- Bundesgerichtshof
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Bundesgerichtshof
— BGH —Staatliche Ebene Bund Stellung der Behörde Oberster Gerichtshof des Bundes Aufsichtsbehörde(n) Bundesministerium der Justiz Gründung 1. Oktober 1950[1] Hauptsitz Karlsruhe Behördenleitung Klaus Tolksdorf, Präsident des Bundesgerichtshofs Website www.bundesgerichtshof.de Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ist das oberste deutsche Gericht auf dem Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit und damit letzte Instanz in Zivil- und Strafverfahren. Ferner ist er für verwandte Spezialrechtsgebiete zuständig wie etwa das Berufsrecht in der Rechtspflege.
Er ist neben dem Bundesarbeitsgericht, Bundesfinanzhof, Bundessozialgericht und Bundesverwaltungsgericht einer der fünf obersten Gerichtshöfe des Bundes.
Nicht zu verwechseln ist der BGH mit dem Bundesverfassungsgericht, das ebenfalls in Karlsruhe sitzt.
Gründung und Sitz
Der Bundesgerichtshof wurde 1950 gegründet. Er hat seinen Hauptsitz in Karlsruhe, im ehemaligen Erbgroßherzoglichen Palais. Der 5. Strafsenat des BGH hat seinen Sitz in der Villa Sack in Leipzig. Ursprünglich sollte nach der Wiedervereinigung der gesamte BGH in das historische Reichsgerichtsgebäude in Leipzig ziehen. Jedoch weigerten sich die Richter, Karlsruhe zu verlassen. Leipzig erhielt nur den 5. Strafsenat, der zuvor als einziger BGH-Senat zur Pflege der „gewachsenen Verbindungen zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik“ in Berlin residiert hatte. In das Reichsgerichtsgebäude zog am 22. August 2002 das bis dahin ebenfalls in Berlin ansässig gewesene Bundesverwaltungsgericht.
Gerichtsorganisation
Der BGH ist in Senate gegliedert, die mit je einem Vorsitzenden Richter und vier Beisitzern besetzt sind. Es gibt:
- dreizehn (einschließlich eines Hilfssenats) Zivilsenate (mit römischen Zahlen durchnummeriert)
- fünf Strafsenate (der fünfte mit Sitz in Leipzig) (mit arabischen Zahlen durchnummeriert)
- acht Spezialsenate
- Landwirtschaftssachen
- Anwaltssachen
- Notarsachen
- Patentanwaltssachen
- Wirtschaftsprüfersachen
- Steuerberatersachen (für Steuern ist der Bundesfinanzhof in München das oberste Gericht)
- Kartellsenat
- Dienstgericht des Bundes (mit Ausnahme der Verfahren in Wehrdienstsachen, die dem Bundesverwaltungsgericht speziell zugewiesen sind)
Von 2003 bis Ende 2004 bestand zusätzlich ein Hilfssenat (IXa-Zivilsenat). 2009 wurde erneut ein Hilfssenat eingerichtet (Xa-Zivilsenat).
Für die Entscheidungen über Ermittlungsanträge des Generalbundesanwalts in Strafverfahren (z. B. Hausdurchsuchung, Beschlagnahme, Haftbefehl) sind wie bei jedem Strafgericht besondere Ermittlungsrichter bestellt. Diese Richter sind Mitglieder der oben aufgeführten Strafsenate. Ihre Entscheidungen können in bestimmten Fällen (§ 304 Abs. 5 StPO) durch Beschwerde angefochten werden, über welche ein Strafsenat des Bundesgerichtshofs entscheidet (kleiner Devolutiveffekt).
Geschäftsverteilung
Die Verteilung der einzelnen Verfahren auf die verschiedenen Senate ist im Geschäftsverteilungsplan des Gerichts geregelt. Das Prinzip des gesetzlichen Richters verlangt, dass von vorne herein nach abstrakt-generellen Kriterien festgelegt ist, welcher Senat in welcher Besetzung für einen Fall zuständig ist, bevor der Bundesgerichtshof für eine Rechtssache zuständig wird. Auf diese Weise sollen Interessenkonflikte weitgehend ausgeschlossen sein.
Der Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs regelt die Zuständigkeit der Senate dabei in Zivilsachen nach den betroffenen Rechtsmaterien, in Strafsachen in der Regel danach, welches Gericht die angegriffene Entscheidung erlassen hat. Zusätzlich sind den Strafsenaten Sonderzuständigkeiten zugewiesen, so etwa dem 3. Strafsenat, der daher als Staatsschutzsenat bezeichnet wird. Der vollständige Geschäftsverteilungsplan steht auf den Seiten des Bundesgerichtshofs zum Download zur Verfügung.
