Stabkirche Fantoft

Stabkirche Fantoft
Neue Stabkirche von Fantoft

Die Stabkirche Fantoft (oder Stabkirche Fortun) im Bergener Stadtteil Fantoft ist heute ein Nachbau der ehemaligen Stabkirche von Fortun, einem kleinen Dorf an einem Seitenarm des Sognefjords in Norwegen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Originalbau in Fortun

Die ursprüngliche Kirche in Fortun.

Errichtet wurde die Stabkirche wahrscheinlich im frühen 13. Jahrhundert in der Art der dreischiffigen Säulenstabkirchen. Sie diente zwischen ihrer Erbauung und ihrem Abbruch als Gemeindekirche für einige Höfe mit jeweils ca. 15–30 Bewohnern (freie Bauernfamilien und Gesinde) im Fortundalen. Diese Zahl schwankte, hauptsächlich bedingt durch regelmäßige Epidemien, die Norwegen über einen Zeitraum von 200 Jahren etwa alle zehn Jahre in größerem oder kleinerem Ausmaß heimsuchten. Die erste dieser Epidemien, die Pest von 1349/50, raffte etwa die Hälfte der norwegischen Bevölkerung dahin und verwaiste ganze Landstriche. Zwischen 1349 und 1562 ist keine Bevölkerung in der Umgebung nachzuweisen und es wird davon ausgegangen, dass die Kirche über einen Zeitraum von ca. 150 Jahren in Vergessenheit geriet. Nach der Neubesiedelung des Tals muss sie bis ca. 1650 weitgehend unberührt gestanden haben. Seit der Einführung der Reformation in Norwegen im Jahr 1536 war die Kirche offiziell evangelisch-lutherisch. Zwischen 1650 und 1700 wurden dann weitreichende Veränderungen vorgenommen, so wurde z. B. ein Turm hinzugefügt, ein Himmel (zur Verbesserung der internen Temperaturverhältnisse im Winter) versperrte den Blick auf die Dachkonstruktion, und auch der Chor wurde komplett erneuert. Um 1700 wurde das Kirchenschiff von innen bemalt.

Die Giebel waren mit Drachenköpfen geschmückt und das Dach war mit dreifach gebranntem Kiefernharz geteert, um den Witterungseinflüssen besser standzuhalten. Die Kirche umgab ein Laubengang, ein halb offener Umgang, der Schutz vor Wind und Wetter bot und schon früher als allgemeiner Treffpunkt fungierte.

Neuaufbau in Fantoft

Ein Gesetz von 1851, das besagte, dass jede Kirche mindestens 30 Prozent der Gemeinde beherbergen können musste, bedeutete das Aus für die meisten der bis dahin erhaltenen Stabkirchen in Norwegen. Im Jahre 1879 sollte die Kirche zugunsten eines Neubaus abgerissen werden und, wie damals wegen der allgemein herrschenden Armut üblich, als Brennholz verkauft werden. Der Bergener Konsul Fredrik Georg Gade kaufte daraufhin das Gebäude, ließ es zerlegen und errichtete es 1883 auf seinem Grundstück in Fantoft, im Süden der Stadt, neu. Dabei wurde auch versucht, die Kirche in ihren mittelalterlichen Zustand zurückzuversetzen. Da das Schiff weitestgehend erhalten war und archäologische Untersuchungen weiteren Aufschluss auf die ursprüngliche Konstruktion zuließen, konnte das Projekt in kurzer Zeit mit sehr großem handwerklichen Sachverstand realisiert werden. Als Vorlagen für nicht überlieferte Details (Laubengang, Dachreiter, Apsis und äußere Dekorationen) dienten hierbei andere, artverwandte Stabkirchen derselben Region.

Fortan wurde die Kirche nicht mehr Fortun- sondern Fantoft-Stabkirche genannt.

Brandanschlag und Wiederaufbau

Die Kirche brannte am 6. Juni 1992 nach einem Brandanschlag komplett nieder. Nur verkohltes Gebälk und eine verbrannte Eingangstür zeugten von der ehemaligen Kirche. Trotz angeblich recht eindeutiger Indizien konnte der Angeklagte Varg Vikernes nicht verurteilt werden. Die zuständigen Schöffen votierten für nicht schuldig. Die Berufsrichter, für die die Schuldfrage hinreichend geklärt war, hielten diese Entscheidung für einen Fehler, insistierten jedoch nicht darauf, den Prozess neu aufrollen zu lassen, zumal Vikernes wegen anderer Brandanschläge und des Mordes an Øystein Aarseth ohnehin zu 21 Jahren Haft verurteilt worden war.

