Rustemi

Rustemi

Avni Rustemi (* 1895 in Libohova bei Gjirokastra; † 22. April 1924 in Tirana) war ein albanischer Pädagoge, der zuerst als Attentäter, dann als Politiker berühmt wurde. Seine Ermordung löste in Albanien Aufstände aus, die zu einem Umsturz, der Junirevolution, führten.

Inhaltsverzeichnis

Leben und politische Betätigung

Nach dem Besuch verschiedener Schulen im Gebiet Albaniens, das bis 1912 zum Osmanischen Reich gehörte, studierte Rustemi Pädagogik, unter anderem in Rom. Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte er zunächst nach Albanien zurück.

Weite Teile seines Landes waren damals von griechischen, jugoslawischen und italienischen Truppen besetzt, und die im Januar 1920 auf dem Kongress von Lushnja gebildete Regierung musste um die Anerkennung ihres Landes auf der Pariser Friedenskonferenz kämpfen. Zur Unterstützung des albanischen Unabhängigkeitskampfes bildeten sich in verschiedenen Städten patriotische Gesellschaften, die meist aus jüngeren Bürgerlichen bestanden und durch kulturelle Arbeit die Grundlage für ein albanisches Nationalbewusstsein schaffen wollten. Aus ihren Kreisen kam auch zum ersten Mal die Forderung nach Gleichberechtigung der albanischen Frauen. Rustemi soll sich 1918 in Vlora einer dieser Gesellschaften (Djalëria e Vlorës) angeschlossen haben.

Die Bemühungen Albaniens um Anerkennung wurden durch Essad Pascha hintertrieben, der sich auf der Pariser Konferenz als Vertreter Albaniens ausgab und im Land Truppen unterstützte, die loyal zu ihm waren. Am 13. Juni 1920 erschoss Rustemi Essad vor seinem Pariser Hotel und stellte sich anschließend der Polizei. Diese Tat machte ihn schlagartig populär. Zahlreiche Gemeindeverwaltungen, patriotische Vereinigungen und politische Versammlungen Albaniens richteten Petitionen an französische Behörden und Politiker mit der Bitte, Rustemi frei zu lassen. Während seines Prozesses, der am 30. November und 1. Dezember 1920 in Paris stattfand, behauptete er, Essad Pascha wegen seiner zahllosen Verbrechen gegen Albanien im Affekt erschossen zu haben. Das Gericht, das nach eigenen Angaben keine Kenntnis von den Vorgängen in Albanien hatte, sprach ihn frei. Rustemi kehrte als Nationalheld in sein Heimatland zurück, das inzwischen mit der Aufnahme in den Völkerbund international anerkannt war.

Rustemi bemühte sich nun um den Zusammenschluss der patriotischen Gesellschaften zu einem Dachverband. Dieser wurde mit dem Namen Federata Atdheu (Vaterland) im April 1921 in Vlora gegründet; Rustemi erhielt den Ehrenvorsitz. In seinem Programm sagte der Verband schädlichen, veralteten Traditionen den Kampf an – er wollte Bildungs- und Kultureinrichtungen gründen, eine Zeitschrift herausgeben und das Gesundheitswesen fördern. Gesellschaften zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes sollten vom Verband unterstützt werden, der eine Agrarbank für die Bauern forderte. Die Mitglieder verpflichteten sich zu strikter Gewaltfreiheit, politische Stellungnahmen wollte der Verein nicht abgeben. Seine Mitglieder gehörten überwiegend zum Bürgertum Mittel- und Südalbaniens. Rustemi wurde aufgrund seines Ansehens Ende 1921 in eine dreiköpfige Kommission berufen, die eine Regierungskrise lösen sollte, aber scheiterte. Ein Jahr später löste die von Innenminister Ahmet Zogu dominierte Nachfolgeregierung die Vereinigung auf. Als Nachfolgeorganisation gründete Rustemi daraufhin im Oktober 1922 die Vereinigung Bashkimi (Union). Ende 1923 wurde er als Vertreter der Präfektur Kosova in das neue albanische Parlament gewählt. Dort kam es im Februar 1924 zu einem heftigen Wortwechsel über Gedenkminuten für ausländische Staatsoberhäupter. Rustemi setzte sich dafür ein, neben Woodrow Wilson auch Wladimir Iljitsch Lenin einzubeziehen, weil dieser mit der Veröffentlichung des Londoner Geheimabkommens eine Aufteilung Albaniens verhindert habe. Er distanzierte sich aber vom Kommunismus.

