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Sonderbundskrieg
Der Sonderbundskrieg 1847Datum 3. November 1847–29. November 1847 Ort Schweiz Ausgang Sieg der liberalen Kantone Konfliktparteien Sonderbund
Schweiz
Zürich
Bern
Glarus
Solothurn
Basel-Stadt
Basel-Landschaft
Schaffhausen
Appenzell-Ausserrhoden
St. Gallen
Graubünden
Aargau
Thurgau
Tessin
Waadt
Genf
Neutrale Kantone
Neuenburg und
Appenzell-InnerrhodenBefehlshaber Johann-Ulrich von Salis-Soglio Henri Dufour Truppenstärke 79000 Mann und 88 Geschütze 99000 Mann und 172 Geschütze Verluste 26 Tote und 114 Verwundete 60 Tote und 386 Verwundete Der Sonderbundskrieg war ein Bürgerkrieg in der Schweiz. Er dauerte vom 3. November bis zum 29. November 1847, also nur 27 Tage, und war die letzte militärische Auseinandersetzung auf Schweizer Boden. Als Ergebnis wurde durch die Bundesverfassung (Schweiz) vom 12. September 1848 die Schweiz vom Staatenbund zum Bundesstaat geeint.
Inhaltsverzeichnis
Anlass
Anlass für den Krieg war die Gründung des sogenannten Sonderbundes durch die konservativ regierten, katholischen Kantone Luzern, Schwyz, Uri, Zug, Ob- und Nidwalden, Freiburg und Wallis. Ziel des Bundes war die Abwehr der von den liberalen Ständen geduldeten Freischarenzüge gegen konservativ regierte Kantone und die Verteidigung des katholischen Glaubens gegen die liberalen, mehrheitlich reformierten Kantone.
Vorgeschichte
Die Badener Artikel
Als Folge der Julirevolution 1830 zerbrach die durch die Restauration vermeintlich festgefügte konservative Macht in der Schweiz. In zwölf Kantonen wurde während der sog. Regeneration die Verfassungen im Sinne der Liberalen umgestaltet. Dadurch geriet die bisher praktizierte Einvernehmlichkeit von Kirche und Staat in Gefahr, da eine zentrale Forderung des Liberalismus darin bestand, die Kirche der staatlichen Kontrolle zu unterwerfen und insbesondere den Einfluss der Kirche im Erziehungswesen zurückzudrängen. Dies weckte vor allem im katholischen, aber auch im reformierten Klerus Widerstand. Die katholische Kirche war tendenziell stärker betroffen, da die Eingriffe der Kantone in das Kirchenleben eine direkte Konkurrenz der päpstlichen Macht darstellten. Den Katholiken sagte man damals nach, sie seien direkt von Rom gesteuert und bezeichnete sie deshalb als „Ultramontane“.
Am 20. Januar 1834 beschlossen die Kantone Luzern, Bern, Zug, Solothurn, Basel-Landschaft, St. Gallen, Aargau und Thurgau in einer Konferenz in Baden die Badener Artikel, um die staatlichen Ansprüche gegenüber der katholischen Kirche durchzusetzen. In St. Gallen scheiterte die Durchführung 1835 aber in einer Volksabstimmung, Bern trat ebenfalls 1835 infolge der Erregung im katholischen Jura von den Beschlüssen zurück.
Putsch in Zürich (Züriputsch)
In Zürich kam es zu einer konservativ-reformierten Auflehnung gegen die liberale Regierung, als 1839 der Verfasser des umstrittenen theologischen Werkes «Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet», David Friedrich Strauss, an die neugegründete Hochschule berufen wurde: Ein Bauernhaufen rückte am 6. September in die Stadt Zürich ein und erzwang den Sturz der liberalen und die Einsetzung einer konservativen Regierung.
Konservative Wende in Luzern
In dem bisher freisinnigen Luzern erlangten die von Josef Leu und Constantin Siegwart-Müller geführten Ultramontanen am 1. Mai 1841 bei einer von ihnen ins Werk gesetzten Verfassungsrevision den Sieg. Dadurch ermutigt, forderten sie von der Tagsatzung, dass der Kanton Aargau gezwungen werde, die im Januar 1841 aufgehobenen Klöster des Kantons (siehe Aargauer Klosterstreit) wiederherzustellen. Der Aargau wehrte sich gegen den Entschluss, und als sich die Tagsatzung am 31. August 1843 mit dem Anerbieten Aargaus zufrieden erklärte, der erwähnten Forderung nur hinsichtlich der vier Frauenklöster nachzukommen, vereinigten sich die Kantone Luzern, Zug, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Wallis und Freiburg im September 1843 zu dem Beschluss, sich von der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu trennen, wenn die Aargauer Klöster nicht vollständig wiederhergestellt würden.
