Selbstwirksamkeit

Selbstwirksamkeit

Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) (engl. perceived self-efficacy) bezeichnet in der Psychologie die Erwartung, aufgrund eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen erfolgreich ausführen zu können.

Ein Mensch, der daran glaubt, selbst etwas zu bewirken und auch in schwierigen Situationen selbstständig handeln zu können, hat eine hohe SWE. Eine Komponente der SWE ist die Annahme, man könne als Person gezielt Einfluss auf die Dinge und die Welt nehmen (internaler locus-of-control - s. Kontrollüberzeugung). Im Unterschied dazu könnte man auch äußere Umstände, andere Personen, Zufall, Glück usw. als ursächlich ansehen. Manche Psychologen vertreten die Ansicht, dass Selbstwirksamkeit(-serwartung) ein natürliches Bedürfnis des Menschen ist.

In der psychologischen Forschung wird zudem zwischen der generalisierten und diversen handlungsspezifischen Selbstwirksamkeitserwartungen (z. B.: mit dem Rauchen aufhören zu können, vor einer Menschenmenge frei zu sprechen, etc.) unterschieden. Je spezifischer die SWE einer Person erfasst wird, desto besser lässt sich damit ihr Verhalten vorhersagen.

Untersuchungen zeigen, dass Personen mit einem starkem Glauben an die eigene Kompetenz größere Ausdauer bei der Bewältigung von Aufgaben, eine niedrigere Anfälligkeit für Angststörungen und Depressionen und mehr Erfolge in der Ausbildung und im Berufsleben aufweisen.

SWE und Handlungsergebnisse wirken oft zirkulär: Eine hohe SWE führt zu hohen Ansprüchen an die eigene Person, weshalb man eher anspruchsvolle, schwierige Herausforderungen sucht. Eine gute Leistung bei diesen Herausforderungen führt dann wieder zur Bestätigung bzw. Erhöhung der eigenen SWE. Diesen zirkulären Effekt griffen Locke und Latham (1990, 1991) auf und überführten ihn in den so genannten "high performance cycle". Die Autoren untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Aufstellung von Zielen und der realisierten Leistung gibt.


Inhaltsverzeichnis

Quellen der Selbstwirksamkeitserwartung

Das Konzept entwickelte Albert Bandura in den 1980er Jahren. Er nennt vier verschiedene Quellen, die Selbstwirksamkeitserwartung einer Person beeinflussen können:

1. Meisterung von schwierigen Situationen

Erfolg bei der Bewältigung einer schwierigen Situation stärkt den Glauben an die eigenen Fähigkeiten - man traut sich auch in Zukunft solche Situationen zu -, während Misserfolge dazu führen können, an der eigenen Kompetenz zu zweifeln und einen in Zukunft vergleichbare Situationen eher meiden lässt. Damit es zu dieser Beeinflussung der eigenen Selbstwirksamkeitserwartung durch (Miß-)Erfolgerlebnisse kommt, muss die Person jedoch diese (Miß-)Erfolge ihrer eigenen (Un-)Fähigkeit zuschreiben (d.h. internal und stabil attribuieren). Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeit machen trotz einzelner Rückschläge weiter.

2. Beobachtungen von Modellen

Meistern Menschen eine Aufgabe mit Fähigkeiten, die den eigenen gleichen (Modell), traut man sie sich selbst auch eher zu. Andererseits demotiviert ein Misserfolg solcher Personen. Dabei gilt: je größer die Ähnlichkeit zur beobachteten Person, desto stärker die Beeinflussung durch das Modell.

3. Soziale Unterstützung

Menschen, denen gut zugeredet und zugetraut wird, eine bestimmte Situation zu meistern, strengen sich eher an. Sie glauben mehr an sich, als wenn andere an ihren Fähigkeiten zweifeln. Zugleich ist es wichtig, jemanden nicht unrealistisch zu fordern - das würde bei wiederholtem Misserfolg eher demotivieren.

