Sinzheimer

Sinzheimer

Hugo (eigentlich: Hans Daniel) Sinzheimer (* 12. April 1875 in Worms; † 16. September 1945 in Bloemendaal-Overveen, Niederlande) war ein deutscher Rechtswissenschaftler.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Beruf

Nach dem Abitur auf dem Gymnasium in Worms 1894 begann Sinzheimer, der jüdischen Glaubens war, zunächst eine kaufmännische Lehre, die er aber schon nach einem Jahr abbrach. Anschließend studierte er in München, Berlin, Freiburg im Breisgau, Marburg und Halle (Saale) Rechtswissenschaften und Nationalökonomie. Während des Studiums trat er dem staatswissenschaftlichen Verein Berlin bei. Nach seiner Promotion zum Doktor der Rechte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 1902 ließ er sich 1903 als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main nieder. Als Rechtsanwalt vertrat er vielfach politische und gewerkschaftliche Mandanten. Wesentliche Rechtsprinzipien waren für ihn die Würde und Freiheit des Menschen; er stand dem Humanismus und der Freirechtsbewegung nahe.

Hugo Sinzheimer wird in Deutschland auch als Vater des Arbeitsrechts bezeichnet. 1914 wurde er Mitherausgeber der Zeitschrift Arbeitsrecht. Zudem war er Rechtsberater des Deutschen Metallarbeiterverbandes. Während der Novemberrevolution war er provisorischer Polizeipräsident von Frankfurt am Main. Er war ab 1920 Professor für Arbeitsrecht und Rechtssoziologie an der Universität Frankfurt. Er initiierte 1921 die Gründung der Akademie der Arbeit. 1925 übernahm er bis 1931 gemeinsam mit Gustav Radbruch und Wolfgang Mittermaier die Herausgeberschaft der Zeitschrift Die Justiz, der Publikation des Republikanischen Richterbundes. In der Weimarer Republik war er mehrfach als Schlichter in Tarifkonflikten eingesetzt und setzte, obwohl eigentlich gewerkschaftsnah, während des Metallarbeiterstreiks von 1930 zwei Lohnkürzungen durch. Im Jahr 1928 berief der ADGB eine hochrangig besetzten Kommission ein zu der neben Sinzheimer unter anderem Fritz Baade, Rudolf Hilferding, Erik Nölting und Fritz Naphtali gehörten. Aufgabe war die Erarbeitung eines wirtschaftspolitischen Grundsatzprogramms. Die Ergebnisse veröffentlichte Napthali in seinem Buch Wirtschaftsdemokratie. Ihr Wesen, Weg und Ziel (1928).

1933 wurde der bekennende Jude seiner Professur enthoben, worauf er in die Niederlande emigrierte, wo er Professor für Rechtssoziologie zunächst in Amsterdam und später in Leiden wurde. Nach dem deutschen Einmarsch in die Niederlande wurde er 1940 für mehrere Monate verhaftet, dann jedoch wieder freigelassen. Er überlebte die Judenverfolgung des Nationalsozialismus im niederländischen Untergrund.

Das Sinzheimer Institut der Fakultät der Rechtswissenschaft der Universität von Amsterdam ist ebenso nach Sinzheimer benannt wie eine Straße in Frankfurt am Main. Die Otto-Brenner-Stiftung verleiht ihm zu Ehren den Hugo-Sinzheimer-Preis für herausragende Dissertationen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und der Arbeitsrechtssoziologie.

Partei

Während seiner Studienzeit gehörte Sinzheimer linksliberalen Organisationen an. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 trat Sinzheimer der SPD bei, wo er sich dem Hofgeismarer Kreis anschloss.

Abgeordneter

Sinzheimer war 1919/20 Mitglied in der verfassunggebenden Weimarer Nationalversammlung. Dort begründete er am 16. Juli 1919 den Antrag seiner Fraktion, den Passus „Die Todesstrafe ist abgeschafft“ in die Verfassung aufzunehmen. Bereits im Juni 1919 hatte er versucht Reichsarbeitsminister zu werden. Er unterlag aber in einer fraktionsinternen Abstimmung mit 35 zu 69 Stimmen gegen Alexander Schlicke[1]. Von 1917 bis 1933 war er Stadtverordneter in Frankfurt am Main.

Einzelnachweise

  1. Eberhard Kolb, Friedrich Ebert als Reichspräsident - Amtsführung und Amtsverständnis, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1997, ISBN 3-486-56107-3, Seite 39, Fußnote 98.

Veröffentlichungen

  • Lohn und Aufrechnung. Ein Beitrag zur Lehre vom gewerblichen Arbeitsvertrag auf reichsrechtlicher Grundlage, Diss. Univ. Heidelberg, Berlin 1902.
  • Der korporative Arbeitsnormenvertrag, Leipzig 1907
  • Brauchen wir ein Arbeitstarifgesetz? Rechtsfragen des Tarifvertrags, Jena 1913.
  • Ein Arbeitstarifgesetz. Die Idee der sozialen Selbstbestimmung im Recht, 1916.
  • Grundzüge des Arbeitsrechts, Jena 1921.
  • Das Problem des Menschen im Recht, Groningen 1933.
  • Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, Amsterdam 1938.
  • Theorie der Gesetzgebung. Die Idee der Evolution im Recht, Haarlem 1949 (postum)

Literatur

  • Keiji Kubo, Hugo Sinzheimer – Vater des deutschen Arbeitsrechts, C.H. Beck, Nördlingen 1985.
  • Susanne Knorre, Soziale Selbstbestimmung und individuelle Verantwortung. Hugo Sinzheimer (1875-1945). Eine politische Biographie, Frankfurt am Main 1991.
  • Hubert Rottleuthner, Drei Rechtssoziologen: Eugen Ehrlich, Hugo Sinzheimer, Max Weber, in: Erk Volkmar Heyen (Hrsg): Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, Frankfurt am Main 1986, S. 227 bis 252.

Weblinks


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