- Sankt-Ulrich-und-Levin-Kirche Magdeburg
-
Die St. Ulrich und Levin Kirche war, nach St. Johannis, die zweitälteste Pfarrkirche Magdeburgs und galt als die schönste Pfarrkirche der Stadt. Nach erlittenen Zerstörungen im 2. Weltkrieg wurde sie 1956 gesprengt.
Inhaltsverzeichnis
Lage
Die Ulrichskirche, wie sie auch genannt wurde, befand sich in der Alten Ulrichstraße, welche 1998 in Ulrichplatz umbenannt wurde. Ihr Fundamente liegen unter einem Blumenbeet am Nordrand der Grünfläche. Die Nordfassade der Kirche schloss in etwa mit dem Fußweg der Ernst-Reuter-Allee ab, der Chor (Ostfassade) stand gegenüber dem heutigen Bronzemodell und der Gaststätte "Alex". West- und Südfassade werden heutzutage von Rasenflächen definiert. Der große Springbrunnen befindet sich deutlich südlich des alten Originalstandortes der Kirche.
Geschichte
Bereits um 1022 wurde in Magdeburg erstmals eine St.-Ulrichs-Gemeinde schriftlich erwähnt. Als Namenspatron dürfte Bischof Ulrich von Augsburg eingesetzt worden sein.
Bei einem Stadtbrand im Jahr 1188 brannte auch die Ulrichskirche aus. Nach dem Wiederaufbau wurde die Kirche einem weiteren Heiligen, Levinus, der hauptsächlich in Flandern verehrt wurde, geweiht. In der Gemeinde der Ulrichskirche hatten besonders wohlhabende Kaufleute großen Einfluss.
Eine besondere Rolle spielte die Kirche in der Zeit der Reformation. Im September 1524 wurde Nikolaus von Amsdorf, ein enger Vertrauter Martin Luthers, Prediger an Sankt Ulrich und zugleich Superintendent von Magdeburg. Von hier aus trieb Amsdorf die Reformation in Magdeburg voran. Nach der Besetzung Wittenbergs durch kaiserliche katholische Truppen im Jahr 1547 flohen viele Gelehrte der Universität Wittenberg nach Magdeburg. Im Pfarrhaus von Sankt Ulrich verfassten sie hunderte von Streitschriften gegen den Kaiser und für den Protestantismus. Hierher rührt der für die Stadt häufig gebrauchte Beiname Unseres Herrgotts Kanzlei. Pfarrer in dieser Zeit waren Matthias Flacius und Johann Wigand. Auch waren Nicolaus Gallus und Matthäus Judex damals hier tätig. Flacius und Wigand sollen während der Belagerung der Stadt in den Jahren 1550/51 mit dem Belagerer Moritz von Sachsen verhandelt und einen Anteil an dem für Magdeburg günstigen Ausgang der Auseinandersetzung haben.
Nach dem Ende der Belagerung entstanden in der Ulrichskirche, veranlasst durch Flacius und Wiegand, die Magdeburger Centurien, ein noch heute vielbeachtetes detailliertes Werk zur Kirchengeschichte.
Seit 1567 gehörte Georg Rollenhagen zur Ulrichsgemeinde. Der Schriftsteller und Rektor des Altstädtischen Gymnasium wurde 1609 unter den Türmen der Kirche beigesetzt. Der später als Theologe und Domprediger bekannt gewordene Reinhard Bake erhielt 1610 erhielt eine Anstellung als Diakon in der Ulrichskirche. Mit Hilfe eines Stipendiums dieser Kirche erwarb er in Wittenberge noch den Magistertitel.
Bei der Zerstörung Magdeburgs im Dreißigjährigen Krieg wurde auch die Ulrichskirche beschädigt. Der Wiederaufbau erfolgte von 1648 bis 1656.
Aus einer Stiftung des 1678 verstorbenen Kaufmanns Matthias Wrede wurde an der Südseite der Kirche die Wredekapelle angebaut. 1699 wurde durch den bekannten Orgelbauer Arp Schnitger eine Orgel in der Ulrichskirche eingebaut. 1713 wurde der Bildhauer Severin Gottlieb Ziegenbalg hier beerdigt.
Am 9. Juni 1861 brach in Folge eines Blitzschlages ein Feuer aus. Das Dach, die beiden Türme und ein Teil des Gewölbes in der Nähe der Türme wurden zerstört oder stark beschädigt. Das Kircheninnere erlitt kaum Schäden, sodass bereits am 14. Juli 1861 wieder ein Gottesdienst stattfinden konnte. Der endgültige Wiederaufbau, vor allem der Türme, zog sich jedoch bis 1866 hin. Dabei wurden die beiden Türme neogotisch umgestaltet. Ein bisher vorhandener Dachreiter auf dem Kirchenschiff wurde nicht wieder erneuert.