Gegenwärtig bestehen im Groben folgende Zuständigkeiten:
- Zivilsenate
- I. Zivilsenat: Urheberrecht, Markenrecht, unlauterer Wettbewerb
- II. Zivilsenat: Gesellschaftsrecht
- III. Zivilsenat: Staatshaftungsrecht
- IV. Zivilsenat: Erbrecht
- V. Zivilsenat: Sachenrecht
- VI. Zivilsenat: Recht der unerlaubten Handlungen
- VII. Zivilsenat: Werkvertragsrecht
- VIII. Zivilsenat: Kaufrecht und Mietrecht
- IX. Zivilsenat: Haftung der Rechtsanwälte und Steuerberater, Insolvenzrecht
- X. Zivilsenat: Patent-, Gebrauchsmusterrecht (hälftig geteilt mit dem Xa-Zivilsenat), Vergaberecht
- Xa-Zivilsenat: Patent-, Gebrauchsmuster-, Sortenschutzrecht, Reisevertragsrecht, Schenkung
- XI. Zivilsenat: Bankrecht
- XII. Zivilsenat: Familienrecht sowie gewerbliches Miet- und Pachtrecht
- Strafsenate
- 1. Strafsenat: die Revisionen in Strafsachen für die Bezirke der Oberlandesgerichte Bamberg, Karlsruhe, München, Nürnberg und Stuttgart sowie Militärstrafsachen und Vergehen gegen die Landesverteidigung sowie Steuer- und Zollstrafsachen;
- 2. Strafsenat: die Revisionen in Strafsachen für die Bezirke der Oberlandesgerichte Frankfurt am Main, Jena, Koblenz und Köln;
- 3. Strafsenat: die Revisionen in Strafsachen für die Bezirke der Oberlandesgerichte Celle, Düsseldorf, Oldenburg und Schleswig sowie Staatsschutzdelikte;
- 4. Strafsenat: die Revisionen in Strafsachen für die Bezirke der Oberlandesgerichte Hamm, Naumburg, Rostock, Saarbrücken und Zweibrücken sowie Verkehrsstrafsachen;
- 5. Strafsenat (Sitz: Leipzig): die Revisionen in Strafsachen für den Bezirk des Berliner Kammergerichts sowie für die Bezirke der Oberlandesgerichte Brandenburg, Braunschweig, Bremen, Dresden und Hamburg;
Aufgaben
Der Bundesgerichtshof soll durch seine Rechtsprechung die Rechtseinheit wahren und das Recht fortbilden.
Darüber hinaus nimmt das Gericht eine Vorreiterrolle im elektronischen Rechtsverkehr wahr, weshalb dort seit 2001 elektronische Dokumente eingereicht werden können. Der BGH war an der Entwicklung von XJustiz[2] maßgeblich beteiligt, mit dem bundesweit einheitliche Standards für den Austausch elektronischer Informationen geschaffen werden sollen.
Seit September 2007 können elektronische Dokumente in Form des ISO-zertifizierten OpenDocument-Formats beim Bundespatentgericht (und beim Bundesgerichtshof) eingereicht werden.[3]
Veröffentlichung der Entscheidungen
Der Bundesgerichtshof veröffentlicht seine Entscheidungen seit 2000 in elektronischer Form (anonymisiert) auf seiner Website im Internet. Von den Richtern des Bundesgerichtshofs (und den Mitgliedern der Bundesanwaltschaft) werden die Entscheidungssammlungen BGHZ, BGHSt (vom Bundesgerichtshof in erster Linie zitiert, aber im strengen Sinn keine amtliche Sammlung) und BGHR herausgegeben. Lediglich der Veröffentlichung von BGH-Entscheidungen (zum Teil mit Besprechung) ist die vierzehntäglich erscheinende Zeitschrift BGH-Report gewidmet. Daneben veröffentlichen viele juristische Fachzeitschriften Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Kostenpflichtig stehen die Entscheidungen (seit etwa 1984 im Wesentlichen vollständig, davor lückenhaft) in der Datenbank juris zur Verfügung.
Die Pressestelle des Bundesgerichtshofs veröffentlicht häufig Pressemitteilungen zu anstehenden und ergangenen Entscheidungen sowie zum Zu- und Abgang von Richtern usw.
Bestellung der Richter
Die Richter am Bundesgerichtshof tragen durch die oben angeführten Aufgaben eine besondere Verantwortung. Durch die Auswahl der Richter kann die Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland erheblich beeinflusst werden. Deshalb wird die Auswahl der Richter von einem Richterwahlausschuss vorgenommen. Diesem gehören die Justizminister der Länder und 16 vom Bundestag gewählte Mitglieder an. Die Richter werden vom Bundespräsidenten ernannt. Der Bundesgerichtshof gibt durch seinen Präsidialrat eine Stellungnahme zu einem Bewerber ab, diese Stellungnahme ist aber für den Richterwahlausschuss nicht bindend.
