Schülermörder von Kōbe

Schülermörder von Kōbe
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Seito Sakakibara (zu deutsch: "Schüler Sakakibara"; * um 1983) war der selbst gegebene Deckname eines zur Tatzeit 14 Jahre alten Schülers, der im Jahr 1997 in der japanischen Großstadt Kōbe zwei andere Kinder tötete und drei weitere verletzte. Der Klarname jugendlicher Straftäter darf nach japanischem Recht nicht veröffentlicht werden. In den Akten wird er daher als Junge A geführt, in englischsprachigen Medien auch als Youth A. Die Nachricht vom jugendlichen Kindermörder fand Beachtung weit über Japan hinaus. Im deutschen Sprachraum wurde der Fall als der des Schülermörders von Kobe bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Taten

Sein erstes Todesopfer war die zehnjährige Grundschülerin Ayaka Yamashita aus dem Stadtbezirk Suma-ku, sie wurde am 15. März 1997 tot aufgefunden. Der Tod war durch massive Schläge mit einer Eisenstange eingetreten. In der Nähe des Leichnams lag der Kadaver einer Katze.

Zwölf Tage später wurde die nächste Leiche entdeckt. Es handelte sich um einen elfjährigen geistig behinderten Jungen mit Namen Jun Hase. Sein abgetrennter Kopf wurde am 27. Mai 1997 am Tor einer Grundschule aufgefunden, im Mund steckte ein Zettel mit folgender japanischer Aufschrift in roter Farbe (Auszug):

„Dies ist der Anfang des Spiels (…) Ihr Typen von der Polizei, haltet mich auf, wenn ihr könnt (…) Ich habe das dringende Bedürfnis, Leute sterben zu sehen, es ist Nervenkitzel für mich, Morde zu begehen. Ein blutiges Gericht ist nötig für meine Jahre großer Bitterkeit.“

In fehlerhaftem Englisch war außerdem zu lesen:

„shooll kill“

Der Torso lag in einem nahegelegenen Waldstück und wies zahlreiche unterschiedliche Verletzungen auf. Als Todesursache wurde in diesem Fall Strangulation festgestellt. In der Umgebung fanden sich wiederum mehrere verstümmelte tote Katzen.

Am selben Tag, an dem das erste Opfer gefunden wurde, wurde ein weiteres Mädchen auf offener Straße angegriffen und durch Messerstiche schwer verletzt. Einige Tage nach dem zweiten Leichenfund wurden zwei Schülerinnen mit einem Hammer attackiert, überlebten aber ebenfalls.

Kontakt zu den Medien

Am 6. Juni 1997 ging bei der lokalen Tageszeitung Kobe Shimbun ein anonymes Schreiben ein. Das Schriftstück war ebenfalls mit roter Tinte geschrieben, umfasste drei Seiten und bestand aus 1440 Worten, darunter ein aus sechs Kanji-Schriftzeichen (酒鬼薔薇聖斗) bestehender Name, der als Seito Sakakibara verstanden werden kann. Dieselben sechs Schriftzeichen, die einzeln für Alkohol, Teufel, Rose, Heiliger und Kampf stehen, standen auch schon auf dem Zettel aus dem Mund des getöteten Jungen. Die graphologische Auswertung ergab Übereinstimmung. Der Text lautete auszugsweise wie folgt:

„Nun, dies ist der Anfang des Spiels. (…) Zum Zwecke dieses Spiels setze ich mein Leben aufs Spiel (…) Falls ich erwischt werde, werde ich vielleicht gehängt (…) Die Polizei sollte zorniger und engagierter bei meiner Verfolgung sein (…) Nur, wenn ich töte, bin ich frei von dem ständigen Hass, an dem ich leide, und fähig, wieder Frieden zu finden. Nur wenn ich Leuten Schmerzen zufüge, kann ich meinen eigenen Schmerz lindern.“

Weiterhin bekannte sich der Verfasser zur Tötung von Jun Hase. Ferner erhob er den Vorwurf gegen das japanische Bildungssystem, ihn zu einer „unsichtbaren Person“ gemacht zu haben.

Als die Medien den Namen zunächst als Onibara (zu deutsch etwa: Rose des Teufels) wiedergaben, drohte er in einem zweiten Schreiben wütend:

„Von jetzt an werde ich, wenn ihr meinen Namen falsch lest oder mir die Laune verderbt, jede Woche drei Stück Gemüse umbringen (…) Wenn ihr glaubt, ich kann nur Kinder töten, seid ihr schwer im Irrtum.“

Festnahme, Verurteilung und Freilassung

Weitere Morde konnten jedoch durch die rechtzeitige Festnahme des 14-jährigen Oberschülers am 28. Juni 1997 verhindert werden, die durch anonyme Hinweise ermöglicht wurde. Zunächst wurde er nur des Mordes an Jun Hase verdächtigt. Im Zimmer des Festgenommenen fand sich neben tausenden Manga-Bänden, Anime- und Porno-Videos insbesondere ein unvollständiges Protokoll der Taten. Der Täter gestand wenige Tage später beide Morde sowie die drei weiteren Angriffe. Dabei gab er an, das Blut seines männlichen Opfers getrunken und mit dessen verstümmelter Leiche gespielt zu haben. Die weiteren Ermittlungen ergaben außerdem, dass er ein Waffennarr sowie begeisterter Leser von Adolf Hitlers Mein Kampf war.

