Stellwagen-Orgel

Stellwagen-Orgel

Friedrich Stellwagen (Schreibung des Vornamens auch: Friederich oder Friderich; getauft 7. Februar 1603 in Halle (Saale); begraben 2. März 1660 in Lübeck) war ein deutscher Orgelbauer.

Leben

Friedrich Stellwagen wurde vermutlich in Halle (Saale) geboren, wo er 1603 in St. Ulrich getauft wurde.

Spätestens 1629 war er als Geselle in der Werkstatt des nach Hamburg umgezogenen Kursächsischen Hof-Orgelbauers Gottfried Fritzsche tätig, und spätestens im Jahr 1634 machte er sich in Lübeck als Orgelbauer selbständig, jedoch gibt es Hinweise auf eine mögliche Arbeit dort bereits 1633. Es ist nicht einmal unwahrscheinlich, dass er bereits 1631 oder bald danach nach Lübeck umsiedelte, nachdem er in Ottensen die Tochter seines Meisters, Theodora, am 1. September 1633 geheiratet hatte (Fritzsche führte die Hamburger Werkstatt noch bis zu seinem Tod 1638 fort). Sein Sohn Gottfried wurde ebenfalls Orgelbauer.

Stellwagen hatte von 1634 bis zu seinem Tode 1660 in Lübeck de facto ein Orgelbauprivileg, was 1645 durch den General-Orgelpflegevertrag mit allen fünf Hauptkirchen (St. Marien, Dom, St. Jakobi, St. Petri und St. Aegidien) unterstrichen wird.

Kleine Orgel in St. Jacobi, Lübeck

In St. Jacobi erweiterte Stellwagen 1636 und 1637 die Orgel (Laden und einige Stimmen sind noch erhalten) und baute 1637–1641 die große Orgel der Marienkirche um. Zur Demonstration der klanglichen Qualitäten der Stellwageninstrumente folgt eine Audiodatei (an der Orgel: Simon Schumacher) mit dem Register Hohlflöte 4' der sogenannten "kleinen" Stellwagenorgel der St. Jakobikirche Lübeck:  Livemitschnitt aus der St. Jakobikirche Lübeck August 2008; 2,38 MB?/i

Die Gestalt, die Stellwagen schließlich den beiden Orgeln der Marienkirche gab, war nicht nur entscheidend für das Wirken der Organisten Franz Tunder und Dietrich Buxtehude: Da Tunder zum Zeitpunkt der Orgelabnahme 1641 noch nicht sein Amt als Lübecker Marienorganist angetreten hatte, beauftragte man Heinrich Scheidemann, Organist der Katharinenkirche zu Hamburg, Stellwagens Umbau zu prüfen. Wahrscheinlich war Scheidemann so von Stellwagens Arbeit beeindruckt, dass er in St. Katharinen bewirken konnte, den Auftrag des Umbaus der dortigen großen Orgel an Stellwagen zu vergeben. Dessen Umbau der Katharinenorgel erfolgte in den Jahren 1644–1647.

Nachdem Stellwagen 1651 bis 1653 seinen ersten Neubauauftrag in der Hansestadt Stralsund abgeschlossen hatte (in der Kirche des Johannisklosters) und an der Orgel der dortigen Jakobikirche Instandhaltungsarbeiten ausgeführt hatte, erhielt er Mitte 1653 den Auftrag zu seinem größten und wohl auch letzten Werk, der Orgel in der Marienkirche. Nach dem Vertragsschluss kehrte Stellwagen zunächst für 2 Jahre nach Lübeck zurück, wo er an der kleinen Orgel (seit der "Orgelbewegung" im 20. Jahrhundert Totentanz-Orgel genannt) der Lübecker Marienkirche arbeitete. Erst Mitte 1655 zog Stellwagen mit seiner Werkstatt nach Stralsund, wo in der Marienkirche inzwischen örtliche Zimmerleute das Orgelgehäuse errichtet hatten.

