Schmiss

Schmiss
Georg Mühlbergs „Renommierbummel“ (um 1900): Verbindungsstudenten mit frischen Schmissen beim Spaziergang, vermutlich am Morgen nach einem Pauktag

Der Schmiss ist eine Verletzung sowie die daraus entstehende Narbe, die infolge einer Mensur entstanden ist, wie sie in schlagenden Studentenverbindungen gefochten wird.

Die Versorgung des Schmisses geschieht gewöhnlich durch den bei jeder Mensur anwesenden Paukarzt.

Von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre war der Schmiss das Erkennungszeichen mitteleuropäischer Akademiker schlechthin, das durchaus mit Stolz getragen wurde, symbolisierte es doch das nach damaliger Auffassung herrschende Ideal eines tatkräftigen, unerschrockenen Mannes, der auch vor bedrohlichen Situationen nicht zurückschreckt.

Viele junge Männer eiferten diesem Ideal dann auch im Übermaße nach. So gab es angeblich Methoden, aus einer empfangenen kleineren Wunde „stolze Kampfnarben” entstehen zu lassen, z. B. durch das Einreiben mit Salz oder Einlegen von Rosshaaren, so dass der Heilungsprozess verschlechtert und die Narbenbildung verstärkt wurde. Das Einlegen von Rosshaaren diente damals aber in Wirklichkeit als Drainage und hatte daher medizinische Gründe. Das Einreiben von Salz ist eher in den Bereich der Legenden zu verweisen. Häufiger dürfte hingegen das so genannte Schmissziehen gewesen sein, bei dem die Heilung durch Auseinanderziehen der Wunde behindert wurde. Das Schmissziehen war bei vielen Verbindungen streng verboten.

Christian Wilhelm Allers’: „Beim flicken“, 1902, Versorgung einer frischen Mensurwunde durch den Paukarzt

Es wird geschätzt, dass im Deutschen Kaiserreich in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg jedes Jahr um die 12.000 Bestimmungsmensuren gefochten worden sind.

Speziell aus der Kaiserzeit gibt es auch Berichte von Studenten, die die Mensur scheuten, aber dennoch nicht auf das akademische Erkennungszeichen verzichten wollten. Ärzte berichteten davon, dass sie von Studenten gebeten worden seien, ihnen Schmisse chirurgisch beizubringen, damit sie in Akademikerkreisen nicht negativ auffallen. Schmisse sind aus dieser Zeit bei vielen Personen aus dem akademischen Umfeld zu sehen.

Wolfgang Kapp mit Schmiss

Andererseits gab es bereits seit dem 19. Jahrhundert nichtschlagende Verbindungen, insbesondere katholische (siehe z.B. Cartellverband), die das Fechten von Mensuren gerade wegen des unnötigen Verletzungsrisikos ablehnten.

Spott auf die Schmisslosigkeit: „Sehn Sie nur den Studenten an! So’n Gesicht gehört doch in die Hose.“ Rudolf Wilke, Naturspiel, Karikatur von 1908

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden alle vor 1945 gegründeten Organisationen mit Skepsis betrachtet, auch die von den Nationalsozialisten verbotenen Verbindungen, wobei häufig nicht zwischen schlagenden und nichtschlagenden differenziert wurde. Der Schmiss wurde zum Symbol einer alten Zeit, also eher zum Abzeichen konservativer Kreise, denen einige wiederum rechts- bis nationalistisch-konservatives Gedankengut unterstellten. Die Umbrüche des Jahres 1968 verstärkten diese Entwicklung.

Als in den 1970er-Jahren die Zahl der Studenten an westdeutschen Universitäten massiv anstieg, die Zahl der Verbindungsstudenten aber eher stagnierte bis sank, wurden „Schmissträger“ zu einer Minderheit unter den Akademikern.

Titelblatt einer medizinischen Veröffentlichung zur Behandlung von Schmissen von Paukarzt Friedrich Immisch

Eine weitere Entwicklung war, dass seit dem Zweiten Weltkrieg viel weniger Mensuren pro Person geschlagen werden. Bis in die 1930er-Jahre waren vier bis fünf Mensuren pro Aktivensemester durchaus die Regel, jedes aktive Mitglied einer schlagenden Verbindung stand samstags fast automatisch auf Mensur, wenn er dazu medizinisch in der Lage war. Heute gibt es bei „pflichtschlagenden“ Verbindungen die Einrichtung der „Pflichtpartien“, also eine Festlegung der Zahl der Mensuren, die der einzelne während seiner Aktivenzeit mindestens zu schlagen hat. Die Bandbreite reicht heute von einer bis ungefähr fünf Pflichtpartien.

Gleichzeitig verstärkten sich technisch beim Mensurfechten die defensiven Elemente. Eine gute Deckung gehört heute zum technisch sauberen Fechten dazu. Das „Sammeln“ von Schmissen ist seit Jahrzehnten verpönt.

Trotzdem gibt es auch heute noch immer wieder die Gelegenheit, in der Öffentlichkeit oder auch bei prominenten Interviewpartnern im Fernsehen einen klassischen Schmiss im Gesicht zu sehen, nur wird dieser nur noch von einer Minderheit der Bevölkerung als solcher erkannt. Ein bekanntes Beispiel ist der frühere Allianzvorstand Henning Schulte-Noelle. Ebenso häufig wird eine Narbe im Gesicht, die aus anderen Verletzungen stammt, irrtümlich als Schmiss bezeichnet.

Literatur

Verbindungskritische Literatur
  • Dietrich Heither, Michael Gehler, Alexandra Kurth: Blut und Paukboden. Fischer (Tb.), Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-596-13378-5.
  • Dietrich Heither: Verbündete Männer. Papyrossa-Verlag, Köln 2000, ISBN 3-89438-208-2.

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