SBB Ae 3/6 I

SBB Ae 3/6 I
SBB Ae 3/6 I
Ae 3/6 I von der Seite mit Buchli-Antrieb her gesehen
Nummerierung: 10601–10714
Anzahl: 114
Hersteller: SLM Winterthur
BBC Baden, MFO Zürich
SAAS Genève
Baujahr(e): 1920–1929
Ausmusterung: 1974–1994
Achsformel: 2'Co1'
Länge über Puffer: 14'760 mm
Höhe: 3825–4140 mm
Dienstmasse: 92–96 t
Höchstgeschwindigkeit: 90–110 km/h
Dauerleistung: 1600 kW (2120 PS)
Antrieb: Buchli-Antrieb

Die SBB Ae 3/6 I ist eine leichte Schnell- und Personenzuglok für den Einsatz im Flachland und eine der grösseren Serien, die für die SBB gebaut wurden.

Ae 3/6 I

Die Lok wurde nach den Versuchslokomotiven SBB Be 2/5 und SBB Ae 4/8 in Bestellung gegeben. Verwendet wurde dabei nach den Erfahrungen der Versuchslokomotiven wie bei der daraufhin folgenden Ae 4/7 der Buchli-Antrieb. Die Ae 3/6I wurde von Beginn der Elektrifizierung in den 1920er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre eingesetzt und war mit über sieben Jahrzehnten im Dienste der SBB die langlebigste Lokomotivserie.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Zu Beginn der Elektrifizierung im Jahre 1920 liessen die SBB Entwürfe für eine Flachland-Schnellzuglok ausarbeiten. Gefordert wurden drei Triebachsen, eine Leistung von 2000 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h. Die drei schweizerischen Elektrofirmen BBC, MFO und SAAS hatten weitgehend freie Hand. Es wurden folgende Entwürfe eingereicht: BBC: Ae 3/6I, MFO: Ae 3/6II, SAAS: Ae 3/5.

Die Ae 3/6I wurde von 1920 bis 1929 in mehreren Baulosen gebaut und war mit 114 Stück die grösste Serie der leichten Schnellzugloks.

Konstruktion

Der mechanische Teil aller Loks stammte von SLM. Der elektrische Teil der ersten 86 Loks (10601–10686) stammte von BBC, welche diese Loks auch entwickelt hatte. 26 Loks (10687–10712) hatten eine elektrische Ausrüstung von MFO und die zwei letzten (10713–10714) eine von SAAS.

Die Ae 3/6I war eine der ersten in Serie gebauten Elektrolokomotiven in der Schweiz. Die Buchli-Antriebe wurden zuvor mit den Probelokomotiven Be 2/5 "Viktor" und der Ae 4/8 "Bastard", "Grossmutter" getestet. Vieles ähnelte noch den Dampflokomotiven, wie z.B. die asymmetrische Anordnung der Laufachsen oder die Anordnung des Führerpultes auf der rechten Seite im Führerstand.

Mechanische Konstruktion

Die drei Triebachsen sind in einem Aussenrahmen gelagert. Jede Achse wird von einem eigenen im Lokkasten untergebrachten Fahrmotor angetrieben. Die Kraftübertragung erfolgt über Buchli-Antriebe, die auf einer Seite der Lok vor den Triebrädern angebracht sind. Der gleiche Antrieb wurde später auch bei der Ae 4/7 verwendet.

Auf der Führerstandseite I ist ein Laufdrehgestell angeordnet, welches das zusätzliche Gewicht des Haupttransformators aufnimmt, auf Führerstandseite II ist nur eine Bisselachse angebracht. Die Lok hatte gute Laufeigenschaften, so dass ihre Höchstgeschwindigkeit schrittweise von ursprünglich 90 km/h auf 100 km/h angehoben werden konnte.

Die ursprünglich braunen Loks wurden später im typischen SBB-Grün lackiert.

Elektrische Konstruktion

Die Lok war bei Ablieferung mit zwei Scherenstromabnehmer und einem Ölhauptschalter ausgerüstet, der unter einem Aufbau in der Dachmitte untergebracht war. Der Haupttransformator ist zwischen dem Laufdrehgestell und der ersten Triebachse angeordnet. Die Spannung an den Fahrmotoren wird mit einem Flachbahnstufenschalter geregelt. In den kleinen Vorbauten befinden sich auf einer Seite die Wendepol-Shuntwiderstände der Fahrmotoren, auf der anderen Seite der Kompressor.

Die Loks waren nicht für Vielfachsteuerung ausgerüstet.