Berufung der Jesuiten und Freischarenzug
Die gewaltsame Niederwerfung der Liberalen im Wallis durch die Ultramontanen und die Berufung der Jesuiten an die höheren Lehranstalten von Luzern steigerten den Parteienhass aufs höchste. Im Vertrauen auf Freischaren aus anderen Kantonen versuchten die Luzerner Radikalen am 8. Dezember 1844, die klerikale Regierung mit Gewalt zu beseitigen (siehe Freischarenzüge); das Unternehmen scheiterte kläglich und wurde von den konservativen Kräften dazu benutzt, durch Einkerkerungen, Verbannungen und Gütereinziehungen ihre Gegner zu vernichten. Ebenso wurde ein Angriff von Freischärlern unter dem früheren Luzerner Regierungsrat Robert Steiger und dem Berner Ulrich Ochsenbein auf Luzern am 31. März 1845 blutig zurückgewiesen und auf der Flucht 104 Freischärler erschlagen, ca. 1800 gefangengenommen.
Der Sonderbund
Die Furcht vor weiteren Freischarenzügen und die Ermordung des konservativen Politikers Josef Leu durch einen Freischärler veranlassten die konservativen Kantone im Dezember 1845 einen förmlichen Bund abzuschliessen und denselben zum etwaigen Widerstand gegen widerrechtliche Beschlüsse der Tagsatzung militärisch zu organisieren. Der Bundesvertrag von 1815 hatte das Bestehen der Klöster garantiert. Zudem befürchteten die konservativen Kantone Einmischungen eines liberal regierten Bundesstaates in ihre bisherigen Kompetenzen. Die Stimmung im katholischen Volk wurde durch Politiker und Priester weiter angeheizt, da man ihm verkündete, der katholische Glaube würde durch die liberalen Kantone bedroht. Insbesondere in der Innerschweiz zog die Bevölkerung eine Parallele zu dem blutigen Einmarsch der Franzosen 1798 und befürchtete das Schlimmste.
Die Reaktion der Liberalen
Sobald die Existenz und der Inhalt des anfangs geheim gehaltenen Bündnisses bekannt wurde, beantragte Zürich im Sommer 1846 bei der Tagsatzung, den Sonderbund gemäss dem Bundesvertrag für aufgelöst zu erklären. Der Antrag erhielt aber erst die erforderliche Mehrheit der Stimmen der Kantone, nachdem im Juli 1847 in Genf und St. Gallen die liberale Partei an die Macht gekommen war. Zusätzlich wurde eine Revision des Bundesvertrages und die Ausweisung des Jesuitenordens aus der Schweiz beschlossen. Da die sieben Sonderbundskantone, auf Österreichs und Frankreichs Hilfe vertrauend, allen Mahnungen und Vermittlungsversuchen unzugänglich blieben und eifrig rüsteten, entschied sich die Tagsatzung zu Bern am 4. November 1847 zur Anwendung von Waffengewalt. Zwar stand die gewaltsame Auflösung des Sonderbundes gestützt auf den 1815 aus konservativem Zeitgeist heraus entstandenen Bundesvertrag juristisch auf wackligem Fundament. Die liberalen Kantone waren indes nicht bereit, sich in dieses rechtliche Korsett einbinden zu lassen.
Kriegshandlungen
Die Kriegshandlungen wurden durch den Einfall der Sonderbundstruppen am 3. November ins Tessin eröffnet. Am 12. November erfolgt ein weiterer Vorstoss ins aargauische Freiamt. Beide Expeditionen scheitern jedoch. Im Tessin kehrten die Truppen nach dem Tod ihrer führenden Offiziere um. Im Freiamt trafen die Sonderbundstruppen beim Gefecht von Geltwil und beim Gefecht bei Lunnern auf Verbände der eidgenössischen Armee – beide Treffen endeten ohne entscheidenden Sieg der Angreifer im allgemeinen Chaos.
Die eidgenössische Armee von fast 100.000 Mann unter dem General Guillaume-Henri Dufour rückte ab dem 11. November gegen die Sonderbundskantone vor. Die Kantone Appenzell-Innerrhoden und Neuenburg erklärten ihre Neutralität und schickten keine Truppen. Zuerst wurde am 14. November das vom restlichen Sonderbund isolierte Freiburg zur Kapitulation gezwungen, dann begann die Planung, gegen Luzern, die Hochburg des Sonderbundes, vorzugehen. Während die Operation gegen Luzern vorbereitet wurde, kam die Meldung, dass am 17. November eine Kolonne der Sonderbundstruppen den Sankt Gotthard überquert und eidgenössische Truppen im Tessin in die Flucht geschlagen hatte.
