Schmalspurbahn Glöwen–Havelberg

Schmalspurbahn Glöwen–Havelberg

Die Kleinbahnen der Kreise West- und Ostprignitz erschlossen die beiden preußischen Landkreise im Westen der Provinz Brandenburg. Hier entstand in den Jahren 1897 bis 1912 ein umfangreiches Netz von Kleinbahnen, deren Eigentümer die Kreis-Kommunalverbände Kyritz bzw. Perleberg waren. Diese übertrugen jedoch die Betriebsführung der Prignitzer Eisenbahn AG. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde damit das Landesverkehrsamt Brandenburg in Potsdam beauftragt. Eine zentrale Werkstatt aller Bahnen befand sich in Perleberg. Sie bestand als Werkabteilung Perleberg des Reichsbahnausbesserungswerks Wittenberge noch bis 1992.

Südlich der Strecken der Wittenberge-Perleberger Eisenbahn und der anschließenden Prignitzer Eisenbahn-Gesellschaft erschloss eine Reihe von Schmalspurbahnen in der Spurweite von 750 mm die Gegend bis hin zur Berlin-Hamburger Bahn. Im nördlichen Kreisgebiet waren die Kleinbahnen normalspurig angelegt und führten in die Nähe der mecklenburgischen Grenze, in zwei Fällen auch einen kurzen Abschnitt darüber hinaus.

Inhaltsverzeichnis

Kleinbahnen der Kreise Ost- und Westprignitz

Normalspurige Kreisbahnen

Unter der Bezeichnung „Kleinbahn des Kreises Ostprignitz“ wurde am 4. Juni 1896 die 17 km lange Strecke Pritzwalk–Putlitz eröffnet, die heute von der neuen Prignitzer Eisenbahn GmbH befahren wird. Sie wurde am 1. Oktober 1912 um 12 km bis Suckow im Kreis Parchim in Mecklenburg verlängert.

Der Kreis Westprignitz vollendete das nördliche Kleinbahnnetz mit der 49 km langen „Kreisringbahn“ am 7. Dezember 1911. Sie führte von Perleberg Süd über Perleberg Nord und Karstädt – an der Berlin-Hamburger Bahn gelegen – nach Norden bis Klein Berge, dann wendete sie sich wieder nach Süden und erreichte über Baek den Bahnhof Perleberg Nord, wo sich der Ring schloss. In Klein Berge zweigte eine Querbahn nach Putlitz (15 km) ab. Das normalspurige Kreisbahnnetz beider Kreise umfasste somit 93 km Länge.

Die Schmalspurbahnen

Am 15. Oktober 1897 wurde die erste Strecke in der Schmalspur von 750 mm eröffnet, die von Perleberg nach Osten über Viesecke - Lindenberg – Rehfeld bis nach Kyritz führte. In Rehfeld mündete eine Zweigbahn von Breddin an der Berlin-Hamburger Eisenbahn ein. Die Streckenlänge betrug damals insgesamt 60 km.

Eine zweite, 15 km lange Verbindung zur Berlin-Hamburger Eisenbahn wurde am 15. Juli 1900 zwischen Viesecke und Glöwen über Kreuzweg eröffnet. Im Herbst und Winter 1907/08 kam noch eine Querverbindung von Pritzwalk nach Lindenberg (19 km) hinzu, die ab 8. Januar 1908 durchgehend befahrbar war. Als man sie am 2. Juli 1912 um 10 km bis Kreuzweg verlängert hatte, war Lindenberg zu einem Knotenpunkt von Kleinbahnen geworden, die in vier Richtungen den Anschluss zu Staatsbahnstrecken herstellten.

Das Schmalspurnetz verteilte sich auf sechs Kleinbahn-Einheiten, die jedoch unter derselben einheitlichen Betriebsführung standen wie die normalspurigen Kreisbahnstrecken. Von der Gesamtlänge der Schmalspurbahnen, die einen Umfang von 104 km erreichte, entfielen vier Bahnen mit 71 km Länge auf den Kreis Ostprignitz und zwei Bahnen von 33 km Länge auf den Kreis Westprignitz.

Die Reichsbahnzeit

Pritzwalk–Lindenberg
Legende
0,0 Pritzwalk
6,4 Kuhsdorf
8,1 Bullendorf
9,7 Mesendorf
Haltepunkt, Haltestelle
11,4 Klenzendorf
Bahnhof, Station
13,7 Brünkendorf
Bahnhof, Station
17,6 Vettin
18,7 Lindenberg

Obwohl es sich um öffentliches Eigentum handelte, wechselten die Kreis-Kleinbahnen in der Prignitz nach dem Einmarsch der Roten Armee ihren Eigentümer. Sie wurden der Generaldirektion der Provinzialbahnen Mark Brandenburg - den späteren Landesbahnen – unterstellt, von wo sie 1949 zur Deutschen Reichsbahn kamen. Diese betrieb den größten Teil des Netzes noch 15 bis 20 Jahre weiter, im Normalspurbereich sogar noch darüber hinaus.