Im Jahr 1993 wurde der Wiederaufbau anhand alter Zeichnungen, Baupläne von der Rekonstruktion sowie Fotografien begonnen. 1997 konnte der Bau zur Besichtigung wieder freigegeben werden. Die Stabkirche ist heute als nahezu exakte Kopie der Kirche im Zustand von 1883 bis 1992 zu sehen. Beim Wiederaufbau wurde weitgehend auf authentische Techniken und Werkzeuge zurückgegriffen. Die Materialien sind identisch, so wurde z. B. das Bauholz dem gleichen norwegischen Urwald entnommen wie das Original und auch das Taufbecken aus Kleberstein entstammt demselben Steinbruch wie das Original. Auch Bienenwachs (unter anderem zur Versiegelung der Masten) und die ausschließliche Verwendung von Holznägeln tragen zur Authentizität des Neubaus bei. Einziges Teil der alten Innenausstattung ist das metallene Altarkreuz, welches nach dem Brand in der Asche aufgefunden wurde.

Architektur

Plan der ursprünglichen Kirche

Die Kirche ist eine Sechzehn-Mast-Stabkirche, wobei die mittleren Masten der beiden Schmalseiten des Schiffs von der unteren Balkanzangen abgefangen werden. Das Kircheninnern ist schmal. Der Chor hat vorne bei der Apsis und im ersten Drittel je zwei Masten. Von den Masten im Chordrittel geht die kniehohe Balustrade hervor, die sich als Halbkreis durch das zweite Drittel durch den Chor zieht. Im Gegensatz zum Plan besteht zwischen den Masten der Apsis und der Chormasten in der neuen Kirche keine Balustrade.

Dachkonstruktion

Drachenkopf auf der neuen Kirche. Der Hals ist mit Dachschindeln verkleidetet.

Die Dachkonstruktion der Kirche ist sechsstufig und nach dem Vorbild der Stabkirche Borgund mit zwei Stufen Pultdächern, die gleichzeitig das Schiff und den Chor bedecken. Im Gegensatz zu dem Vorbild in Borgund liegt das obere Pultdach auf dem unteren, so dass keine Wand mehr dazwischen zu sehen ist und sieht so aus wie die Stabkirche Hopperstad. Das untere Pultdach hat einen flacheren Winkel. Auf den Pultdächern folgt eine Stufe mit einem Satteldach. Das Schiff und der Chor tragen je ein unterschiedlich hohes Satteldach. Auf dem Satteldach des Schiffes ist ein dreistufiger Dachreiter mit einem Pultdach und zwei Stufen Pyramidendächern angebracht. Dieser mehrfache Aufbau mit immer kleiner werdenden Dächern lässt die Kirche durch eine optische Täuschung höher erscheinen, als sie tatsächlich ist. Damit sollte vermutlich die Ausrichtung des Gebäudes gen Himmel und somit ins Göttliche betont werden.

Die Apsis besteht aus drei Stufen aus Kegeldächern, wobei die unteren zwei Stufen durch die Konstruktion ähnlich den Pultdächern des Schiffes gekappt sind und aufeinanderliegen und auf der Westseite durch den Chor abgeschnitten sind. Darauf folgt ein rundes Türmchen mit Kegeldach.

Das Westportal hat wie die Stabkirche Borgund und die Stabkirche Gol ein doppeltes Satteldach. Da der Laubengang bei den Längsseiten gerade weiterläuft, hat das Nordportal nur ein einfaches Satteldach. Das südliche Chorportal hat keinen zusätzlichen Dachaufbau. Es fehlt ein Südportal im Schiff, womit die Kirche kein symmetrisches Äusseres besitzt. Die Giebel der Satteldächer der Schiffportale tragen Kreuze. Der Apsisturm und das Satteldaches des Chores tragen ebenfalls je ein Kreuz. Das Kreuz ders Apsistürmchen steht auf einer hölzernen Kugel. Auf den beiden Satteldächern des Schiffes befinden sich in Ost- und Westrichtung die für Wikingerschiffe typischen züngelnden Drachenköpfe. Im Gegensatz zu anderen Stabkirchen mit Drachenköpfen, wurden die Hälse mit Dachschnindeln verkleidet. Die Firsten der Satteldächer tragen eine Verzierung. Das Ortganggesims der Satteldächer ist wellenartig un hat zuunterst angebrachte Drachenfiguren, wie das von der Stabkirche Hopperstad übernommen wurde. Die vielen Kreuze und Figuren könnten die gleiche apotropäische Funktion zur Abwehr des Dämonischen erfüllen wie die Wasserspeier an Steinkirchen.[1]

Einrichtung

Chor

Im Apsishalbkreis steht ein kleiner Altar, der nur aus einem kleinen Holztisch besteht und ein goldenes Kreuz und Kerzen trägt. Der Altar hat kein Altarblatt. In der ursprünglichen Kirche trugen die Masten im Chor auf Gesichtshöhe je noch eine etwa 50 Zentimeter große Statue. Über dem Chor hängt wie in der abgebrannten Kirche ein runder, eiserner Kronleuchter mit sieben Kerzen. Auf der nördlichen Seite des Chors ist eine Orgel untergebracht. Ebenso befindet sich dort das steinerne Taufbecken.