Am 22. November begann der Angriff gegen Luzern. Während dieser Auseinandersetzungen achtete Dufour streng auf die Einhaltung humanitärer Grundsätze bei den Kampfhandlungen. Der überlieferte Grundsatz von General Dufour „Il faut sortir de cette lutte non seulement victorieux, mais aussi sans reproche“ („Wir müssen aus diesem Kampf nicht nur siegreich, sondern auch ohne Vorwurf hervorgehen.“) galt als Führungsmaxime an seine unterstellten Kommandanten. Die von Johann-Ulrich von Salis-Soglio befehligten Truppen des Sonderbundes wurden am 23. November bei Gisikon, Meierskappel und Schüpfheim geschlagen, worauf Luzern am 24. November kapitulierte und besetzt wurde. Die übrigen Innerschweizer Kantone des Sonderbunds beschlossen am Tag darauf bei einer Konferenz in Brunnen ebenfalls die Kapitulation; als letzter Kanton ergab sich am 1. Dezember das Wallis. Nach offiziellen Angaben hat der Sonderbundskrieg 150 Menschen das Leben gekostet und rund 400 Verletzte gefordert.
Folgen
Die Verfassungen und Regierungen in den besiegten Kantonen wurden durch die Kriegssieger in liberalem Sinn revidiert. Ausserdem mussten die Verlierer die Kriegskosten durch hohe Reparationszahlungen begleichen. Die in Luzern wieder an die Macht gelangten Liberalen lösten zur Schuldentilgung weitere Klöster im Kanton auf.
Eine Kollektivnote Österreichs, Preussens, Frankreichs und Russlands vom 18. Januar 1848 erklärte allerdings, dass diese Mächte keine Veränderung der Bundesakte von 1815 zulassen würden, die mit der Souveränität der Kantone in Widerspruch stehe. Die von den Kriegssiegern beherrschte Tagsatzung wies mit Entschiedenheit diese Einmischung zurück. Aufgrund der angespannten innenpolitischen Lage in Frankreich (Februarrevolution) und in Deutschland (Märzrevolution) blieben Konsequenzen indessen aus.
Die Verfassung von 1848
Der Ausgang des Kriegs entschied auch den Sieg der Bundesrevision: Die Tagsatzung beschloss unter Missachtung der Revisionsregeln im geltenden Bundesvertrag (der für Vertragsänderungen, wie bei einem Staatenbund üblich, Einstimmigkeit oder zumindest Geltung der geänderten Regelungen nur für die zustimmenden Stände erforderte) nach dem Muster der USA die in ihren Grundzügen bis heute bestehende Bundesverfassung: Nach dieser Veränderung bildete die Schweiz anstelle des von den souveränen Kantonen gebildeten losen Staatenbundes einen fester gefügten Bundesstaat ohne Austrittsrecht einzelner Kantone.
Dem Bund wurden das ausschliessliche Recht über Krieg und Frieden, der Verkehr mit dem Ausland, das Zoll-, Post- und Münzwesen, Mass und Gewicht, die Organisation des Bundesheers, der höhere Militärunterricht, die Garantie republikanisch-demokratischer Kantonalverfassungen, der politischen Rechtseinheit, der Glaubensfreiheit, der Presse- und Vereinsfreiheit usw. übertragen.
An Stelle der Tagsatzung trat eine in ihrer Stimmabgabe freie Bundesversammlung, bestehend aus der Vertretung der Kantone (Ständerat) und des Schweizer Volkes (Nationalrat), an Stelle des bisherigen wechselnden Vorortes trat als höchste vollziehende Behörde eine siebenköpfige Kollegialbehörde, der Bundesrat; ebenso wurde ein Bundesgericht eingesetzt.
Über die neue Verfassung wurde in den meisten Kantonen abgestimmt. Im Kanton Freiburg wurde die Verfassung vom Grossen Rat ratifiziert, da man eine Ablehnung durch das Volk befürchtete. Im Kanton Luzern zählte die liberale Regierung die nicht Stimmenden zu den Befürwortern und erzielte so eine Annahme. So resultierte ein klares Resultat: Die Tagsatzung stellte fest, dass 15½ Kantone mit 1’897’887 Einwohnern gegen 6½ verwerfende mit 292’371 Einwohnern die neue Verfassung angenommen hatten. Vom zuvor gepflegten Prinzip der Gleichheit der Kantone ging die Tagsatzung neu zum Mehrheitsprinzip über, erklärte die Verfassung am 12. September 1848 als angenommen und löste sich auf. Der Verfassungshistoriker Alfred Kölz betrachtet dieses Vorgehen als „formell unrechtmässig und mithin revolutionär“.
Die erste Bundesversammlung trat am 6. November in Bern, das zum Bundessitz bestimmt wurde, zusammen und wählte den ersten Bundesrat.
Literatur
- Erwin Bucher: Die Geschichte des Sonderbundskrieges. Verlag Berichthaus, Zürich 1966.
- Joachim Remak: Bruderzwist nicht Brudermord. Der Schweizer Sonderbundskrieg von 1847. Verlag Orell Füssli, Zürich 1997.
Weblinks
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