im Zuge moderner Bautechniken, haben sich die Reetdächer allerdings ihrem Unterbau angepasst und werden heutzutage mit Hinterlüftung (gemäß DIN 4108) als Kaltdach gebaut. Die Hinterlüftung führt entstehende Feuchtigkeit ab und sorgt so für eine höhere Lebensdauer des Reetdaches.
Die korrekte Ausführung muss einige Anforderungen und Parameter einhalten[3]. Reetdächer sollten eine Dachneigung von über 45° haben. Die hohe Dachneigung ist dafür verantwortlich, dass die einzelnen Wassertropfen von Halm zu Halm gleiten können. Bei einem funktionierenden Reetdach wird so nur die oberste Schicht der Dachdeckung durchfeuchtet. Reetdächer haben als konstruktiven Bautenschutz einen großen Dachüberstand (Traufüberstand) von mindestens 50 cm, da keine Regenrinne das Wasser abführt, tropft es in ausreichendem Abstand zum Mauerwerk ab und versickert in einem Kiesbett oder wird durch eine Rinne abgeführt. Der Schornsteinaustritt muss lt. FeuVO mindestens 0,8m über dem First liegen.
Der First des Reetdaches ist von Region zu Region unterschiedlich gefertigt. In Regionen in der Heidekraut wächst, wird dieser mit Heidekraut gedeckt. In den Niederlanden, Flandern und Frankreich sind Tonkappenfirste (in naturrot gebrannt oder taubengrau gedämpft) üblich. In Nordfriesland ist der Grassodenfirst zu finden und in den skandinavischen Ländern sowie der Region Kapeln/Flensburg Hängeholzer (Eichenholzreiter), die auf einer Seegrasschicht hängen.
Verarbeitung
Ein Reetdach kann auf drei verschiedene Arten hergestellt werden: als geschraubtes, genähtes oder gebundenes Dach. Das Reet wird in geschnürten Bündeln geliefert, auf den Dachlatten verteilt und dann so verschoben, dass die unteren Reethalmenden eine schräge einheitliche, durchgehende Fläche bilden. Die Wurzelenden des Schilfs zeigen zum Boden. Die erste Schicht, die sog. Traufschicht wird unter Spannung durch die Bindung am Dach gehalten. Die Spannung erhält die Deckung dadurch, dass die Auflagekante an der Traufe (Kniep) 5 - 7cm höher liegt als die Dachlattenebene. Bei den gebundenen und den geschraubten Dächern wird ein Haltedraht (Schacht) auf die ca. 1m breiten und 10-20cm starken Lagen gelegt und mit durch einen geschraubten oder gebundenen Draht auf die Lage gedrückt. Mit dem Klopfbrett werden die Lagen hochgeklopft und in Form gebracht. Dies wird Lage für Lage bis zum Erreichen des Dachfirsts fortgeführt, durch das Überdecken der einzelnen Lagen liegt die Bindung in der Mitte der Deckschicht. Das genähte Reetdach kommt ohne Haltedraht aus und ist aufwändiger zu verarbeiten.
Lebensdauer eines Reetdaches
Ein Reetdach hält im Durchschnitt 30 bis 50 Jahre, es sind aber auch Dächer dokumentiert, die über 100 Jahre alt wurden. Die Lebensdauer eines Reetdaches ist von unterschiedlichen Kriterien abhängig:
- Form und Ausführungsdetails (z.B. Dachneigung, Anzahl der Gauben, Halmneigung)
- Belüftung des Reetdaches (Lüftungsgewohnheiten der Bewohner)
- Konstruktion des Daches (traditionell hinterlüftet, oder nicht hinterlüftet)
- Garantie und Qualität des verwendeten Dachreets (Einbaufeuchte)
- Lage des Reetdaches (Lage des Reetdaches im Gelände, in der Region)
- Pflege und Wartung des Reetdaches (Regelmäßige Pflege und Reparatur)
Unter den Fachleuten herrscht derzeit eine rege Diskussion darüber, ob Kupferprodukte, z.B. Bindedrahte aus Kupfer, oder quaternäre Ammoniumverbindungen zur Pflege eines Reetdaches eingesetzt werden können um die Haltbarkeit somit die Lebensdauer eines Reetdaches zu verlängern.
Reetproblematik heute
Gegenwärtig wird Reet nach Deutschland auch importiert, weil die Nachfrage über dem inländischen Angebot liegt. Angaben in der ZEIT zufolge[4] wird rund die Hälfte des Reets heutzutage aus Rumänien importiert, ferner aus der Ukraine und Ungarn; etwa 10 Prozent stammen aus der Türkei und China (mit anderen Erntezeiten verbunden).