4. Physiologische Reaktionen

Die eigenen physiologischen Reaktionen auf eine neue Anforderungssituation sind oft Grundlage unserer Situations- und Selbstwirksamkeitsbewertung. Herzklopfen, Schweißausbrüche, Händezittern, Frösteln, Übelkeit z. B. gehen oft mit den emotionalen Reaktionen wie Anspannung oder Angst einher. Diese Anzeichen lassen sich leicht als Schwäche interpretieren und Selbstzweifel aufkommen. Ein Abbau von Stressreaktionen kann Menschen helfen, entspannter an Herausforderungen heranzugehen und sie so besser zu meistern.

Entwicklungsphasen bzw. -kontexte der SWE

Selbstwirksamkeit entwickelt sich in verschiedenen Lebensstadien bei jedem Individuum unterschiedlich, je nach den Lebensumständen und den unterschiedlichen Einflüssen der oben genannten Quellen.

Neugeborene sind sich noch nicht selbst als eigenständige Person bewusst. Sie lernen erst nach und nach: – ihre Handlungen rufen bestimmte Reaktionen/Folgen hervor (z. B. produziert das Schütteln einer Rassel Geräusche, Schreien ruft Erwachsene herbei) – sie sind eine von anderen abgegrenzte Person...

Die Familie - in der Kinder größtenteils ihre physischen, kognitiven, sozialen und linguistischen Fähigkeiten erlernen und ausbauen, die häusliche Umgebung, auch Lernmaterialien und Geschwisterkonstellationen sind äußerst wichtig. Kinder vergleichen in diesem Umfeld sich zum ersten Mal mit anderen Menschen, d. h. mit Eltern und Geschwistern. Ein nächster Schritt ist, mit Peers zusammen zu treffen: erstmals kann man im Vergleich mit Gleichaltrigen die eigenen Fähigkeiten bewerten. Schon hier haben Kinder mit einer niedrigen Selbstwirksamkeit Probleme, sich anderen Kindern anzuschließen. In der Schule erweitern sie ihre kognitiven Kompetenzen und erwerben Wissen und Problemlösungsfertigkeiten. Ihre kontinuierlich getesteten ständig mit anderen verglichenen Leistungen bewerten auch ihre intellektuelle Wirksamkeit. Später konfrontiert die Entwicklung Jugendliche mit Veränderungen wie Pubertät und Berufswahl. Wie leicht oder schwer man das nimmt, hängt von der vorher aufgebauten Selbstwirksamkeit ab. Das Erwachsenenalter hat neue Anforderungen wie längerfristige Beziehungen/Ehe, Elternschaft und Beruf. Menschen mit Selbstzweifeln haben tendenziell stärkeren Stress und eher Depressionen, können sich schlechter motivieren und negative Emotionen kontrollieren. Im Alter sinkt die körperliche Leistungsfähigkeit und jeder muss mit neuen Veränderungen wie Rente oder Verlust von Freunden, Partnern und/ oder körperlicher Leistungsfähigkeit bzw. Unversehrtheit zurechtkommen. Auch beim Bewältigen dieser Veränderungen spielt die individuelle Selbstwirksamkeitserwartung eine entscheidende Rolle.

Messinstrumente

Um die SWE eines Menschen zu messen, gibt es in der Psychologie bereits zahlreiche Messinstrumente.


Weblinks

Literatur

  • Bandura, A. (1994). Self-efficacy. In V. S. Ramachaudran (Ed.), Encyclopedia of human behaviour (Vol. 4, pp. 71-81). New York: Academic Press.
  • Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: Freeman.
  • Ridder, H.-G.: Personalwirtschaftslehre, 1999, S. 439 f.
  • Locke, E. A.; Latham, G. P.: A Theory of Goal Setting and Task Performance, 1990, Englewood Cliffs.
  • Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: Freeman. (hieraus insbesondere Kapitel 1, 2 und 6) [Soz.wis.: 4500 Ba 214 se]
  • Cleary, T. & Zimmerman, B.J. (2004). Self-regulation empowerment program: A schoolbased program to enhance self-regulated and self-motivated cycles of student learning. Psychology in the schools, 41 (5), 537-550.
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  • Schachinger, Helga, Das Selbst, die Selbsterkenntnis und das Gefühl für den eigenen Wert. 2005, ISBN 3-456-84188-4
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