St.-Antonius-Fieber

St.-Antonius-Fieber
Klassifikation nach ICD-10
T62.2 Toxische Wirkung: Sonstige verzehrte Pflanze(n) oder Teil(e) davon
ICD-10 online (WHO-Version 2006)
Der Isenheimer Altar wurde von Matthias Grünewald für das Antoniterkloster in Isenheim geschaffen und zählt zu den bedeutendsten Kunstwerken des 16. Jahrhunderts. Wer am Antoniusfeuer erkrankte, wurde vor Beginn der medizinischen Behandlung vor den Altar geführt in der Hoffnung, der hl. Antonius könne eine Wunderheilung vollbringen oder dem Kranken zumindest geistlichen Trost spenden.

Als Ergotismus (syn. Ignis sacer - „heiliges Feuer“ oder Antoniusfeuer) bezeichnet man eine Vergiftung durch Mutterkornalkaloide wie Ergotamin, Ergotoxin und Ergometrin.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Im Mittelalter trat Ergotismus als Folge des Verzehrs von Nahrungsmitteln auf, die mit Mutterkorn verunreinigt waren. Der Ergotismus entsteht in der heutigen Zeit meist durch die Einnahme von Medikamenten, die Mutterkornalkaloide und deren Derivate enthalten. Medikamente, die Mutterkornalkaloide oder ihre Abkömmlinge enthalten, finden noch in der Therapie und Prophylaxe der Migräne (z. B. Ergotamin und Dihydroergotamin) und in der Behandlung der Parkinson-Krankheit (z. B. Bromocriptin, Pergolid, Cabergolin oder Dihydroergocryptin) Anwendung. Eine unkontrollierte Dosissteigerung kann dabei zu Ergotismus führen.

Symptomatik

Durch eine Überdosierung von Ergotamin kommt es zur massiven Gefäßverengung der Blutgefäße und in der Folge zu einer Durchblutungsstörung von Herzmuskel, Nieren und Gliedmaßen. Die Gliedmaßen sind kalt und blass, die Pulse sind meist kaum nachweisbar. Zudem bestehen Hautkribbeln (Parästhesie), Empfindungsstörungen (Hypästhesie) und eventuell Lähmungserscheinungen (Parese). Eine häufige Folge ist das Raynaud-Syndrom oder die Steigerung in Form eines schmerzhaften Absterbens von Fingern und Zehen (Gangrän). Zusätzlich bestehen in der Regel Allgemeinsymptome wie Erbrechen, Verwirrtheit, Wahnvorstellungen, Kopfschmerzen, Ohrensausen und Durchfall. Akute Vergiftungen können zum Tod führen durch Atem- oder Herzstillstand.

Diagnostik

Wichtigstes diagnostisches Kriterium ist das Erkennen der Ergotamineinnahme. Die Anamnese und dabei insbesondere die Medikamentenanamnese ist daher meistens entscheidend.

Apparative Untersuchungen können bei Bedarf ergänzend hinzugezogen werden, beispielsweise die Doppler-Sonographie der Extremitätengefäße.

Therapie

Auslösende Medikamente sind als Erstmaßnahme sofort abzusetzen. Ist dies alleine nicht ausreichend, können die Blutgefäße durch die Gabe von Nitraten, Calciumantagonisten und/oder Prostaglandininfusionen erweitert werden.

Geschichte

Detail des Isenheimer Altars – Ein am Antoniusfeuer Leidender

Im Mittelalter wurde die Erkrankung durch den Konsum von mit Mutterkorn-Pilz (Claviceps purpurea) befallenem Roggen verursacht. Man bezeichnete sie als Antoniusfeuer oder auch ignis sacer - „heiliges Feuer“. Vor allem der Antoniter-Orden hatte es sich zur Aufgabe gemacht, am Antoniusfeuer Erkrankte zu behandeln und zu pflegen. Die Antoniter unterhielten im 15. Jahrhundert in ganz Europa etwa 370 Spitale, in denen rund 4000 Erkrankte versorgt wurden.

Eine Reduktion der Vergiftungsfälle konnte erst im 17. Jahrhundert durch die Erkenntnis, dass das Krankheitsbild auf einer Vergiftung durch den Mutterkornpilz beruht, erreicht werden. Einen verspäteten Ausbruch gab es in Dresden in den Jahren 1716 – 1717.

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