In diesem Zusammenhang wurden Befürchtungen laut, durch den Import könnten Schädlinge eingeschleppt werden, die keine natürlichen Feinde haben und die Haltbarkeit bzw. Lebensdauer der Dachdeckung reduzieren würden. In der Tat sind von den schätzungsweise 30.000 bis 50.000 Reetdächern in Deutschland mittlerweile etwa 200 bis 1000 durch Feuchtigkeits- und Fäulnisschäden betroffen.[5]
Viel Aufmerksamkeit gewannen Berichte über geheimnisvolle Pilzarten[6], die in den Medien zu "Killer-Pilzen" stilisiert wurden.[7]
Solche neuartigen Pilze, angeblich eingeschleppt durch Importe aus Südosteuropa, und ihre Wirkung wurden jedoch durch keine Untersuchungen nachgewiesen, und einigen Hinweisen zufolge sei die Quelle einiger dieser Theorien[8] der Hersteller eines angeblichen Mittels gegen die Pilze. [4]
Mangels Untersuchungen ist also die Ursache für den festgestellten schlechten Zustand der Reetdächer in den letzten Jahren nicht geklärt, und die Verwendung von mit Schädlingen durchsetztem Reet somit nicht ausgeschlossen. Allerdings vermerkt die deutsche Dachdeckerinnung auch, dass ein neuer Killerpilz durch lange Forschungsarbeiten nicht belegt werden konnte, für die Verrottung sei Feuchtigkeit in der Reetschicht ursächlich[5].
Die niederländische Innung Vakfederatie Rietdekkers vermutet ähnlich[4], die Ursache für das Verfaulen vieler Reetdächer liegt eher in der Nichteinhaltung der Grundprinzipien des Dachaufbaus (z.B. wie Dachneigung), und in der Verwendung von minderwertigem Reet, was zur erhöhten Feuchtigkeit führt; das minderwertige Reet kommt allerdings nicht unbedingt aus Südosteuropa allein nach Deutschland - auch Reetreste, die in den Niederlanden mangels Qualität keine Verwendung finden, werden nach Deutschland importiert.[4]
Nach Ergebnissen einer Forschungsgruppe am Greifswalder Institut für Marine Biotechnologie verursachen ligninolyte, d.h. Lignin abbauende Weißfäulepilze die beschleunigte Verrottung der Reetdächer. Im Laborversuch als wirksam hat sich eine Variation der Biodecont-Lösung [9]erwiesen. Ein entsprechender Feldversuch läuft seit Oktober 2008.[10]
Brandgefahr
Reetdächer sind, vor allem im Hochsommer, feuergefährdet wenn sie von der Sonnenbestrahlung ausgetrocknet sind. Aber auch das Silvesterfeuerwerk stellt eine Gefahr dar, so dass auf den nordfriesischen Inseln das Abbrennen von Feuerwerkskörpern grundsätzlich verboten wurde. Ein Brand breitet sich in der Regel binnen einer halber Stunde großflächig aus; die geschnürten Reetbündel lösen sich und rutschen brennend von der Dachfläche, so dass es schwierig sein kann, aus dem Gebäude zu entkommen. Die Feuerwehren raten zumeist dazu, bei einem Brand das Gebäude sofort zu verlassen. Diese Problematik ist seit Jahrhunderten bekannt, so dass sich ab dem späten 18. Jahrhundert, örtlich auch früher, sogenannte Brandtüren verbreitet haben. (Siehe auch Foto „Uthlandfriesisches Haus“) Diese befinden sich an den Längsseiten des Hauses und verfügen über einen eigenen Spitzgiebel, so dass sie beim Verlassen des Gebäudes vor den brennenden Reetbündeln schützen. Aufgrund der gegenüber einem Hartdach erheblich höheren Brandgefahr sind die Prämien für Feuerversicherungen bei traditionell reetgedeckten Häusern höher.
Reetdach nahe Nordstrand
Reetdachhaus auf Fünen
Uthlandfriesisches Haus Amrum
Roter Haubarg Eiderstedt, Nordfriesland
Reetgedecktes Haus in der Kampener Heide auf Sylt
Reetdachhaus auf Fischland
Reetdachhaus nahe St. Peter
Quellen
- ↑ Bundesamt für Naturschutz: Bilder und Erläuterung zum Bau eines Rohrdaches von 2005
- ↑ Siehe auch die Seiten der Reetdachdeckerinnung reetdachdeckung.de
- ↑ Siehe die Seiten der Reetdachdeckerinnung reetdachdeckung.de
- ↑ a b c d Dachschaden, Dirk Asendorf, in DIE ZEIT 32/2007, 2. August 2007, S. 27f.
- ↑ a b reetdachdeckung FAQ
- ↑ http://www.reetdach-sterben.de/html/fehlinformation.html
- ↑ "Killer-Pilz lässt die Reetdächer verrotten - Bauphysikalische Ursachen sind unfug", in: Stader Tageblatt vom 18.01.2007, zit. nach reetdach-sterben.de/Presse
- ↑ http://www.reetdach-sterben.de/
- ↑ MultiBind GmbH: http://www.multibind.de/technologie/technologie.html
- ↑ AppliChem GmbH: [http://www.applichem.de/produkte/dekontamination/
- Unterm Reetdach, Brigitta Seidel, ISBN 978-3-89876-327-1
- Das Reetdach, Walter Schattke, ISBN 3-7672-1140-8
- Reet & Stroh als historisches Baumaterial, Mila Scgrader, ISBN 3-931824-09-8
Weblinks
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