Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen

Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen

Der sexuelle Missbrauch widerstandsunfähiger Personen ist eine Straftat nach § 179 des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB), die sich gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung von psychisch Kranken, geistig Behinderten und Bewusstlosen richtet. Der Straftatbestand bezieht sich auf den Missbrauch. Er ist daher den §§ 174, 176 StGB weit näher zugeordnet als den Tatbeständen der sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung. Anders als bei diesen Delikten kommt es auf den Einsatz von Gewalt nicht an.

Für das Opfer spielt weder das Geschlecht, noch das Alter, noch der Wohnort (zum Beispiel Wohnheim, betreutes Wohnen) oder die Art der Krankheit eine Rolle. Entscheidend ist allein, dass das Opfer beim Zeitpunkt der Tat zum Widerstand unfähig war.

Inhaltsverzeichnis

Tatbestand

(1) Wer eine andere Person, die
  1. wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder
  2. körperlich
zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder sich von ihr vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine widerstandsunfähige Person (Absatz 1) dadurch missbraucht, dass er sie unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit dazu bestimmt, sexuelle Handlungen von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen.
(3) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu erkennen.
(4) Der Versuch ist strafbar.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren ist zu erkennen, wenn
  1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind,
  2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird oder
  3. der Täter das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.
(6) In minder schweren Fällen des Absatzes 5 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(7) § 177 Abs. 4 Nr. 2 und § 178 gelten entsprechend.

Als widerstandsunfähig nach diesem Tatbestand gilt die Person, wenn sie nicht im Stande ist, einen Widerstandswillen gegenüber dem Täter zu bilden oder zu äußern. Es muss jedoch kein Widerstand gegen eine möglicherweise ausgeübte Gewalt sein, es reicht der Widerstand gegen das sexuelle Ansinnen überhaupt aus. Der Verweis in Abs. 7 auf die Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 2 StGB bezieht sich auf die Ausübung der Tat durch eine schwere Misshandlung oder Herbeiführung einer Lebensgefahr. Der Verweis auf die Erfolgsqualifikation des § 178 StGB bezieht sich auf eine mindestens leichtfertig verursachte Todesfolge. Die Rechtsfolgen in diesen bestimmen sich auch nach den Delikten.

Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 1. April 2003

Als widerstandsunfähig im Sinne des § 179 StGB gilt, wer aus den in Absatz 1 genannten Gründen keinen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen bilden, äußern oder durchsetzen kann. Allein die Feststellung einer § 20 StGB unterfallenden geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung genügt nicht, um die Annahme einer Widerstandsunfähigkeit im Sinne des § 179 StGB zu begründen. Es muss sachkundig (das heißt von Fachärzten) belegt sein, dass das Opfer keinen Widerstand leisten konnte. Der "persönliche Eindruck" vom Opfer während der Hauptverhandlung reicht nicht aus, um über dessen Widerstandsfähigkeit in sexuellen Angelegenheiten zu entscheiden.

Weitere Unterfälle

Auch der Schlaf oder die völlige Erschöpfung eignen sich nach Entscheidungen des Bundesgerichtshofs als tauglicher widerstandsunfähiger Zustand im Sinne des Tatbestandes.

Literatur

  • Dirk Wüstenberg: Die Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts des Betreuten. In: Betreuungsrechtliche Praxis (BtPrax) 2006, S. 12-15.
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