Nur das kleine Streckenstück Viesecke–Kreuzweg wurde 1948 demontiert, jedoch nicht als Reparationsleistung, sondern als Basis für den Wiederaufbau der Strecke Glöwen–Havelberg. Das übrige Schmalspurnetz endete in zwei Abschnitten: Mit dem Jahresende 1967 stellte die DR den Gesamtbetrieb zwischen Lindenberg und Glöwen ein. Die verbliebenen Strecken, nämlich Pritzwalk–Lindenberg und Perleberg–Lindenberg–Kyritz mit der Zweigbahn Rehfeld–Breddin, folgten am 31. Mai 1969.

Bei den Normalspurbahnen begann die Stilllegung des Personenverkehrs am 26. Mai 1968 mit der Querverbindung Putlitz–Berge. Im Jahre 1975 folgte abschnittsweise die „Kreisringbahn“ und 1980 die Strecke Putlitz–Suckow, wo schon seit 1945 keine Weiterfahrt mehr nach Parchim möglich war. Auf der Strecke Pritzwalk- Putlitz wurde der Personenverkehr im Jahre 1996 durch die neue Prignitzer Eisenbahn GmbH übernommen. Im Jahr 2006 wurde der Personenverkehr zwischen Pritzwalk und Putlitz durch den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg aufgrund der Kürzungen der Mittel des Regionalisierungsgesetzes abbestellt. Am 9. Dezember 2006 fuhr daher der letzte planmäßige Personenzug auf einer ehemaligen Strecke der Kreisbahnen. Seit dem 27. August 2007 verkehren von Montag bis Freitag wieder sechs (Stand Jahresfahrplan 2008) Zugpaare täglich zwischen Putlitz und Pritzwalk. Möglich wurde dies durch den Einsatz der Verkehrsgesellschaft Prignitz (VGP) und des Putlitz-Pritzwalker Eisenbahnfördervereins (PPEFV), wobei die VGP Gelder, die sie für den Ersatzverkehr mit Bussen erhält, an den PPEFV weitergibt, der damit seine Züge finanziert. Gefahren wird mit Fahrzeugen der DB-Baureihe 672, die durch die Prignitzer Eisenbahn GmbH angemietet wurden.

Der Güterverkehr blieb im Normalspurnetz bis in die Mitte der 1990er Jahre erhalten.

Schmalspurbahn Glöwen–Havelberg
Legende
0,0 Glöwen
4,0 Nitzow
7,1 Toppel
9,2 Havelberg

Schmalspurbahn Glöwen–Havelberg

Einen Sonderfall stellt die 9 km lange Strecke Glöwen–Havelberg dar, die damals auch zur Provinz Brandenburg gehörte. Sie war 1890 in Regelspur durch die Preußische Staatsbahn erbaut, jedoch 1945 demontiert worden.

Die Landesbahnverwaltung beschloss, die Strecke wegen ihrer Bedeutung für die Stadt Havelberg auf der alten Trasse wieder aufzubauen. Sie beschaffte - unter anderem durch Stilllegung der Strecke Viesecke–Kreuzweg - gebrauchtes Gleismaterial und konnte schon am 3. September 1948 den Betrieb eröffnen, allerdings nun in der Spurweite von 750 mm. Diese Bahn überlebte die übrigen Prignitzer Schmalspurbahnen um zwei Jahre. Der Güterverkehr wurde am 5. April 1971 und der Personenverkehr am 26. September 1971 eingestellt.

Bahnhof Mesendorf

Museumsbahn

Um die Erinnerung an das umfangreiche Kleinbahnnetz in der Prignitz aufrecht zu erhalten, hat sich der 1993 gegründete Verein Prignitzer Kleinbahnmuseum Lindenberg e.V. das Ziel gesetzt, eine neun Kilometer lange Teilstrecke von Lindenberg über Brünkendorf nach Mesendorf wieder aufzubauen und für die Nachwelt betriebsfähig zu erhalten. In Lindenberg betreibt der Verein ein Museum, zu dem auch ein Museumszug aus Originalfahrzeugen (Dampflok 99 4644) gehört.

Der erste Abschnitt der Museumsbahn zwischen Mesendorf und Brünkendorf wurde im Jahr 2002 fertiggestellt. Seit 2004 ist die Verlängerung der Strecke von Brünkendorf bis Vettin in Betrieb. 2007 wurde auch der abschließende Abschnitt Vettin–Lindenberg fertiggestellt; allerdings liegt der Endpunkt nun kurz vor dem ehemaligen Bahnhof.

Literatur

  • Klaus Kieper, Reiner Preuß: Schmalspur zwischen Ostsee und Erzgebirge. Alba Buchverlag, Düsseldorf 1980, ISBN 3-87094-069-7
  • Erich Preuß, Reiner Preuß: Archiv deutscher Kleinbahnen und Privatbahnen, Schmalspurbahnen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Motorbuch, Stuttgart 1996, ISBN 3344710230

Weblinks


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