Die Attentate auf Zogu und Rustemi

Am 23. Februar 1923 gab ein junger Nordalbaner, Beqir Valteri, im Parlament zwei Schüsse auf Ahmet Zogu ab. Dieser wurde nur leicht verletzt, der Schütze an Ort und Stelle festgenommen. Er war Mitglied von Bashkimi und behauptete, mit seiner Tat Albanien vor einem Verräter retten zu wollen. Albanische und ausländische Beobachter spekulierten über eine Beteiligung Rustemis an der Tat, der Verdacht konnte jedoch nicht bewiesen werden. Aufgrund seiner Verletzungen wurde Zogu zunächst nicht Mitglied der danach gebildeten Regierung, sie stand aber unter seinem Einfluss. Am 20. April 1924 schoss Isuf Reçi, Pächter einer Mühle aus dem früheren Besitz Essad Paschas, Avni Rustemi vor dem Parlament in Tirana nieder. Dieser erlag zwei Tage später seinen Verletzungen. Allgemein wurde angenommen, dass Zogu hinter dem Attentat stand. Dies brachte die politische Lage zur Explosion. Auf der Beisetzungsfeier am 30. April 1924 in Vlora waren 10.000 Menschen anwesend, auch zwei Minister, 26 Abgeordnete und ein Mitglied des Hohen Rates (Këshill i Lartë), der höchsten politischen Körperschaft Albaniens. Redner forderten dazu auf, Zogu und den Regierungschef Verlaci als Verantwortliche für den Mord zur Rechenschaft zu ziehen. 20 Abgeordnete unter der Führung Fan Nolis weigerten sich, nach Tirana zurückzukehren und bildeten in Vlora ein Gegenparlament. Einen Monat später brachen mehrere bewaffnete Aufstände im Land aus, die die Regierung Vërlaci schließlich zwangen, am 8. Juni aus Albanien zu flüchten. Eine Regierung um Fan Noli übernahm die Macht. Die Ereignisse werden in Albanien als Junirevolution bezeichnet. Die Organisation Bashkimi gab sich nach dem Mord an ihrem Gründer ein erheblich radikaleres Programm und eine straffe, hierarchische Organisation mit Uniformen. Sie verlangte Enteignung und Bestrafung der Großgrundbesitzer, erkannte gesellschaftliche Klassen nicht an und wollte für nationales Einheitsbewusstsein, Menschenrechte, wirtschaftliche Privatinitiative und gegen die Unterdrückung der Frau kämpfen. Ihre Anhängerschaft blieb jedoch klein, in Vlora hatte sie nur 20 Mitglieder. Aufgrund ihres Auftretens zogen einige zeitgenössische Beobachter Parallelen zum italienischen Faschismus, die jedoch aufgrund ihrer politischen Ziele nicht haltbar sind. In der Geschichtsschreibung des kommunistischen Albaniens galt sie als eine der aktivsten und fortschrittlichsten Kräfte des Landes.

In Albanien gilt Rustemi bis heute als Nationalheld. In mehreren albanischen Städten sind Plätze, Straßen und Schulen nach ihm benannt.

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Mihallaq Pela und Hidajete Luga (Hrg.): Avni Rustemi, Tirana 1974 (Quellen- und Dokumentensammlung)
  • Michael Schmidt-Neke: Entstehung und Ausbau der Königsdiktatur in Albanien (1912-1939) München 1987, ISBN 3486-54321-0
  • Miranda Vickers: The Albanians. A modern history. London 1995, ISBN 1850-4374-91

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