Spolien

Spolien
Ein umgedrehtes Medusenhaupt als Säulenbasis, Yerebatan Sarnıçı, Istanbul
Spolien an Schloss Glienicke

Spolien (von lateinisch spolium „Beute, Raub, dem Feind Abgenommenes“) sind Bauteile und andere Überreste wie Teile von Reliefs oder Skulpturen, Friese und Architravsteine, Säulen- oder Kapitellreste, die aus Bauten älterer Kulturen stammen und in neuen Bauwerken wiederverwendet werden. Auch antike Gemmen und Reliefs auf mittelalterlichen Buchdeckeln und Reliquiaren werden Spolien genannt.

Spolien in der Architektur entstanden ursprünglich ohne künstlerische Absicht durch die Verwendung antiker Gebäuderuinen als Steinbruch für Neubauten wie z. B. beim Mausoleum von Halikarnassos oder der Stadt Tralleis, aus deren Steinen die Neugründung Aydın errichtet wurde. Die justinianische Zisterne (Yerebatan Sarnıçı oder Yerebatan Sarayı) in Istanbul wird von hunderten, aus anderen Gebäuden stammenden, meist korinthischen Säulen gestützt, von denen zwei auf monumentalen Medusenhäuptern als Basen aufsitzen.

Spätestens seit der Romanik wurden Spolien auch geplant eingesetzt: So zeigen Kirchen manchmal komplette vorromanische oder westgotische, langobardische und iroschottische Portale (siehe etwa Kirchen und Kapellen in Aachen, Regensburg, Tuscania, Perpignan oder Romainmôtier), die Kathedrale von Syrakus birgt die Säulen eines vormals am gleichen Ort befindlichen griechischen Tempels. Skulpturen aus Byzanz, wie die in Porphyr gehauenen Statuen der Tetrarchen, zieren die Ecke des Dogenpalastes in Venedig, die Säulen der Pfalzkapelle in Aachen stammen aus Ravenna.

Seit der Renaissance wurden Spolien vor allem als romantisches Zitat verwendet. Sie wurden gesammelt und gehandelt, um sie in scheinbarer Zufälligkeit, jedoch gut sichtbar, in Villen und Palästen zu verbauen. In dieser Tradition stehen auch die im 18. und 19. Jahrhundert errichteten künstlichen Ruinen, die allerdings keine Spolien mehr enthalten.

Literatur

  • Friedrich Wilhelm Deichmann: Die Spolien in der spätantiken Architektur. München 1975. (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München, Philosophisch-Historische Klasse; 1975,6) ISBN 3-7696-1473-9
  • Joachim Poeschke (Hrsg.): Antike Spolien in der Architektur des Mittelalters und der Renaissance. München 1996. ISBN 3-7774-6870-3
  • Arnold Esch: Wiederverwendung von Antike im Mittelalter. Die Sicht des Archäologen und die Sicht des Historikers. Berlin 2005. (Hans-Lietzmann-Vorlesungen; 7) ISBN 3-11-018426-5

Weblinks


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  • Spolien — Spolien, 1) Raub, Beute, s. Spolia; 2) die ritterlichen Ehrenzeichen, als Schild, Helm etc. bei Leichenbegängnissen u. anderen Ceremonien; 3) gestreiftes Gewebe zu Tapeten aus Seide u. Linengarn; vgl. Seidenzeuge …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Spolĭen — (lat. Spolia), bei den Römern dem Feinde abgenommene Waffenstücke, auch Kriegsbeute, überhaupt Spolia opima (»fette Beute«), die von dem römischen Feldherrn dem feindlichen Feldherrn im Zweikampf abgenommenen S. Auch die ehedem in Kirchen… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Spolien — Spo|li|en 〈Pl.〉 1. 〈im antiken Rom〉 Beutegut, erbeutete Waffen 2. 〈MA〉 Nachlass (eines Geistlichen) 3. 〈Arch.〉 Teile eines Kunstwerks, die nicht für dieses geschaffen, sondern einem anderen entnommen worden sind [zu lat. spolium „Beute“; zu… …   Universal-Lexikon

  • Spolien — Spo|li|en [...i̯ən] die (Plur.) <aus gleichbed. lat. spolia (Plur.), eigtl. »Abgezogenes«, zu spoliare, vgl. ↑spoliieren, Bed. 2 aus gleichbed. mlat. spolia>: 1. [im antiken Rom] erbeutete Waffen, Beutestücke; vgl. ↑Spolium. 2. beweglicher… …   Das große Fremdwörterbuch

  • Spolien — Spo|li|en [ʃp... , auch sp... ] Plural <lateinisch> (Nachlass katholischer Geistlicher; Architektur aus anderen Bauten wiederverwendete Bauteile) …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Spolie — Ein umgedrehtes Medusenhaupt als Säulenbasis, Yerebatan Sarnıcı, Istanbul …   Deutsch Wikipedia

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  • Spolia — (Latin, spoils ) is a modern art historical term used to describe the re use of earlier building material or decorative sculpture on new monuments. The practice was common in late antiquity (for example, the Arch of Janus, the earlier imperial… …   Wikipedia

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