Umbau für den Einsatz vor Leichtschnellzügen

Schon in den dreissiger Jahren wurde das Angebot auf der für die Schweiz besonders wichtigen Ost-Westachse laufend ausgebaut. Ab dem Fahrplanwechsel 1935 wurden Leichtschnellzüge zwischen Genf und Zürich eingesetzt. Diese Züge wurden aus den neu beschafften Leichtstahlwagen zusammengestellt. Ihr leichtes Gewicht erlaubt höhere Beschleunigungen und dadurch kürzere Fahrzeiten. Zum Führen dieser Züge wurden die Ae 3/6I Lokomotiven ab der Nummer 10637 hergerichtet: die Leistung der Motoren wurde um 10% erhöht und die Rückstellkraft der Laufdrehgestellzentrierung wurde angehoben. Dadurch konnte die zulässige Geschwindigkeit in den Kurven um 5 km/h erhöht und die Höchstgeschwindigkeit neu auf 110 km/h festgesetzt werden. Diese Änderungen erhielten 78 Lokomotiven ab dem Baujahr 1925. Die 36 zuerst gelieferten Lokomotiven wurden nicht angepasst, da die Fahrmotoren dazu nicht geeignet waren.

Modernisierung ab 1965

Ab 1965 erhielten 15 Lokomotiven eine neue Verkabelung und Düsenlüftungsgitter. Bei einigen von diesen wurde auch der Ölhauptschalter durch einen DBTF Drucklufthauptschalter ersetzt, ein Stromabnehmer entfernt und die Wendepol-Shuntwiderstände vom Vorbau aufs Dach verlegt.

Weitere Umbauten / Verbesserungen während des Einsatzes

  • nach 1926: Aufbau von Stromabnehmern mit Doppelwippe. Bei den ursprünglich eingebauten Stromabnehmern mit Einfachwippe mussten die Stromabnehmer an den Fahrdraht gehoben werden, was zum Teil noch auf alten Bildern zu sehen ist.
  • ab 1950: Bronze-Büchsen in den Buchli-Antrieben vermindern den Verschleiss
  • Zur Vermeidung von Zugluft im Führerstand wird die jeweils rechte Türe zugeschweisst und der entsprechende Aufstieg entfernt
  • ab 1960: Eine verbesserte Ritzelfederung mit Gummiwalzen reduziert den Verschleiss in den Buchli-Antrieben weiter
  • Entfernung der Übergangsbleche
  • Ersatz der Stangenpuffer durch Hülsenpuffer

Betriebseinsatz

Die Lokomotiven waren für eine Stundenzugkraft von 88 kN bei 65 km/h und für die Beförderung eines 720-Tonnen-Zug auf einer 10-‰-Steigung ausgelegt. Der Einsatz erfolgte nach Ablieferung hauptsächlich vor Schnellzügen im Mittelland. Von 1935 bis 1946 wurden die Loks auch vor den Leichtschnellzügen zwischen Genf und Zürich eingesetzt, bevor sie in diesen Diensten durch die Re 4/4I verdrängt wurden. Die Loks wurden weiterhin vor Personen- und Güterzügen in der ganzen Schweiz mit Ausnahme der Gotthardstrecke eingesetzt. Nach der Einführung des Taktfahrplans im Jahr 1982 wurden die Lokomotiven meist vor Regionalzügen im Toggenburg, Glarnerland, auf der aargauischen Südbahn und im Studenland eingesetzt. Ab 1987 führten sie auch die Regionalzüge auf der Strecke Herzogenbuchsee-Solothurn-Lyss. 1993, ein Jahr vor dessen Ausrangierung, wurden die Regionalzüge Winterthur-St. Gallen neben der Ae 4/7 auch von der Ae 3/6I, ausgestattet mit Leichtstahlwagen oder Einheitswagen I gezogen. Kurz vor der Ausrangierung waren die Loks noch vor Post- und Nahgüterzügen anzutreffen.

Ausrangierung

Die erste Ae 3/6I wurde 1970 auf Grund des schlechten Zustandes ausrangiert. Die Ablieferung von Re 4/4II und Re 6/6 in den 1970er führte zur Ausrangierung von 22 Loks. Ab 1982 wurden auch die übrigen Ae 3/6I durch die Ablieferung von neueren Loks und der NPZ-Triebwagen verdrängt.

Die zwei Lokomotiven mit den Nummern 10664 (Depot Rapperswil) und 10700 (Depot Bern) sind bei den SBB als einsatzfähige historische Fahrzeuge erhalten geblieben und gehören heute der Stiftung Historisches Erbe der SBB (SBB Historic). Drei weitere Lokomotiven gehören Privatpersonen, die im Verein Swisstrain zusammengeschlossen sind – die 10601, 10639 und der 10693 sind in Le Locle und Payerne abgestellt.

Lebensdauer

Die Ae 3/6I waren von 1921 bis 1994 im Einsatz, das sind 73 Jahre. Es gab keine anderen Lokomotiven bei den SBB, die so lange genutzt wurden und das erst noch ohne grössere Umbauten. Bei der Ausrangierung hatten viele Fahrzeuge eine Laufleistung von 5 bis 6 Mio. Kilometern.

Siehe auch

Weblinks


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