Trotz seines jugendlichen Alters wurde der Schüler Sakakibara am 17. Oktober 1997 wegen zweifachen Mordes sowie versuchtem Mord in drei weiteren Fällen zu einer unbegrenzten Haftstrafe verurteilt und in eine Jugendstrafanstalt eingewiesen. Am 11. März 2004 wurde er im Alter von inzwischen 21 Jahren zunächst auf Bewährung auf freien Fuß gesetzt. Diese Maßnahme wurde vom japanischen Justizminister persönlich bekanntgegeben, was ein Novum darstellte. Die Bewährung endete zum 31. Dezember desselben Jahres, und der junge Mann wurde als nunmehr psychisch gesund mit einer neuen Identität versehen und aus der staatlichen Aufsicht entlassen.

Eine Gruppe von Leuten, zu denen unter anderen ein auf Justizirrtümer spezialisierter Anwalt und der Direktor der Schule, die der Verurteilte besuchte, gehören, besteht darauf, dass Sakakibara zu Unrecht verurteilt worden sei, und weist auf Widersprüchlichkeiten bei den Ermittlungen hin.

Andere hingegen kritisieren die Freilassung scharf und vermuten anhand der unüblichen öffentlichen Ankündigung derselben, dass Sakakibara in Wahrheit auch nach Einschätzung der Behörden nicht entlassungsreif gewesen wäre und weiterhin eingesperrt gehört hätte. Diese Kritik wurde nochmals besonders erbittert geäußert, als drei Monate später ein elfjähriges Mädchen eine Klassenkameradin tötete.

Folgen

Angesichts der großen Mengen nicht jugendfreien Materials in Sakakibaras Besitz forderte der Politiker Shizuka Kamei, den Zugang zu solchen Medien zu erschweren. Als Reaktion auf die Taten wurde im Jahr 2000 die Altersgrenze für die Anwendbarkeit des Jugendstrafrechts in Japan von 16 auf 14 Jahre abgesenkt.

Hintergründe

Bereits im Grundschulalter trug Sakakibara Messer bei sich und schrieb dazu in sein Tagebuch:

„Ich kann meine Verärgerung dämpfen, wenn ich ein Überlebensmesser in der Hand halte oder eine Schere wie eine Pistole herumwirbele.“

Schon im Alter von zwölf Jahren fiel er durch extreme Tierquälereien auf, so reihte er beispielsweise Frösche auf der Straße auf, um sie mit seinem Fahrrad zu überfahren. Außerdem enthauptete er Tauben, auch hatte er bereits mit der Verstümmelung von Katzen und wenig später – auf dem Schulweg – mit körperlichen Angriffen auf Mädchen begonnen.

Die erste Erektion hatte er, wie er seinen Ärzten später erzählte, als Fünftklässler beim Sezieren eines Frosches. Weiterhin gab er an, in seinem ersten Jahr auf der Oberschule über der Vorstellung, sich mit Eingeweiden vollzufressen, masturbiert zu haben.

Nach den am 16. März verübten Angriffen schrieb er in sein Tagebuch:

„Ich habe heute geheiligte Experimente ausgeführt, um zu bekräftigen, wie zerbrechlich menschliche Wesen sind (…) Ich schlug mit dem Hammer zu, als das Mädchen sich zu mir umdrehte. Ich denke, ich habe sie ein paar Mal geschlagen, aber ich war zu erregt, um mich erinnern zu können.“

In der Woche darauf, am 23. März, ergänzte er:

„Heute früh sagte meine Mutter zu mir: ‚Armes Mädchen. Es ist wohl gestorben.‘ Es gibt kein Anzeichen dafür, daß ich erwischt werde. (…) Ich danke Dir, Buddha, hierfür. (…) Bitte beschütze mich auch weiterhin.“

Die Mutter des Täters hat offensichtlich die Entwicklung gefördert, indem sie ihren Sohn zu schulischen Höchstleistungen antrieb, obwohl Sozialarbeiter sie bereits gewarnt hatten, dass dieser mental labil sei.

Die beschriebenen Verhaltensweisen und Fantasien sind als Vorstufe zu – realen – Taten an Menschen ein typisches Merkmal der Biographie späterer Serienmörder. Es besteht kaum ein Zweifel, dass Sakakibara weitere Morde begangen hätte.

Vergleichbare Fälle

Die Polizei sah bei diesem Fall zunächst Ähnlichkeiten mit dem des Zodiac-Killers. Die Gemeinsamkeit beschränkt sich jedoch auf den Kontakt des Täters zu den Medien. Viel deutlicher ist die Parallele zum Fall des japanischen Serienmörders Tsutomu Miyazaki. Wie bei diesem begann die kriminelle Karriere bei Sakakibara sehr früh.

Literatur

Siehe auch


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