Die Stellwagen-Orgel in St. Marien ist heute nur zum Teil erhalten. Neben dem Prospekt und dem teilweise erhaltenen Innenleben, gibt es vor allem noch rund 550 Pfeifen (jedoch aus fast allen Registern, so dass gute Grundlagen zur Rekonstruktion bestehen). Trotz deutlicher Substanzverluste gehört die Stralsunder Marien-Orgel oder Stellwagen-Orgel jedoch zu Norddeutschlands bedeutendsten Barockorgeln. Typisch sind die in deutlich voneinander getrennten Werken gruppierten Pfeifen (hier in [Haupt]-Werk, Oberpositiv, Rückpositiv und die beiden seitlichen Pedaltürme). Der Prospekt mit seinen im niederländischen Knorpelstil gehaltenen Schmuckmotiven zählt zu den repräsentativen Orgelprospekten des Frühbarock. Die Orgel wurde 1659 fertiggestellt. Nach der Abnahme reiste Stellwagen mit seiner Familie und der Werkstatt per Schiff zurück nach Lübeck. Er starb vor dem 25. Februar 1660, vermutlich in Lübeck, wo er im Dom begraben wurde.

Auswahl wichtiger Arbeiten

Orgel der Marienkirche in Stralsund
  • 1636–1637: Lübeck, St. Jakobi, kl. Orgel. Umbau, Rückpositiv u. Brustwerk von Stellwagen, weitgehend erhalten und restauriert.
  • 1639–1640: Ahrensburg, Schlosskirche. Neubau, einige Register erhalten.
  • 1637–1641: Lübeck, St. Marien, gr. Orgel. Umbau, nicht erhalten (Kriegsverlust, 1942).
  • 1639–1641: Mölln, St. Nicolai. Umbau, teilweise erhalten.
  • 1642–1643: Travemünde, St. Lorenz. Neubau, nicht erhalten.
  • 1643–1646: Lübeck, St. Petri, gr. Orgel. Umbau, nicht erhalten.
  • 1644–1647: Hamburg, St. Katharinen. Umbau, nicht erhalten.
  • 1645–1648: Lübeck, St. Aegidien. Umbau/Erweiterung der Scherer-Orgel von 1624–25, Scherer-Prospekt ist erhalten, keine Stellwagen-Substanz erhalten.
  • 1650: Salzwedel, St. Katharinen. Neubau, nicht erhalten
  • 1651–1653: Stralsund, St. Johannis (Kloster). Neubau, nicht erhalten.
  • 1653–1655: Lübeck, St. Marien, Totentanz-Orgel. Umbau, nicht erhalten (Kriegsverlust, 1942).
  • 1653–1659: Stralsund, St. Marien, Nordempore. Prospekt und bedeutende Teile des Pfeifenwerks zum Teil erhalten.

Literatur

  • Ibo Ortgies: Friederich Stellwagen. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Verlag Bärenreiter, Kassel 2006.
  • Ibo Ortgies: Über den Umbau der großen Orgel der Marienkirche zu Lübeck durch Friederich Stellwagen 1637–1641. In: Cleveland Johnson (Hrsg.): Orphei organi antiqui, Essays in Honor of Harald Vogel. Westfield Center, Seattle 2006, S. 313–335.
  • Evangelische Kirchengemeinde St. Marien Stralsund (Hrsg.): Die Stellwagen-Orgel in Sankt Marien zu Stralsund. Eine Bestandsaufnahme, Chronik und Dokumentation. Verlag Organum Buch, Öhringen 2006.
  • Ibo Ortgies: Stellwagen, Friedrich. In: Matthias Geuting u. Hermann J. Busch (Hrsg.): Lexikon der Orgel. Orgelbau–Orgelspiel–Komponisten und ihre Interpreten. Laaber-Verlag, Laaber 2007, S. 739.

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