Rechtsanwälte
Vor dem Bundesgerichtshof können in Zivilsachen grundsätzlich (abgesehen von Patent-Nichtigkeitsverfahren) nur besonders zugelassene Rechtsanwälte auftreten. Die Zulassung erfolgt durch das Bundesministerium der Justiz (§ 170 BRAO). Zugelassen werden kann nur, wer durch den Wahlausschuss für Rechtsanwälte bei dem Bundesgerichtshof benannt wird (§ 164 BRAO). Der Wahlausschuss besteht aus dem Präsidenten und den Senatspräsidenten der Zivilsenate des Bundesgerichtshofes sowie aus den Mitgliedern des Präsidiums der Bundesrechtsanwaltskammer und des Präsidiums der Rechtsanwaltskammer bei dem Bundesgerichtshof (§ 165 BRAO). Ob diese Zulassungsbeschränkung mit Verfassungsrecht (Art. 12 GG) vereinbar ist, wird seit Jahren immer wieder aufs Neue diskutiert. Der BGH hat es mit Beschluss vom 5. Dezember 2006[4] bejaht, und die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Kammerbeschluss vom 27. Februar 2008[5] nicht zur Entscheidung angenommen.
Die beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte sind Pflichtmitglieder der Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof und nur dort zugelassen (Singularzulassung).
Präsidenten des Bundesgerichtshofes
Präsidenten des Bundesgerichtshofes Nr. Name Lebensdaten Amtsantritt Ende der Amtszeit 1 Hermann Weinkauff 1894–1981 1. Oktober 1950 31. März 1960 2 Bruno Heusinger 1900–1987 1. April 1960 31. März 1968 3 Robert Fischer 1911–1983 1. April 1968 30. September 1977 4 Gerd Pfeiffer 1919–2007 1. Oktober 1977 31. Dezember 1987 5 Walter Odersky * 1931 1. Januar 1988 31. Juli 1996 6 Karlmann Geiß * 1935 1. August 1996 31. Mai 2000 7 Günter Hirsch * 1943 15. Juli 2000 31. Januar 2008 8 Klaus Tolksdorf * 1948 1. Februar 2008 Verhältnis zum Europäischen Gerichtshof
Hat der Bundesgerichtshof Recht der Europäischen Union anzuwenden, so ist er gemäß Art. 267 AEUV grundsätzlich verpflichtet, eine noch ungeklärte Rechtsfrage vorab im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg vorzulegen. Diese Verpflichtung ergibt sich daraus, dass Entscheidungen des Bundesgerichtshofes nicht mehr mit innerstaatlichen Rechtsmitteln angegriffen werden können.
Bedeutung des Bundesgerichtshofs für Österreich
Der BGH ist auch für die österreichische Rechtswissenschaft von Bedeutung: Das österreichische Handelsrecht, das bis zur Einführung des Unternehmensgesetzbuchs am 1. Januar 2007 als wichtigstes Gesetz das 1938 in Österreich eingeführte deutsche Handelsgesetzbuch (HGB) kannte, orientiert sich in Auslegungsfällen bevorzugt an Entscheidungen des BGH.
Siehe auch
- Liste der deutschen Bundesrichter
- Liste deutscher Gerichte
- Reichsgericht
- Großer Senat
- Oberstes Gericht (oberste Gerichte in anderen Staaten)
Einzelnachweise
- ↑ http://www.bundesgerichtshof.de/docs/broschuerebgh_2007.pdf
- ↑ XJustiz: Elektronischer Rechtsverkehr mit XML
- ↑ Inhaltsverzeichnis
- ↑ BGH AnwZ 2/06
- ↑ BVerfG 1 BvR 1295
Weblinks
Commons: Bundesgerichtshof – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Website des Bundesgerichtshofes
- Selbstdarstellung des BGH in Form einer Broschüre auf dem Stand von Oktober 2007 (auch in englischer Sprache verfügbar) (PDF-Datei; 371 kB)
Verfassungsgerichtsbarkeit: Bundesverfassungsgericht
Ordentliche Gerichtsbarkeit: Bundesgerichtshof | Bundespatentgericht
Arbeitsgerichtsbarkeit: Bundesarbeitsgericht
Finanzgerichtsbarkeit: Bundesfinanzhof
Sozialgerichtsbarkeit: Bundessozialgericht
Verwaltungsgerichtsbarkeit: Bundesverwaltungsgericht | Truppendienstgericht Nord | Truppendienstgericht Süd
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