Schnitzereien

1. Bild: Regin schmiedet für Sigurd das magische Schwert „Gram“.
2. Bild: Fafnir als Lindwurm.
3. Bild: Tötung des Fafnirs durch Sigurd durch Hinterlist.
4. Bild: Sigurd und Regin braten das Herz Fafnir. Sigurd leckt sich den verbrannten Daumen. Die Vögel sitzen im Baum.
5. Bild: Sigurd tötet den Betrüger Regin. Unten steht das Pferd Grani bereit.

In der neuen Stabkirche finden sich an den Bänken im Chor, der hinteren Reihe und beim Nordportal Schnitzereien, die den Portalschnitzereien der Sage um Sigurd der abgerissenen Stabkirche Hylestad nachempfunden sind.[2] In dieser Sage beschließen Sigurd und sein Ziehvater Regin Fafnir zu töten. Fafnir und Regin sind Brüder, die im Vorfeld der Geschichte ihren gemeinsamen Vater, den Riesen Hreidmar getötet haben, um an seinen Schatz zu kommen. Fafnir nahm aber die ganze Beute für sich alleine und zog einen Schreckenshelm auf, der ihn in einen Lindwurm verwandelte. Um Rache an dem Brunder zu nehmen, stachelte Regin seinen Ziehsohn dazu auf, Fafnir zu töten und so den Schatz des Vaters schließlich untereinander aufteilen zu können. Dafür schmiedete der kunstfertige und zauberkundige Regin das Schwert Gram, mit dem Sigurd den Fafnir in Lindwurmgestalt besiegen konnte. Sigurd tötete Fafnir mit einer List. Er hob eine Grube auf dem Weg zum Wasser aus und versteckte sich darin. Als Fafnir ans Wasser kroch um daraus zu trinken, erstach ihn Sigurd aus seinem Versteck von unten. Regin und Sigurd brieten schließlich das Herz des erlegten Fafnir, weil sie glaubten, damit dem Mut des Opfers habhaft werden zu können. Während des Bratens wollte Sigurd mit seiner Hand testen, ob das Herz bereits gar sei und verbrannte sich dabei aber den Daumen. Um seinen Schmerz zu stillen, steckte er sich den Daumen in den Mund. Da floß ihm ein Tropfen Blut des Herzes auf die Zunge, was ihm die magische Fähigkeit einbrachte, fortan die Sprache der Tiere zu verstehen. Er hörte, wie ihn zwei Vögel warnten, dass Regin eigentlich gar nicht vorhatte, den Schatz mit ihm zu teilen, sondern ihn bald töten wollte. Dank diesem Wissen tötete Sigurd aber den Betrüger Regin vorher. Schließlich belädt er sein Pferd Grani und zieht mit ihm davon.[3]

Literatur

  • Roar Hauglid: Norwegische Stabkirchen. Dreyer Verl., Oslo (Norwegen) 1977, ISBN 82-09-00938-9. (dt. Übers.; norwegischer Originaltitel: Norske stavkirker)
  • Erich Burger: Norwegische Stabkirchen. Geschichte, Bauweise, Schmuck. Erstveröff., DuMont, Köln 1978 (= DuMont-Kunst-Taschenbücher; 69), ISBN 3-7701-1080-3.
  • Yasuo Sakuma, Ola Storsletten: Die Stabkirchen Norwegens. Meisterwerke nordischer Baukunst. Genehmigte Lizenzausg., Bechtermünz-Verl., Augsburg 1997, ISBN 3-86047-239-9. (dt. Übers.)

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Fantoft Stave Church – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Erich Burger: Norwegische Stabkirchen – Bauweise, Geschichte, Schmuck. DuMont Buchverlag, Köln 1978, ISBN 3-7701-1080-3.
  2. The Sigurd Portal. detaillierte Beschreibung in Englisch. 4. Februar 2000. Abgerufen 2. August 2010.
  3. Das Lied von Drachenhort. In: Die Edda, Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Germanen. Übertragung von Felix Genzmer. Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzlingen/München 1981, ISBN 3-89631-411-4, S. 249-258.
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