Am 6. November 1928 hielt Günther Dehn im Gemeindehaus der Ulrichskirche einen folgenreichen Vortrag über „Kirche und Völkerversöhnung“. Er bejahte zwar das Recht des Verteidigungskrieges und lehnte die Kriegsdienstverweigerung ab, stellte jedoch unter Anderem die Errichtung von Kriegerdenkmälern in Kirchen in Frage. Die Äußerungen Dehns wurden dahingehend aufgefasst, dass er die Ansicht vertrete, Soldaten seien Mörder. Dies verursachte große Empörung in der Öffentlichkeit.
Bei den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg wurde die Ulrichskirche stark in Mitleidenschaft gezogen. Vom dem dreischiffigen Kirchenschiff standen nur noch die Außenwände und die gotischen Pfeiler. Dach und Gewölbe waren eingestürzt. Die Westfassade mit den charakteristischen Doppeltürmen war jedoch komplett erhalten geblieben. Bei dem in der Zeit der DDR erfolgten Wiederaufbau der Stadt, der im Sinne der bestehenden Ideologie des Sozialismus unter Oberbürgermeister Philipp Daub bewusst mit der bisherigen Stadtgestaltung brach, wurde die Ulrichskirche als störendes Element empfunden und am 5. April 1956 gesprengt. Damit verlor Magdeburg ein Gebäude, welches Stadtbild und Stadtgeschichte ganz wesentlich mit geprägt hatte.
Ähnlich erging es auch den Pfarrkirchen St. Jakobi, St. Katharinen und der Heilig-Geist-Kirche (Sankt Spiritus).
Heutige Situation
An der Stelle der Ulrichskirche wurde eine Grünanlage eingerichtet. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das östlich gelegene Gebiet neu bebaut. und das dort errichtete Gebäude erhielt in Erinnerung an die ehemalige Kirche den Namen „Ulrichshaus". Das Gelände auf dem die Kirche stand, erhielt 1998 den Namen „Ulrichsplatz“.
Wiederaufbau
Von privater Seite gibt es Bestrebungen, einen Wiederaufbau der Kirche zu initiieren. Am 31. Oktober 2007 gründeten ca. 60 Gründungsmitglieder in der Sankt-Johannis-Kirche das Kuratorium zum Wiederaufbau der Ulrichskirche. Das Kuratorium hat sich die Sammlung von Spenden zum Ziel gesetzt und strebt die Wiedereröffnung der Ulrichskirche zum 31. Oktober 2017, dem 500. Reformationstag, an.
Literatur
- Hans-Joachim Krenzke, Kirchen und Klöster zu Magdeburg, 2000
Weblinks
- [1] Initiative zum Wiederaufbau, Bilder des Kirchengebäudes
Kirchen/Gotteshäuser in MagdeburgAgnetenkloster | Alte Synagoge | Kloster Berge | Kreuzkirche | Dom | Franziskanerkloster | Gottes-Garten-Haus | Heilige Geist | Hoffnungskirche | Immanuelkirche (Prester) | Kirche der Pfeifferschen Stiftungen | Luther | Magdalenenkapelle | Kloster Mariae Magdalenae | Martin-Gallus-Kirche | Martinikirche | Martinskirche | Mauritiuskloster | Neuapostolische Kirche | Reformationskirche | Sankt Adalbert | Sankt Agnes | Sankt Ambrosius | Sankt Andreas | Sankt Briccius | Sankt Egidius | Sankt Eustachius und Agathe | Sankt Gangolfi | Sankt Georg | Sankt Gertraud | Sankt Gertrauden | Sankt Jakobi | Sankt Johann der Täufer | Sankt Johannes Baptist | Sankt Johannis | Sankt Josef | Sankt Katharinen | Sankt Laurentius | Sankt Maria Hilf | Sankt Marien | Sankt Marienstift-Kapelle | Sankt Mechthild | Sankt Nicolai | Sankt Nikolai | Sankt Norbert | Sankt Pauli | Kloster Sankt Peter und Paul | Sankt Petri | Sankt Petri (Beyendorf) | Sankt Petri (Olvenstedt) | Sankt Sebastian | Sankt Sebastian (Lemsdorf) | Sankt-Sophie | Sankt Stephani | Sankt Stephanus | Sankt Thomas (Pechau) | Sankt Ulrich und Levin | Kloster Unser Lieben Frauen | Walloner
52.1307211.63419Koordinaten: 52° 7′ 51″ N, 11° 38′ 3″ O
Wikimedia Foundation.